[B] Polizei will Liste der gefährlichsten Orte nicht veröffentlichen

Erstveröffentlicht: 
31.01.2014

Die Polizei hält die Liste der „Kriminalitätsbelasteten Orte“ unter Verschluss – viele kennt man aber sowieso. von Jörn Hasselmann.

 

Die Polizei wird die Liste der „Kriminalitätsbelasteten Orte“ nicht veröffentlichen. Dies sagte Polizeipräsident Klaus Kandt im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Eine Veröffentlichung würde die Orte „stigmatisieren“ und die Arbeit der Polizei erschweren. Zudem hätte die Nennung der Orte „keinen Informationswert oder praktischen Nutzen für die Allgemeinheit“, sagte Kandt. Er verwies darauf, dass das Verwaltungsgericht 2012 entschieden hatte, dass die Liste nicht veröffentlicht werden muss.

 

Unterstützung erhielt der Polizeipräsident von den Koalitionsparteien SPD und CDU. Linkspartei und Piraten sprachen sich in der Sitzung für die Abschaffung der Kriminalitätsbelasteten Orte (KBO) aus.

 

Die Grünen wandten sich als einzige Oppositionspartei gegen die Abschaffung, Benedikt Lux forderte allerdings eine Veröffentlichung der Liste sowie eine Evaluierung des Nutzens.

Bisher gab es rund 20 "Gefährliche Ort"

Diese KBO, anfangs nannten sie sich „Gefährliche Orte“,  gibt es in Berlin seit 20 Jahren. Dort gibt es mehr schwere Straftaten wie Raub, Körperverletzung und Drogenhandel als im Rest der Stadt. In diesen genau definierten Gebieten hat die Polizei spezielle Rechte, sie darf ähnlich wie in den umstrittenen und wieder abgeschafften „Gefahrengebieten“ in Hamburg anlassunabhängig die Personalien feststellen und Personen durchsuchen. Dies ist im großen Rest der Stadt nicht erlaubt, denn sonst muss immer ein konkreter Verdacht für eine Kontrolle vorliegen.

 

Festgelegt werden die KBO von den sechs Polizeidirektionen, ihre Zahl schwankt seit Jahren zwischen 20 und 25. Oft sind es nur einzelne Straßenzüge oder Plätze. Wegen der Prostitution sind Oranienburger Straße und Kurfürstenstraße auf der geheimen Liste, aufgrund des Drogenhandels sind auch die U-Bahn-Linien 8 und 9 als kriminalitätsbelastet eingestuft, ebenso der Görlitzer Park. Alle diese Orte sind in der Vergangenheit durchgesickert – aber vielen Berlinern sowieso als problematisch bekannt.

Mauerpark nicht mehr auf der KBO-Kiste

Kandt verwahrte sich mit Blick auf den Görlitzer Park noch einmal gegen den Vorwurf des „Racial Profilings“, dass also die Polizei Schwarze nur kontrolliert, weil sie Schwarze sind. „Wenn es im Görlitzer Park Bayern mit Lederhosen wären, würden dann entsprechend diese kontrolliert“, sagte Kandt. Für alle KBO gibt es ein bestimmtes Täterbild, dass können im Umfeld von Discotheken etwa „Jugendliche mit weißen Schnürsenkeln“ sein, hieß es. Schon die Schließung einer Disco könne dazu führen, dass ein KBO aus der Liste fällt, sagte ein leitender Beamter.

 

Der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz erinnerte daran, dass sich der Drogenhandel im Mauerpark durch den „konsequenten Einsatz der Polizei inzwischen deutlich gebessert“ habe, der Park ist deshalb dem Vernehmen nach nicht mehr auf der Liste.

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Berliner Polizei veröffentlicht Liste der "kriminalitätsbelasteten Orte" nicht

 

Wie der Tagesspiegel berichtet, wird der Polizeipräsident in Berlin die Liste der "kriminalitätsbelasteten Orte" nicht veröffentlichen. Polizeipräsident Klaus Kandt begründet das laut Tagesspiegel so: "Eine Veröffentlichung würde die Orte 'stigmatisieren' und die Arbeit der Polizei erschweren. Zudem hätte die Nennung der Orte 'keinen Informationswert oder praktischen Nutzen für die Allgemeinheit', sagte Kandt. Er verwies darauf, dass das Verwaltungsgericht 2012 entschieden hatte, dass die Liste nicht veröffentlicht werden muss.

Diese Argumentation ist, gelinde gesagt, interessant. An den "kriminalitätsbelasteten Orten" gibt es mehr schwere Straftaten wie Raub, Körperverletzung und Drogenhandel als an anderen Orten in der Stadt. Aus meiner Sicht ist das sehr wohl für die Allgemeinheit interessant, denn nur so können die Bürger diese Orte meiden bzw., wenn sie dort wohnen, sich entsprechend darauf einstellen - vielleicht sogar der Polizei zuarbeiten, in dem sie genauer beobachten, was vor der Haustür so vor sich geht. Selbst wenn die Veröffentlichung dazu führen würde, dass potentielle Straftäter von sich aus diese Orte meiden, wäre dies von Vorteil für die Anwohner und Besucher dieser Orte. Denn Ziel der Polizei müsste doch auf lange Sicht sein, dass irgendwann gar keine Orte mehr auf dieser Liste sind - dann wäre die Kriminalitätsbekämpfung nämlich erfolgreich gewesen.

Und auch der Verweis auf das Verwaltungsgericht (VG) stimmt so nicht.

Das VG Berlin hatte mit Beschluss vom 10.10.2012 - VG 27 L 180.12 nicht endgültig entschieden, dass die Liste nicht veröffentlicht werden müsste. In dem Fall ging es viel mehr um ein Eilverfahren ("vorläufiger Rechtsschutz / Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO") und die Frage, die das VG zu klären hatte, war, ob der Polizeipräsident in Berlin die Liste quasi sofort an den dort beteiligten Journalisten herausgeben muss.

Derartige Eilrechtsmaßnahmen sind aber rechtlich nur unter engen Voraussetzungen zulässig, nämlich wenn dem Antragssteller ohne Eilrechtsschutz "schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile" entstehen würden.Und die sah das VG - aus meiner Sicht auch zu Recht - nicht.

Richtig ist aber, dass das VG Berlin den Antrag nutze, um noch ein paar allgemeine Gedanken zu der Problematik zu äußern. So führte es dann aus:

"b) Im Übrigen spricht vieles dafür, dass der Antragsgegner die mit den Fragen 1) und 2) erbetene Auskunft über die Gesamtheit der Örtlichkeiten (Straßen, Parks, Plätze) in Berlin, an denen zur Zeit verdachtsunabhängige Kontrollen gemäß ASOG erlaubt sind, nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 des Berliner Pressegesetzes – BlnPresseG - und nach  § 9 Abs. 1 des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes –IFG - verweigern darf."

Interessant in diesem Zusammenhang: Damals behauptete der Polizeipräsident noch, es gäbe so eine Liste gar nicht, was ebenfalls für das VG ein Grund war, einen Anspruch des Antragstellers zu verneinen. Logisch: Wenn es keine Liste gibt, kann man sie sich auch nicht vorlegen lassen.

In den Worten des VG: "Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner darüber hinaus tatsächlich eine Aufstellung der nach bisherigem Kenntnisstand als „gefährlicher Ort“ einzustufenden Örtlichkeiten zur allgemeinen Vorbereitung möglicher anlassunabhängiger Identitätsfeststellungen führt." Das hat sich wohl zwischenzeitlich geändert, wenn Klaus Kandt selbst anscheinend nicht mehr bestreitet, dass es die Liste gäbe, sondern nur noch die Veröffentlichung ablehnt.

Rechtlich bedenklich sind aus meiner Sicht diese Ausführungen des VG:

"Sofern solche Örtlichkeiten, an denen „jederzeit“ mit einer polizeilichen Razzia zu rechnen ist, der Öffentlichkeit nicht ohnehin bekannt sind – weshalb es insoweit keiner Auskunft durch den Antragsgegner bedarf -, spricht die bei Bekanntgabe dieser Örtlichkeiten eintretende Gefährdung des Erfolgs einer überraschenden dortigen Razzia dafür, dem Antragsgegner auch insoweit ein Auskunftsverweigerungsrecht nicht nur bereits nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 S. 1 IFG, sondern auch nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BlnPresseG zuzuerkennen. Denn der Begriff der „Maßnahme“ in dieser Vorschrift dürfte sich nicht auf den Begriff des nach außen wirkenden Verwaltungshandelns beschränken, sondern dürfte auch die Maßnahmen erfassen, die der Vorbereitung späteren Verwaltungshandelns dienen."

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, denn diese Argumentation bedeutet bei Übersetzung der juristischen Begriffe ins Deutsche nichts anderes als Folgendes: Die Liste muss geheim bleiben, damit die entsprechenden Örtlichkeiten Schwerpunkte der Kriminalität bleiben, denn nur dann haben überraschende Razzien, deren Vorbereitung die Einstufung als "kriminalitätsbelasteter Ort" dient, dort Aussicht auf Erfolg. Kurz: Die Orte müssen kriminalitätsbelastet bleiben, damit die Polizei dort Kriminalität bekämpfen kann. Genau diesen Hintergrund deutet der Polizeipräsident allerdings selbst an, wenn er sagt, "die Veröffentlichung würde die Arbeit der Polizei erschweren". Das kann aber doch nicht wirklich der Sinn des Ganzen sein?

Ich frage mich allerdings, warum der Autor des Artikels im Tagesspiegel, Herr Hasselmann, nicht selbst einen Antrag wie der "Journalist der B_____(Ressortleiter Polizeiredaktion)" stellt. Denn mittlerweile - auch nachdem man in Hamburg gesehen hat, wozu solche Befugnisse ge-/missbraucht werden können - könnte die Entscheidung des VG vielleicht anders lauten. Einen Versuch wäre es wert. 

In der Bild-Zeitung von heute findet sich angeblich die KBO-Liste: 

http://www.bild.de/regional/berlin/kriminalfaelle/gefaehrlichste-orte-29...