Die Aktualität des Antikommunismus

che - für James Kirchick vor allem noch Bekannt an den jungen Körpern der "Trottel mit Che-Guevara-T-Shirts"

Man könnte meinen, daß mit dem Ende des Kommunismus auch der Antikommunismus langweilig würde. Aber weit gefehlt: Je toter die Alternative zum siegreichen System, desto schärfer gerät die Abrechnung mit ihm. Dabei ist keine Lüge zu plump um ihren Weg in die FAZ zu finden: "Es gab bisher noch kein kommunistisches Regime, das nicht mit dem Ziel endete, das eigene Volk umzubringen."

 

Egal ob "Stalins Gulags über die Schlachtfelder Kambodschas bis hin zu den Hungernöten unter Mao" - da wird alles an Leichenbergen des realen Sozialismus zusammengeworfen und deren Produktion dann einfach mal zum "Ziel" der sozialistischen Gesellschaften erklärt. Schon Karl Held wusste, dass es dieser Sorte Kommunistenjäger egal ist, ob sich die Bolschewiki gegen einen von den Imperialisten ausgerüsteten Bürgerkrieg im eigenen Land wehren müssen; ob Mao die Landbevölkerung für einen "Großen Sprung" mobilisiert und sein brachialer Versuch beschleunigter Industrialisierung in einer Hungersnot endet; ob Stalin die Landwirtschaft kollektiviert und dafür die Kleineigentümer terroristisch vertreibt oder ob die Amis Vietnam in die Steinzeit zurückbomben - an allem ist immer gleich "der Kommunismus", die "Tödlichste Ideologie der Geschichte" schuld.

 

So kommen eben die 100.000.000 Tote zusammen, die James Kirchick & Co in den Kellern der toten Kommunisten finden und fordern so nicht nur ein verdientes Denkmal für die Opfer des Kommunismus - wie der Titel seines Artikels lautet - sondern: "Es sollte überall Denkmäler für die Opfer des Kommunismus geben". Ansonsten erinnert Kirchick noch viel zu viel in Berlin und anderswo an die "fatalste Ideologie des 20. Jahrhunderts" : "Die andauernde Unsicherheit gegenüber dem Erbe des Kommunismus zeigt sich auch darin, dass eine große Straße im ehemaligen Ostberlin noch immer den Namen von Karl Marx trägt. Straßen nach Hitler oder Goebbels zu benennen, ist hingegen illegal."

 

Woran erinnert werden muss ist bekanntlich vergessen und zum Glück ist "der Kommunismus keine Gefahr mehr für den Weltfrieden wie noch zu Zeiten der Sowjetunion." Seit auch der Russe endlich zum Weltfrieden und -markt gefunden hat ist die Welt bekanntlich ein besserer Platz geworden und die inzwischen weltumspannenden Ansprüche der Demokratie bringen ihren Segen noch ins hinterletzte Dorf des friedliebenden 21. Jahrhunderts. Auch dem Arbeiter geht es heute besser wo der reale Sozialismus endlich da ist wo er hingehört - vergessen und nur Erinnerungswürdig in Form eines Mahnmals - denn "dass der Kommunismus die Rechte der Arbeiter erdrückt" ist doch jetzt allemal bekannt.

 

Der Antikommunismus also als überlebte Ideologie des kalten Kriegers mit zyklischem Revival im Feuilleton bundesdeutscher Zeitungen? Mitnichten, denn der reale Sozialismus soll nur diskreditieren helfen, was noch heute als Bedrohung gesehen wird: Die Kritik am Bestehenden. "Die steigende Sorge über die Einkommensungleichheit in Amerika, die sich in Form von Occupy Wall Street und Präsident Barack Obamas Herumreiten auf diesem Thema ausdrückt, ist allein noch kein Anzeichen dafür, dass sich eine Generation nach dem Kommunismus sehnt. Trotzdem spielt sich all dies schon auf der Skala ab, die im Extremfall dazu führen kann, dass die Schrecken des Kommunismus vergessen werden."

 

Doch die Kritik an der im Kapitalismus notwendigen und nützlichen Armut der großen Masse und die Kritik der demokratischen Staatsgewalt, die diese Armut und den ihr gegenüberstehenden Reichtum absichert, braucht den Verweis auf großartige Leistungen Stalins nicht - und kann von seinen Untaten nicht beschädigt oder ins Unrecht gesetzt werden. Die heutige Kritik des heutigen Kapitalismus - immerhin des Systems, das es gibt und das sich als mächtiger - auch kriegsmächtiger - erwiesen hat als jenes "Horrorgebilde" im Osten, hängt nicht davon ab, ob die früher einmal an die Macht gekommenen Feinde des Kapitalismus gediegene Politökonomen oder Knallköpfe, Kritiker der Staatsgewalt oder soziale Staatsreformer, zartfühlende Mitmenschen oder herzlose Despoten waren.

 

Der Kapitalismus jedenfalls wird nicht besser, Kritik an ihm wird nicht weniger stichhaltig dadurch, daß die Alternative, die in diesem Jahrhundert zu ihm aufgekommen ist, auch nicht gerade eine Ideallösung war.

 

Dabei sollte allerdings der reale Sozialismus von linker Seite nicht zu schonend behandelt werden, nur weil der Antikommunismus sich für Ziele und Zwecke der Sowjetunion aus offensichtlichsten Gründen nicht interessiert und nicht umgekehrt jeder Verweiß auf realsozialistische Untaten mit einem Hinweis auf ihr demokratischen Pedant beantwortet werden.Es ist verkehrt, James Kirchicks moralische Vernichtung der kommunistischen Umstürze und Staaten umzudrehen und nunmehr den Kapitalismus als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuprangern.

 

Wer eine Staatsform als Verstoß und Verbrechen outet, outet vor allem nämlich sich: Er giftet gegen eine Versündigung an den Aufgaben "guter Herrschaft", eben weil er eine ausgeprägte Vorstellung von guter Herrschaft hat. Herrschaft aber nie "gut", sondern institutionalisierte Gewalt über Land und Leute, die es nur braucht, wo beides für Zwecke hergenommen wird, die dem beherrschten Menschenmaterial nicht gut bekommen. Die Frage, ob die Opfer, die eine demokratisch verfaßte Herrschaft fordert, an höheren Werten gemessen, besser abschneiden und eher zu rechtfertigen sind als diejenigen einer "volksdemokratischen", geht den nichts an, der sich für Herrschaft weder in der einen noch in der anderen Form begeistert.

 

Nur jemand der seinen Frieden mit einer Gewalt über sich machen will, verfabelt sich Herrschaftszwecke in den mehr oder weniger gelungenen Dienst an höheren Werten.

 

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Alle Zitate aus
http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/james-kirchick-die-opfer-des-kommunismus-verdienen-ein-denkmal-13147364.html
Einige Passagen des Textes sind Übernommen aus:
Artikel von Peter Decker in der Zeitschrift Kalaschnikow, Ausgabe 11, Herbst 1998

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Zu den Maßnahmen der SU in der damaligen Zeit:

"Kapitalverwertung überall" von Robert Kurz (RIP) zu finden als und bei Audioarchiv

Siehe dazu folgenden Text.

Linker Antikommunismus.

Der FAZ-Artikel macht aus seiner Zielsetzung keinen Hehl. Nicht von Mord und Gefangenschaft durch Staat und Regierung soll die Rede sein, wenn von realsozialistischen Regimen die Rede ist, sondern von einer Ideologie, deren schlimmstes Verbrechen Diebstahl (der Produktionsmittel, denke ich mal) ist.

 

Die logische Folge dieses Perspektivwechsels ist dann, dass Slavoy Zizek ein Problem ist und extralegale Hinrichtungen durch Drohnen oder jahrelange Inhaftierung ohne Gerichtsurteil in Guantanamo oder das Händeschütteln mit verbündeten Despoten aus Katar oder so, keines. Die in dem Artikel beschriebene Zielsetzung, Liberale und Linke für einen slchen Antikommunismus zu gewinnen, dürfte damit zum Scheitern veurteilt sein. Die wären ja schön blöd, darauf reinzufallen.

 

Also, nichts, über das man und mensch und frau sich aufregen müsste. Aber ein netter Versuch. Lesenswert.