Am 12. November wird das Landgericht Frankfurt (Main) nach über einem Jahr das Urteil gegen Sonja Suder verkünden. (Prozessberichte) (Aufruf)
Kundgebung ab 9 Uhr vor dem Landgericht.
Es geht in Frankfurt nicht nur um ein Urteil für Urzeiten zurückliegende Vorwürfe. (Erklärungen zu den vorgeworfenen Aktionen)
 Vor Gericht steht auch eine Haltung. Sonja und Christian, die 
jahrzehntelang untergetaucht waren, haben sich konsequent geweigert, mit
 den deutschen Behörden irgendeinen Deal einzugehen. Sonja selbst hat 
dazu mal gesagt: „Wenn du vorher ausgemacht hast: Wenn einmal was 
passiert, dann kein Wort, keine Aussage, dann hast du ein sehr sicheres 
Gefühl.“
Diese klare Haltung hat für sie Konsequenzen: Sonja 
sitzt seit ihrer Auslieferung im September 2011 als mittlerweile älteste
 U-Haftgefangene Europas in Frankfurt-Preungesheim. Wer sich nicht 
unterkriegen lässt, muss erst recht bestraft werden. Auch die 
vorgeladenen Zeug_innen Sybille und Hermann F. haben sich geweigert, mit
 den Behörden zusammenzuarbeiten. Diese Entscheidung kostet viel Kraft. 
Solidarität ist dagegen unsere Waffe, ihre Haltung zu unterstützen, 
ihnen Kraft zu geben durch das Gefühl, nicht alleine zu sein.
Es 
geht auch nicht nur um die Vergangenheit. Der Staat macht mit diesem 
Prozess mehr als deutlich: Er vergisst nicht. Damit wird auch ein 
deutliches Signal an die sozialen Kämpfe heute gesendet. Es sind bis 
heute unsere Themen, die in früheren Jahren von Teilen der 
Revolutionären Zellen/Rote Zora (RZ) (Hintergründe zu diesen Gruppen) aufgenommen wurden. Deshalb geht es bei dem Verfahren auch um unsere Haltung gegenüber dem Staat und um unsere Geschichte.
Im
 September 2012 begann in Frankfurt am Main der Prozess gegen Sonja 
Suder (80) und Christian Gauger (72). Beide sind angeklagt, sich 1977 
und 1978 an Anschlägen der RZ beteiligt zu haben. Sonja wird darüber 
hinaus vorgeworfen, für den Angriff auf die OPEC-Konferenz in Wien 1975 
Waffen transportiert zu haben. Der Prozess gegen Christian wurde wegen 
seines schlechten Gesundheitszustandes im August vorübergehend 
eingestellt. Sonja jedoch soll verurteilt werden, daran lässt das 
Landgericht keinen Zweifel.
Aussagen eines Kronzeugen
Das
 Gericht wird sich in seinem Urteil besonders auf die in sich 
widersprüchlichen Aussagen des Kronzeugen Hans-Joachim Klein stützen. (Schriftsatz eines Anwalts von Sonja Suder)
 Dabei wird es ignorieren, dass ein anderes Landgericht Klein bereits 
vor Jahren als nicht vertrauenswürdig eingestuft hat. Trotzdem beruht 
die Anklage wegen logistischer Unterstützung des OPEC-Überfalls gegen 
Sonja allein darauf, dass sich Klein, der an dem Angriff beteiligt war, 
in seinem eigenen Verfahren 1998 durch den Kronzeugenrabatt sich eine 
geringere Haftstrafe erkauft hat. Erst als seine Aussagen gegen Rudolf 
Sch. für eine Verurteilung im Zusammenhang mit OPEC nicht reichten, 
musste für einen Deal mehr geboten werden und Sonja "fiel" ihm ein. (2.
 Befangenheitsantrag der Verteidigung: “Wie kann jemand überhaupt noch 
auf die Idee kommen, eine Beschuldigung gegen die Angeklagte Suder 
allein auf die Angaben des Kronzeugen zu stützen?”)
Klein 
beschuldigte damals auch Rudolf Sch., ihn für die Besetzung angeworben 
zu haben. Im anschließenden RZ-Prozess gegen Sch. stufte ein Frankfurter
 Gericht Kleins Aussagen als unglaubwürdig ein und musste den 
Angeklagten freisprechen. Im Prozess gegen Sonja hat die Verteidigung 
einen weiteren Zeugen durchgesetzt, der sie entlastet und Klein als 
Lügner entlarvt. Ein französischer Bulle entlastete Sonja im 
OPEC-Komplex vollständig. Klein habe bei seiner Vernehmung 1998 unter 
Eid nicht Sonja, sondern andere Personen beschuldigt, ihn für die 
geplante Geiselnahme der Ölminister in Wien angeworben zu haben, sagte 
der Polizist. Außerdem widersprach er der Aussage des Kronzeugen, wonach
 er Sonja S. auf einer Lichtbildmappe als die Frau identifiziert habe, 
die für das Kommando Waffen transportiert haben soll.
Aussagen 
von Kronzeugen, die dadurch ihre eigene Situation verbessern wollen, 
sind per se mit größter Vorsicht zu genießen, schließlich müssen sie 
liefern, um möglichst viel für sich rauszuholen. Kleins Denunziantentum 
hat sich bereits einmal gelohnt: Zwar wurde er 2001 vom LG Frankfurt 
wegen dreifachen Mordes und Geiselnahme von elf Ölministern verurteilt. 
Für seine Beschuldigungen gegen ehemalige Mitglieder der RZ erhielt er 
aber eine außerordentliche staatliche Belohnung: bereits nach vier 
Jahren Knast kam er frei und sechs Jahre später wurde er begnadigt.
Bei
 Kleins Auftritt in Frankfurt Ende Januar diesen Jahres äußerte dagegen 
selbst die Staatsanwaltschaft ernsthafte Zweifel. Klein redete viel, hob
 alte Aussagen auf und brachte neue Beschuldigungen vor. Die Vorwürfe, 
die er nach seiner Verhaftung 1999 in Frankreich gegen Rudolf Sch. 
erhoben hatte, seien falsch gewesen, da habe er sich eben geirrt… Sch. 
sei weder bei seiner Rekrutierung dabei gewesen, noch habe er in Wien 
logistische Hilfe geleistet. Nun macht er Sonja dafür verantwortlich. Es
 scheint so klar, dennoch hält das Gericht an Kleins Glaubwürdigkeit 
fest.
Unter folterähnlichen Umständen erzwungene Aussagen
Keine Skrupel zeigte das Landgericht auch bei der Verwendung von unter folterähnlichen Umständen erzwungenen Aussagen. (Folter und Aussageerzwingung)
 Im Gegenteil: Lange bestand die Richterin darauf, Hermann F. sogar 
selbst vorzuladen, ungeachtet einer möglichen Retraumatisierung. (Befangenheitsantrag
 der Verteidigung: “Sie nehmen damit die Gefahr einer gravierenden 
körperlichen Beeinträchtigung von Herrn Feiling bewusst in Kauf.“)
Als
 im Juni 1978 in Argentinien, trotz blutiger Militärdiktatur, die 
Fußballweltmeisterschaft stattfand, bereitete Hermann F. einen Anschlag 
auf das argentinische Konsulat in München vor. Doch der Sprengsatz 
explodierte in seinem Schoß. Bereits einige Stunden nach der 
Notoperation, bei der ihm beide Beine amputiert und beide Augen entfernt
 werden mussten und er noch um sein Leben rang, begannen die 
„Vernehmungen“. Diese gingen ununterbrochen über Wochen weiter, obwohl 
Hermann F. unter schweren Medikamenten stand. F.s Wahrnehmungsfähigkeit 
war damals nicht nur physisch, sondern auch psychisch erheblich 
beeinträchtigt. Den Staatsschützern war er vollständig ausgeliefert, als
 wäre er einer Entführung zum Opfer gefallen. (Ermittlungsmethoden: Skrupelloser Fahndungseifer – Dokumention zum Prozess gegen Herrmann, Sybille und Sylvia (1980))
 Sein Vertrauensanwalt musste klagen, bis er zu ihm vorgelassen wurde. 
Heute kann sich Hermann F. an die Zeit nach der Operation kaum noch 
erinnern. Auf Tonbandkassetten, die er damals heimlich nach draußen 
schmuggelte, beschrieb er seine Situation so: „Ich war also mehr so in 
einem Zustand, wo ich eigentlich gar nicht wusste, wer um mich war und 
das einzige, was ich wollte, darin bestand, nicht verlassen zu werden!“
Da
 es gerade in der Traumaforschung in den vergangenen 40 Jahren völlig 
neue Erkenntnisse gibt, wollte die Verteidigung eine Neubewertung der 
Verhörsituation von Hermann F. und damit auch der Beweiskraft der 
„Aussagen“ erreichen. Bereits 1981 wurde von einem Gericht festgestellt,
 dass F.s Aussagen von 1978 aus den ersten zwei Wochen nicht verwertbar 
sind. Alle weiteren Vernehmungen bis Oktober 1978 stützen sich jedoch 
auf diese ersten Aussagen. Das Frankfurter Gericht ignorierte sowohl 
diesen Umstand als auch den Gesundheitszustand von Hermann F., der bei 
einer drohenden Zeugenvernehmung aufgrund einer möglichen 
Re-Traumatisierung ernsthaft gefährdet ist. Das Gericht berief sich 
stattdessen auf über 30 Jahre alte medizinische Gutachten und führte 
zudem extrem zynische Aussagen und Protokolle von sogenannten 
Sachverständigen, Richtern und Polizisten ein. Hermann F. wird dort 
unterstellt, es sei ihm damals ein wirkliches Bedürfnis gewesen, endlich
 einmal so richtig auszupacken. Dabei hat er immer erklärt, dass diese 
„angeblichen Vernehmungsprotokolle“ für ihn „das Ergebnis einer 
Behandlung, die den Namen Folter verdient“ seien. Er halte es daher „für
 aberwitzig, Angaben daraus zu verwenden“. Und tatsächlich ist der 
einzige Unterschied zu gängigen Folterdefinitionen, dass die Situation, 
die Hermann F. versuchte zu überleben, seine Verletzung, nicht durch die
 Beamten selbst herbeigeführt wurde.
Wir gehen davon aus, dass das 
Gericht ohne Skrupel die unter folterähnlichen Zuständen erzwungenen 
Aussagen von Hermann F. verwenden wird. Warum sonst hätte es die von der
 Verteidigung immer wieder kritisierte Verlesung der erzwungenen 
Aussagen durchziehen sollen?
Beugehaft als letztes Mittel
Der
 unbedingte Verurteilungswillen im aktuellen Verfahren wird zudem 
demonstriert im Umgang mit einer Zeugin, die 1980 aufgrund von 
Belastungen durch Hermann F. verurteilt wurde. Weil Sybille S. die 
Aussage heute verweigert, um gegen die damalige Foltersituation und die 
Verwendung der verbotenen Vernehmungsprotokolle zu protestieren, 
versucht der Staat ihr Schweigen durch Beugehaft zu brechen. Die 
Staatsanwaltschaft sprach von einer „Überzeugungstäterin“. Sybille hat 
sich nicht darauf eingelassen und musste für mehrere Monate in den 
Knast. (Soli-Website)
Europäischer Haftbefehl
Jahrzehntelang
 hatte der Staat versucht, Christian und Sonja aus Frankreich nach 
Deutschland ausliefern zu lassen. Beide lebten seit 1978 unter falscher 
Identität in Frankreich. 1997 erlitt Christian einen Herzstillstand und 
musste in einem Krankenhaus behandelt werden. Bis heute ist er auf 
Medikamente und eine ständige Betreuung angewiesen. Im Jahr 2000 wurden 
beide nach 22 Jahren Illegalität in Paris verhaftet, nach drei Monaten 
Untersuchungshaft aber gegen eine Kaution von 300 Euro entlassen. Dem 
Auslieferungsgesuch der deutschen Behörden wurde nicht entsprochen, da 
die vorgeworfenen Taten nach französischem Recht verjährt sind.
Doch
 die deutschen Behörden gaben nicht auf. Im September 2011 wurden beide 
ausgeliefert. Möglich gemacht hat das der Europäische Haftbefehl, eine 
Regelung, die seit 2006 in Kraft ist. (Wikipedia: Der europäische Haftbefehl)
 Für Sonja und Christian bedeutete das, dass sich die Verjährungsfrist 
nicht mehr nach französischem sondern nach deutschem Recht richtete, und
 deshalb ihre Auslieferung von der französischen Regierung bewilligt 
wurde.
Weltweit sind immer wieder Aktivist_innen aus militanten 
Bewegungen untergetaucht. Die jeweiligen Regierungen haben in all den 
Jahren nicht aufgehört, sie zu suchen und Druck auszuüben auf die 
jeweiligen Exilländer. Mit dem europäischen Haftbefehl haben die Länder 
Europas nun ein neues Mittel.
Wer, wenn nicht wir?
„Wenn
 wir unser Handeln aus unserer Geschichte begründen, versetzen wir uns 
in die Lage, unsere Erinnerungen und Siege zur Grundlage eines geistigen
 und physischen Widerstands gegen staatliche Angriffe auf eben diese 
Erinnerungen und Siege zu machen. Das ist vielleicht der einzige Schutz 
gegen politische Repression und Vernichtung.“ Dan Berger, 
US-amerikanischer Anti-Knast-Aktivist, bringt mit diesem Satz auf den 
Punkt, worum es auch in Frankfurt geht.
Verhandelt wird ein Teil 
der Geschichte der revolutionären Kämpfe, verhandelt wird auch eine 
konsequente Haltung gegen den Staat. Auch deshalb rufen wir auf, am Tag 
der Urteilsverkündung in Frankfurt laut und deutlich unsere Solidarität 
zu zeigen.
Weitere Infos zum Prozess: verdammtlangquer.org


Freiheit und Glück für Sonja
da ich arbeiten muss kann ich leider nicht mit zu der Urteilsverkuendung fahren aber ich wünsche alles gute Kein Frieden mit diesem Staat