[FR] Prozess gegen Faschisten Florian Stech: Plädoyers und Urteilsverkündung

Buchenwald

Der Prozess gegen den Neonazi Florian Stech, der nach erfolgreicher Revision seit dem 18. November erneut vor dem Landgericht verhandelt wird, geht nun in die Endrunde. Stech fuhr am 1. Oktober 2011 in Riegel  einen Antifaschisten mit seinem Auto um. Im ersten Verfahren wurde er vom Vorwurf des versuchten Totschlags freigesprochen.   

 

Nach wie vor weigerte sich der Staatsschutz Emmendingen in den Vernehmungen, trotz Aussagegenehmigung der Vorgesetzten, umfangreiche Informationen über die regionale Naziszene um Florian Stech zu geben. Viel mehr noch stellte sich heraus, dass die örtlichen Staatsschutzbeamten in diesem Verfahren aktiv organisierte Faschisten geschützt haben, in dem sie nicht die Namen der am Tatort anwesenden Nazis Preis gaben. Nur durch zähe Befragungstaktiken der Nebenklage ließen sich Namen und Anschriften von weiter Beteiligten herausfinden. Auch, dass die geladenen Nazis im ersten Verfahren nach Strich und Faden gelogen und Informationen bewusst verheimlicht haben wurde nur mehr als deutlich.

 

Nach dem Freispruch für Florian Stech im Sommer 2012 wurde auch in der zweiten Instanz schnell klar in welche Richtung die Kammer das Verfahren drängen wird.

 

Völlig ungefragt führte ein beisitzender Richter die Einträge und bisher geführten Verfahren gegen alle acht beteiligten AntifaschistInnen ein, weil es ihm für das Verfahren als wichtig erschien die Aktivitäten der AntifaschistInnen zu betrachten. Sogar Ermittlungen, die offensichtlich eingestellt wurden oder erzielte Freisprüche wurden erwähnt. Der Staatsschutzermittler Hochstain ließ es sich nicht nehmen ein Verfahren wegen Körperverletzung gegen den betroffenen Antifaschisten zu erwähnen und zu betonen, dass von ihm und der Gruppe Antifas eine hohe Aggressivität ausgeht. Während der Verhandlung offenbarte sich immer mehr, dass der Beamte Hochstain vor allem die vor Ort gewesenen AntifaschistInnen für das Problem hält. Er ging sogar so weit, dass er eine Antifaschistin wegen des Vorfalles in Riegel in eine Kartei als "linke Gewalttäterin" aufnehmen lies. Die anderen AntifaschistInnen wurden davor schon in dieser Kartei aufgeführt.

 

Die Richter gingen in ihren absurden Vorstellungen sogar noch weiter. So wurde der Gutachter gefragt, ob es denn möglich gewesen sei, dass der schwerverletzte Antifaschist beim Flug über das Auto versucht haben könnte den Fahrer Stech noch anzugreifen. Dabei soll der Antifaschist einen Satz auf die Motorhaube gemacht haben und die Windschutzscheibe könnte statt vom Kopf genauso gut von einer Pfeffersprayflasche beschädigt worden sein. Damit folgten die Richter den Argumentationen der Verteidigung Stechs Um dieses Szenario auszuschließen wurde das Verfahren künstlich in die Länge gezogen, um an der Stoßstange gefundene Haar mit der DNA des Betroffenen ab zu gleichen. Durch Verzögerungen im Kriminaltechnischen Labor Ulm wurden einige "Scheinverhandlungstage" dazwischen geschoben, um der Prozessordnung nachzukommen, nach der zwischen den Verhandlungstagen nur 3 Wochen liegen dürfen. Trotz der Anstrengungen der Nebenklagevertreter ließ es sich nicht verhindern, dass der Antifaschist, zwar auf Anonymisiertem Wege, aber dennoch seine DNA abgeben musste.

 

Nachdem der Prozess nun schon über zwei Monate dauert ist nun ein Ende in Sicht. Morgen werden am Landgericht die Plädoyers verlesen. Auch die AntifaschistInnen in der Nebenklage werden eine Erklärung mit ihrer Sicht auf die polizeilichen Ermittlungen und das bisher geführte Verfahren vortragen. Am Freitag findet die Urteilsverkündung statt.

 

Aus antifaschistischer Perspektive ist in diesem aktuellen Prozess noch einmal mehr klar geworden, dass wir uns nicht auf die bürgerliche Justiz im Kampf gegen Nazis verlassen können. Die Richter und ermittelnden Beamten nutzen jeden Möglichkeit die AntifaschistInnen zu diffamieren und ihnen die eigentliche Aggression zu unterstellen.

 

Trotzdem ist eine breite Öffentlichkeit für solche Prozesse wichtig, damit sie nicht hinter geschlossenen Türen geführt werden.

 

Kommt zur antifaschistischen Prozessbeobachtung!

 

Plädoyers | 29.1. | 9 Uhr

Urteilsverkündung | 31.1. | 9 Uhr

 

Alles Termine finden am Landgericht in der Salzstraße statt.

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Berichterstattung der Autonomen Antifa zu dem Prozess: https://autonome-antifa.org/?mot1707

bei RDL: https://rdl.de/person/florian-stech

Rolf Gössner zur unterschiedlichen strafjustiziellen Behandlung des ,Rechtsterrorismus‘ im Vergleich zum ,Linksterrorismus‘ (1980 bis 1989)

Aus http://www.infopartisan.net/archive/kurdenverfolgung/014.html

 

„Politische Justiz richtet sich – auf den ersten flüchtigen Blick – gegen ,links‘ und gegen ,rechts‘ gleichermaßen und vermittelt somit den Eindruck einer gewissen staatlichen Neutralität. Dieser Eindruck ist falsch. Unsere Untersuchungsergebnisse zeigen für den ,Terrorismus‘- Bereich in aller Klarheit: Es gibt sie tatsächlich doch, die einerseits vielfach befürchtete und unterstellte, andererseits vehement geleugnete und verdrängte Rechts-Blindheit bundesdeutscher Politjustiz – immer noch und nachweislich. Sie manifestiert sich in einer für die achtziger Jahre statistisch untermauerbaren, signifikant unterschiedlichen justiziellen Behandlung von ,Linksterrorismus‘ (LT) und ,Rechtsterrorismus‘ (RT) – eine Ungleichbehandlung nicht etwa entsprechend der ungleichen Phänomene, sondern gerade verkehrt herum: Einseitig zu Lasten des linkspolitischen Oppositions- und Widerstandsspektrums, während das rechte, neonazistische Spektrum demgegenüber vielfach begünstigt wird.

Folgende Tendenzen lassen sich zusammenfassend herauslesen: Es wurden fast fünfundzwanzigmal mehr LT-Verfahren eingeleitet als RT-Verfahren. Das bedeutet: In Sachen ,Links terrorismus‘ wird wesentlich extensiver ermittelt, werden entsprechend mehr verdächtige Personen involviert als dies beim ,Rechtsterrorismus‘ der Fall ist. Es handelt sich um vollkommen unterschiedliche Dimensionen staatlicher Reaktionen, die kaum mit unterschiedlichem Umfang, auch nicht mit unterschiedlicher Gefährlichkeit der beiden Phänomene zu erklären sind..."

ACHTUNG: DIE URTEILSVERKÜNDUNG FINDET ERST AB 14 UHR STATT!