Erneuter repressiver Angriff in Italien

Basta Sfratti

Hier veröffentlichen wir zwei Texte aus Italien über den letzten repressiven Angriff des Staates und die Adressen der Betroffenen mit der Anmerkung, dass es sehr wahrscheinlich sein wird, dass sie bald in andere Knäste verlegt werden. Wir verweisen auch auf eine Broschüre, die im November 2013 zur Begleitung der Veranstaltung um die Kämpfe gegen Zwangsräumungen veröffentlicht wurde und unter Anderem auch in verschiedenen Infoläden zu bekommen ist.

http://www.abc-berlin.net/wp-content/uploads/2013/11/Basta-sfratti.pdf

 

Am gleichen Tag wurden auch mehrere Räumungen in der Stadt Genoa (Lab. Buridda, seit 11 Jahren besetzt) und in Rom durchgeführt. Aktionen der Solidarität fanden schon statt: Eine spontane Demonstration in Turin von 200 Leuten am Tag der Verhaftungen, eine Straßenblockade mit brennenden Mülltonnen auf einer Hauptverkehrsstraße in Rom oder eine Demonstration gegen die Räumung der Buridda mit einem Angriff auf einen Stützpunkt der Demokratischen Partei, usw..

 

Unsere Leidenschaft für die Freiheit ist stärker als jeder Knast

 

Einige solidarische Anarchist*innen

 

Adressen:

 

Daniele Altoè C.C. Piazza Don Soria, 37 - 15121 Alessandria
Andrea Ventrella C.C. Via Port’Aurea, 57 - 48121 Ravenna
Paolo Milan C.C. Brissogne, Loc. Les Iles, 14 - 11020 Aosta
Toshiyuki Hosokawa C.C. Brissogne, Loc. Les Iles, 14 - 11020 Aosta
Giuseppe De Salvatore C.C. Via dei Tigli 14 - 13900 Biella
Francesco Di Berardo C.C. Via Roncata 75 - 12100 Cuneo
Nicolò Angelino C.C. via Maria Adelaide Aglietta 35 - 10151 Torino
Marianna Valenti - C.C. via del Rollone 19 - 13100 Vercelli
Fabio Milan - C.C. via del Rollone 19 - 13100 Vercelli
Michele Garau - Strada Quarto inferiore 266 - Loc. Quarto Inferiore - 14030

Claudio, Nicco und Chiara sitzen schon aufgrund einer weiteren Ermittlung wegen einer Sabotage an der TAV-Baustelle:

Claudio Alberto C.C. Via Arginone 327 - 44122 Ferrara
Niccolò Blasi C.C. Via Casale San Michele 50 - 15100 Alessandria
Chiara Zenobi C.C. Via Bartolo Longo 92 - 00156 Roma

 

An.d.Ü.: Falls ihr den Leuten schreibt, versucht das in einem einfachen Englisch zu machen, denn die meisten sind mit anderen Sprachen als italienisch nicht so betraut.

 

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Ein Text von Genoss*innen des Turiner Projekts „Macerie“ (https://autistici.org/macerie), die seit Jahren Beiträge über die Kämpfe in Turin, unter Anderem gegen Zwangsräumungen und Abschiebeknäste, veröffentlichen. Einige der Mitstreiter*innen sind sich auch im Knast.

 

 

Einige kurze Notizen zu den Verhaftungen

 

Nach der Aufregung am gestrigen Tag (der 3. Juni), wo wir uns damit beschäftigt haben herauszufinden, wo alle Verhafteten hingebracht wurden, versuchen wir nun einigen Überlegungen über diese letzte Operation zusammenzufassen. Denn sie hat aufgrund der großen Anzahl der Betroffenen (111), der Menschen, die unter unterschiedlichen restriktiven Maßnahmen leiden (29) und für die Besonderheit der Vorwürfe eine tiefere Analyse verdient.

 

Wie schafft man es so viele Menschen innerhalb einer Ermittlung zusammenzupacken?

Die Antwort ist relativ einfach: man wird darin nicht nur die üblichen, von der Turiner Polizei bekannten, Namen zusammenwürfeln.

In den 200 Seiten, die die Anklage ausmachen, finden wir wieder einen Teil der Stadt, die Bezirke Porta Palazzo, Aurora und Barriera di Milano.

Wir finden darin wieder die Namen und die Gesichter derjenigen, die sich in den letzten Jahren entschieden haben sich zusammen zu organisieren, um sich gegenseitig zu helfen, weil sie es nicht mehr schaffen, die Miete zu bezahlen. Die Namen der vielen, Italiener*innen und Migrant*innen, die sich hinter den zusammengeketteten Mülltonnen verbarrikadiert haben um Widerstand zu leisten, die mit Sorge und Entschlossenheit auf das Ankommen der Gerichtsvollzieher gewartet haben und schließlich, als sie ihre Wohnungen doch verloren haben, sich dazu entschlossen haben zu Besetzen.

 

Eine Sache die sofort klar wird ist, dass es dieses Mal nicht um ein Vereinigungsdelikt geht, sondern um die Zusammenlegung innerhalb der gleichen Ermittlung von verschiedenen einzelnen Delikten, die an sich nicht schwerwiegend sind.

Das am meisten vorgeworfene Delikt ist die Gewalt gegen Polizeibeamte, wir finden aber auch seltsame Vorwürfen, wie etwa Freiheitsberaubung, die auch kürzlich gegen Giobbe, Andrea und Claudio (Genossen die zu hohen Strafen für die gleichen Vorwürfe verurteilt wurden – weil sie einem Journalisten während einem Protest in Susa Tal gesagt haben, dass er nicht filmen und sich verpissen soll) benutzt wurde.

Dieses mal meint die Staatsanwaltschaft, dass diejenigen, deren Freiheit beraubt worden sein soll, die Gerichtsvollziehr*innen seien. Sie sollen von den Teilnehmer*innen der Antiräumungsposten umzingelt worden sein und dadurch dazu gezwungen, eine Verschiebung der Zwangsräumung zu garantieren.

Die restriktiven Maßnahmen sind laut Staatsanwaltschaft nicht bloß aufgrund der Schwere der einzelnen Vorfälle gerechtfertigt, sondern wegen ihrer Wiederholungen. Diese haben sich laut den Ermittlern aus einem theoretischen Plan ergeben, der in die Flugblättern wieder zu finden sei, die sowohl während der Proteste verteilt wurden, als auch in den verschiedenen Texten der Zeitung „Invece“ (eine monatlich erscheinende anarchistische Zeitung aus Italien) und auf unserer Website veröffentlicht wurden.

Aber lass uns zu den eigentlichen Akten kommen: „Der Effekt von solchen, sich wiederholenden, abgesprochenen Aktionen des Widerstands, ist am Ende der gewesen, die juristischen Entscheidungen ihrer Autorität und exekutiver Kraft zu berauben (…), mit dem Ziel dabei innerhalb eines Kontextes die programmierte Einschüchterung der Vollstreckung der richterlichen Anordnungen zu blockieren.“

 

Es zielt ab auf den Willen sofort einen Bedarf zu befrieden, wie zum Beispiel der Wille ein Dach über dem Kopf zu haben ohne es erbetteln zu müssen, ohne auf irgendwelche Verbesserungen der Hauspolitik der Turiner Stadt zu warten.

Im Porta Palazzo und Barriera wurden für über einen Jahr keine Zwangsräumungen vollstreckt, überall dort, wo es Widerstand gab. Es handelt sich um ein faktisches Moratorium.

Es ist das, was die Obigen und die Politiker*innen jeglicher Coleur nicht verdaut haben, auch weil sie es schon immer gewohnt sind, ein Objekt von Förderungen und Achtung zu sein.

Dieses Mal mussten sie sich anschauen, wie Verschiebung nach Verschiebung aus ihren Händen gewindet wurden ohne die Möglichkeit einer Mediation zu haben.

Was unterscheidet eine solche Art von Moratorium wie dieses von denen, die durch die öffentliche Verwaltung gegeben werden? Die Zweite nutzt bloß dazu für eine kurze Zeit den Stock weich zu machen und die Seelen zu beruhigen, dabei die gegebenen Hierarchien bestätigend.

Im Gegensatz zielt die Erste darauf ab, sich auszudehnen und zu verbreiten, um eben diese Hierarchien zu zerstören, indem man auf eine andere Art des sich Kennenlernens, auf der Straße zu sein und sich zu Organisieren pokert.

 

Dennoch hat sich Davide Gariglio (ein Politiker aus der PD, Demokratische Partei) kurze Zeit nach den Verhaftungen völlig zufrieden mit der Operation der Polizei erklärt, weil dadurch ein Ende der Situation der diffusen Illegalität auf die Straße gesetzt worden ist. Es ist gar kein Zufall, dass genau ein Vertreter der Demokratischen Partei hier spricht. Der regierenden Partei in Turin, der Partei des „Plan Haus“ (eine von der PD verabschiedete Reform, die unter Anderem auf die Erschwerung der Besetzungen abzielt), der Partei der Banken und der Zwangsräumungen, der Partei mit den am meisten zerstörten Stützpunkten innerhalb der vergangenen Monate.

 

Macerie, 4 Juni 2014

 

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Wir werden nie runter steigen!

 

Solidarität mit den Genoss*innen, die am 3. Juni verhaftet wurden

 

Dienstag, den 3. Juni hat eine große repressive Operation zu 29 restriktiven Maßnahmen geführt (11 Verhaftungen, 6 Hausarresten, 4 Meldepflichten, 4 Aufenthaltsverboten in der Stadt Turin, 4 Pflichten den Ort der Anmeldung nicht zu verlassen), die vor allem gegen Genoss*innen aus Turin zielen.

Die Vorwürfe – Drohung, Gewalt, Widerstand, Freiheitsberaubung, versuchte Erpressung einer „Nachfrist“ (Verschiebung der Zwangsräumung)...- beziehen sich fast alle auf knapp 2 Jahre des Kampfes gegen die Zwangsräumungen in Turin und auf einigen Aktionen gegen die Demokratische Partei.

Die Ermittlungen, die mal wieder durch den nie ausbleibenden Staatsanwalt Rinaudo (der innerhalb der letzten Jahre unzähligen Ermittlungen gegen die Bewegungen aus Turin und Susa Tal lanciert hat) geführt werden, betreffen 111 Menschen (vor allem Anarchist*innen, aber auch Genoss*innen der Autonomia und Proletarier*innen, die an den Kämpfen teilgenommen haben).

Nach dem ersten Lesen der Akten scheint solch ein schwerer repressiver Angriff einige Zielen haben:

  • die Rechnung für zwei Jahre des aktiven Widerstands gegen die Zwangsräumungen zu stellen, indem sie auf die Genoss*innen und die Familien, die an den unterschiedlichen Momenten des Kampfes teilgenommen haben (Antiräumungsposten, Barrikaden auf der Straße, Besetzungen, Blockaden der Büros der Gerichtsvollzieher*innen) zielen;

  • Ziele (wortwörtliche Darstellung der Staatsanwaltschaft) die „Einwurzelung“ der Genoss*innen innerhalb der Bezirke von Porta Palazzo und Barriera di Milano;

  • eine große Anzahl von Anarchist*innen aus dem Verkehr zu ziehen, denn die schon hohe Anzahl an anderen repressiven Maßnahme war nicht genug;

  • den „Plan Haus“ der Regierung Renzi in einer Situation zu testen, die keine institutionellen Vermittlungen akzeptiert, um für zukünftige Operationen gegen diejenigen, die besetzen und Widerstand leisten, auszuprobieren;

  • im Vorfeld des 11. Juli, einer Demonstration in Turin, einige Spaßverderber*innen zu verhaften (denn dieser Tag könnte ziemlich „heiß“ werden);

  • die Solidarität in der Stadt für die vier, schon verhafteten, Genoss*innen zu schwächen, die mit dem Vorwurf konfrontiert sind, die TAV-Baustelle angegriffen zu haben (Nico, Claudio und Chiara, die seit dem 9. Dezember 2013 im Knast sind, wurden auch von diesen neuen Ermittlungen und restriktiven Maßnahmen getroffen), denn der Prozess gegen sie hat gerade erst angefangen;

  • den Anweisungen der Bauherren zu folgen;

  • Dem Druck der Demokratische Partie nachzukommen, die keinen Bock mehr auf die vielen Aktionen gegen ihre Stützpunkte und die vielen Proteste auf den Straßen hat.

 

Die Absicht der Staatsanwaltschaft gegen die Genoss*innen aus Turin kann einfach so beschrieben werden: „Macht sie alle platt“.

Wie man sieht, sind die Ebenen der Solidarität, mit der man sich ausdrücken kann, unzählig und miteinander verbunden.

Unsere ganze Komplizenschaft geht an unsere betroffenen Genoss*innen und Freund*innen.

Auf dass die Genoss*innen, die noch frei sind, nicht alleine gelassen werden.

Auf dass die eingesperrten Genoss*innen die Wärme unserer Solidarität spüren.

Die beste Verteidigung ist der Angriff. Auf dass die Aktionen sich ausbreiten.

 

Fabio, Paolo, Andrea, Fra, Michele, Toshi, Daniele, Nicco, Beppe, Chiara, Nico, Claudio, Gabrio, Marco, Marianna, Maria, Simona, Moski, Rasta, Sofia, Davide, Simone, Claudia, Graziano, Pier, Cam, Mattia, Fabi und Sabbo sofort Frei.

 

Anarchist*innen aus Trento und Rovereto

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Von der massiven Solidarität mit den No Tav Verhafteten und derzeit besonders bezüglich Chiara, Claudio, Mattia und Niccoló, die monatelange Isolation hinter sich haben wissen wir, dass ihnen die massenhaften Ladungen Briefe die sie erhalten haben sehr helfen. Schreiben ist wichtig und hilfreich!