Gestern fanden in Duisburg drei Kundgebungen statt, in deren Verlauf rassistische und antiziganistische Äußerungen getätigt wurden, die alle von Duisburger Anwohner_innen getragen, oder aber offen begrüßt wurden. Zwei dieser Kundgebung wurden von der rechtspopulistischen Kleinpartei “PRO NRW” organisiert, eine weitere unter dem Motto “Wir sind Rheinhausen – Schau nicht weg” von einem Bündnis Rheinhauser Anwohner.
“Wenn Wahrheit zu Rassismus wird, ist Deutschland verloren.“ – Ein Bericht aus Duisburg
Die Kundgebung auf dem Hochemmericher Markt, an der teilweise bis zu 250 Personen teilnahmen, sollte sich laut mehrfacher Aussage des Veranstalterkreises im Vorfeld nicht gegen Zuwanderer_innen, sondern gegen die Duisburger Ordnungsbehörden und ihre vermeintlichen Verfehlungen im Umgang mit dem Wohnblock „In den Peschen 3-5“ richten. Im Ankündigungstext hatten sich die Organisator_innen alle größte Mühe gegeben, weltoffen und pluralistisch zu erscheinen. In der Umsetzung am Samstag sah das dann aber ganz anders aus: Es kam auch bei dieser Veranstaltung zu rassistischen Ausfällen. So sprach eine Rednerin etwa von “Scheiß Bulgaren”, ohne dass ihr das Rederecht durch die Veranstalter im Anschluss an diese Aussage entzogen wurde. Eine Strafanzeige wurde von Beobachtern noch vor Ort gestellt. Besonders pikant: An der vermeintlich nicht gegen Zuwanderer gerichteten Kundgebung nahmen von Beginn an auch zehn bis fünfzehn bekannte Neonazis aus Duisburg teil – einer sogar auch als Ordner. Andere hielten die Ankündigungsplakate hoch, die von den Veranstaltern verteilt worden waren. Unter den Nazis befanden sich unter anderem Adrian Albrecht und Rene Müller, welche von Szenekennern der Gruppierung “Nationaler Widerstand Duisburg” zugerechnet werden. Der “Nationale Widerstand Duisburg” pflegt unter anderem enge Kontakte zu Neonazis aus ganz NRW und speziell zur Dortmunder Neonaziszene.
Nachdem eine Passantin das „offene Mikrofon“ ergriffen und auf den offensichtlichen politischen Hintergrund der anwesenden Neonazis hingewiesen hatte, wurde diese von den Neonazis eingeschüchtert und vom Großteil der Kundgebungsteilnehmer ausgebuht. Die Gruppe der zumeist schwarz gekleideten Neonazis wurde auch nach diesem Vorfall nicht von der Kundgebung ausgeschlossen – wohl aber die spontane Rednerin. Auch der stadtbekannte Aktivist Rolf Karling ergriff das Mikro. Seine Ausführungen, die von den Kundgebungsteilnehmer_innen als beschwichtigend und zu liberal aufgefasst wurden, wurden ebenfalls ausgebuht, mehrere folgende Redner_innen kritisierten Karling nicht nur scharf, sondern setzten zu regelrechten Schimpftiraden an. Zustimmung und Beifall genossen hingegen Äußerungen wie “Wenn Wahrheit zu Rassismus wird ist Deutschland verloren!”. Eine andere Teilnehmerin phantasierte am Rednerpult von hunderten Schwänen und Schafen, die von den Roma auf den Rheinwiesen „geklaut wurden um sie zu vernichten“. Der Wutbürger Helmut Achterath, einer der führenden Köpfe hinter der – letztlich sehr chaotischen – Kundgebung, kündigte gegenüber der Presse an, weitere Demonstrationen dieser Art organisieren zu wollen. Nachdem sich eine nicht zu übersehende Gruppe von Neonazis auf seiner Kundgebung willkommen fühlen durfte, werden diese bei einer möglichen nächsten Veranstaltung sicher noch ein paar Freunde mitbringen. Für organisierte Rechtsradikale von Neonazis bis hin zu Pro NRW wird in Duisburg derzeit offenbar der rote Teppich ausgelegt.
PRO NRW in Rheinhausen und Neumühl
Die Kundgebung von PRO NRW In den Peschen war der nächste Programmpunkt des Tages. Anders als am Hochemmericher Markt hatte sich hier eine Gruppe von bis zu hundert Gegendemonstrant_innen versammelt. Die größte Gruppe stellten aber rassistische Anwohner_innen, darunter etwa die Hälfte derer, die vorher schon bei Helmut Achterath protestiert hatte. Sie beschimpften die Gegendemonstrant_innen und riefen Parolen wie „Wir sind keine Nazis, wir sind besorgte Eltern!“. Den Auftritt von PRO NRW beklatschten sie begeistert, nahmen aber selbst nicht an der Kundgebung teil. Mitglieder von PRO NRW sprachen unter anderem davon, dass “Duisburg die Hauptstadt der Zigeuner” sei. Jörg Uckermann von PRO glänzte mit der Behauptung, „Die Deutschen müssen Flaschen sammeln gehen, und die Migranten gehen in den Biomarkt“.
Beschränkten sich die Anwohner_innen in Rheinhausen-Bergheim noch auf offene Zustimmung zu der Hetze von PRO NRW, so nahmen eine Stunde später in Neumühl bis zu 250 Anwohner_innen selbst aktiv an der rechten Kundgebung teil, feierten die rassistischen Parolen frenetisch und stellten selbst die meisten Redner_innen. Unter vielen wild geschwenkten Deutschlandfahnen und von Klatschen untermalten Sprechchören erinnerte die Stimmung zeitweise an die in einem Fußballstadion. Dutzende Personen skandierten unter anderem Parolen wie “Kein Asyl in Neumühl” und übertrafen die Redner von PRO NRW in Sachen Radikalität deutlich. Was sich hier am Samstag in geradezu gespenstischer Atmosphäre ereignete, war ein absolutes Novum in der Geschichte von PRO NRW – so begeistert sind die Rechten noch niemals von der örtlichen Bevölkerung aufgenommen worden. Die Aktivist_innen der Kleinpartei nahezu als Volkshelden feiernd, gerieten die teilnehmenden Anwohner_innen – welche ihre Häuser geöffnet hatten und sich vom Park bis in die ersten Vorgärten hinein drängten – in eine Begeisterung, die durchaus an eine Pogromstimmung erinnerte. Traurig abgerundet wurde dieses Bild, dass selbst hartgesottene Beobachter_innen der „Duisburger Verhältnisse“ in diesem Ausmaß überrascht hat, von einem Grüppchen Polizeibeamter, die feixend und in teils offener Zustimmung das Spektakel am Rand beobachteten.
Keine Nazis, nirgends
Das Fazit des Tages muss düster ausfallen. Die Veranstalter_innen der vorgeblich nicht-rassistischen Kundgebung haben von Beginn an bis zum Ende stadtbekannte Neonazis und offen rassistische Aussagen auf ihrer Veranstaltung geduldet. Wenn es wirklich das Anliegen der Organisatoren gewesen sein sollte, Rassismus keine Plattform im Rahmen ihrer Kundgebung zu bieten, so ist dieses Ziel mehr als deutlich verfehlt worden. Es bleibt zu hoffen, dass diese Vorgänge die Veranstalter dazu veranlassen, ihre peinlichen und gefährlichen politischen Aktivitäten – entgegen ihrer Ankündigung – einzustellen. Noch problematischer ist jedoch, dass PRO NRW in Duisburg auf soviel offen artikulierte Sympathie stößt wie sonst nirgends! Man kann durchaus von einem rassistischen Mob sprechen, welcher sich heute lautstark in Neumühl gegen ein Flüchtlingsheim ausgesprochen hat und PRO NRW ein nie dagewesenes Erfolgserlebnis beschert hat. Sollte in dem Stadtteil tatsächlich eine Zwischenunterkunft für Flüchtlinge geschaffen werden, sind hier Zustände zu befürchten, die das aktuelle Negativbeispiel aus Berlin-Hellersdorf noch in den Schatten stellen. In zwei Dingen sind sich viele der streitlustigen Duisburger Bürger_innen offensichtlich einig: „Wir sind keine Nazis“ und „Die Fremden müssen weg“.
Initiative gegen Duisburger Zustände
www.gduz.blogsport.de
pro NRW erhält Support von Migranten
Ein absolutes Novum war für mich, daß die pro`ler und die "besorgten Anwohner" Unterstützung von den "United Tribunes" ,einer an sich unpolitischen Migrantengruppe, bekamen.
Ob es an der Unwissenheit oder an Xenophobie der jungen Migranten lag, ist unklar, hier muss dringenst antifaschistische Aufklärungsarbeit geleistet werden.
Grenzen der Aufklärung
Nach übereinstimmenden Aussagen von diversen "Szenekennern" gehören die "United Tribunes" dem (Jung)Rocker-Spektrum an. Wenn man weiß, dass das "Problemhaus" In den Reschen einem lokalen Rocker - und Eroscenterbesitzer gehört, könnte die Anwesenheit von diesen also auch einen anderen Grund haben.
Zu hoffen bleibt, dass es mit ein wenig "antifaschistischer Aufklärungsarbeit" getan ist. Denn zumindest in Rheinhausen haben diverse der Anwohner mit "Migrationshintergrund" antiziganistische Aussagen geteilt bzw. in Diskussionen mit Antifas sogar die "Wortführerschaft" übernommen. Auch die zur Anzeige gebrachte Aussage bei der Bürgerdemo "Scheiß Bulgaren", kam von einer Frau mit Migrationshintergrund. Im Hass auf "Zigeuner" ist man sich in Duisburg und anderswo offenbar einig.
Pogromstimmung
Auch unter Migranten ist Antiziganismus weit verbreitet. Samstag habe ich mehrfach Sätze wie: "Seid ihr Linke? Ich bin zwar Ausländer, aber heute bin ich für die andere Seite.", also für die Rassisten. Wenigstens ließ sich mit einigen Menschen, von denen solche oder ähnliche Aussagen kamen, reden.
Es ist jetzt wichtig der Pogromstimmung etwas entgegen zu setzten, sonst brennen die Häuser bald wirklich. Menschen, die In den Peschen gegen ProNRW protestierten waren umringt von Rassisten, die auch durch die Protestgruppe gingen und Redner beschimpften und bedrohten. Die Polizei griff kaum ein, Redner mussten von anderen Demonstranten geschützt werden.
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"Es ist jetzt wichtig der Pogromstimmung etwas entgegen zu setzten, sonst brennen die Häuser bald wirklich."
Sehe ich auch so. Problematisch ist natürlich, dass antifaschistische Strukturen in Duisburg und im Ruhrgebiet momentan schwach aufgestellt und zudem noch Ziel von polizeilichen Repressionen sind. Ich weiß auch nicht wie mensch "von außen" Proteste gegen Rassismus und die Repression unterstützen könnte. Wahrscheinlich ist es am sinnvollsten, sich an die Initiative zu wenden von der dieser Text stammt. Die beobachten die Verhältnisse offenbar sehr genau und haben auch schon eine Kundgebung organisiert.
Was ist los in Duisburg?
Ein Bericht der die Dinge zumindest für Rheinhausen bestätigt: http://birgit-rydlewski.de/2013/10/05/besorgte-buergerinnen-oder-lynchmob/
Migrantenbeteiligung ist sehr kritisch
Die Beteiligung der Migranten an den Anti-Roma-"Protesten" sehe ich als sehr kritisch an.
Die Front gegen die Roma ist immer breiter aufgestellt, Nazis, "Kleinbürger"(vulgo: besorgte Anwohner), wohlhabende Reihenhausbesitzer, Polizei, verschiedene Migranten-Communities....
Wichtig ist wohl jetzt besonders mit Letzteren ins Gespräch zu kommen, aber das gestaltet sich sehr schwierig, es waren auch nicht nur United Tribunes zugegen, auch viele Gewerbeitreibende mit Migrationshintergrund ließen ihrem Haß freien Lauf.
Graue Wölfe
Nach Angaben eines kurdischen Genossen waren auch die faschistischen Grauen Wölfe an dem antiziganistischen Mob beteiligt.
Der "Peschen-Hitler" von ProNRW
Foto links in den Peschen, Foto rechts ProNRW Parteitag am 10.09.2013 in Leverkusen. Bilderquelle: XtraNews, ProNRW
Die Minderheit Duisburgs, für die Mehrheit Deutschlands
Die Minderheit Duisburgs, für die Mehrheit Deutschlands
„Ein Führer entsteht nur,
wenn eine Gefolgschaft bereits da ist.“
(Ludwig Marcuse)
Bei einem medialen Überblick über die Vorgänge in Duisburg, welche am Wochenende (5. Oktober 2013) stattfanden, fällt in aller erster Linie eines auf, dass den verschiedenen Erzählern und Volontären für das Amt der schreibenden Zunft nichts auffiel, oder auffallen wollte. Daher ist der Grundtenor vom „Erstauntsein“ auch nicht mehr als der verlegene Versuch, sein eigenes Bild über die allzu normalen Beziehungen in der Rheinprovinz umzulügen. Und zwar in eine Idylle in dem jeder Bürger das gesprochene Recht erhält, über sich und seinen Mittelpunkt der Welt betrübt zu sein. Denn letztlich ist der darunter Leidtragende auch ein potenzieller Abnehmer der Täuschungen, die tagtäglich über den Ladentisch verkauft werden. Man will es sich und seinem Konsumenten nicht all zu schwer machen, ist doch die Welt, die sich für ihn in der Auflösung befindet, schon unübersichtlich genug, erst recht für ihn geworden. Darüber hinaus pflegt man auch nur die undeutliche denunziatorische Schriftform, weil man sich untereinander kennt oder noch kennenlernen möchte. Man muss sich nicht dumm stellen, denn man ist es schon. So ist man dann auch nicht genötigt, es in seinen Entleerungen dabei zu belassen, dass es wenig hilfreich erscheint, sich eine Ideologie zuzuschieben, wenn man sich im Kern einig ist, was denn abzuschieben sei. Keiner will keiner Menschenseele wehtun, sorgt das Pathos eines Besorgtseins doch schon für die nimmer endenden Tränen, um eine Heimat, die dahingeht.
http://postausderprovinz.wordpress.com/2013/10/09/die-minderheit-duisbur...
Anzeige gg. Rednerin ("Scheiß Bulgaren") eingestellt
Dazu wurde mitgeteilt:
[Da im Original runde Klammern verwendet werden, verwende ich zu Kommentaren eckige]
"Das aufgrund Ihrer vorgenannten Strafanzeige eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde unter heutigem Datum aus rechtlichen Gründen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Voraussetzung einer Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 StGB liegen nicht vor, da durch die in Rede stehende Äußerung weder zu Hass, noch zui Gewalt - oder Willkürmaßnahmen aufgerufen, noch die Menschenwürde der betreffenden Personen angegriffen wurde. [Dazu vergleichend der Wortlaut im Artikel von Birgit - dort wird eine Gruppe von Menschen pauschal abgewertet und in diffamierender, beleidigender und ehrabschneidender Weise angesprochen. Ein Glück, dass ihre Würde davon unbetroffen bleibt.]
Ein Angriff auf die Menschenwürde liege nur dann vor, wenn ein anderer Mensch in seinem unverzichtbaren und unableitbaren Persönlichkeitskern betroffen wird, etwa, wenn der Anspruch auf sein Leben als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft bestritten wird. [Es ist doch mehr als offensichtlich, dass das geschilderte Verhalten, darauf abzielt, eine Gruppe von Menschen als minderwertig darzustellen. Minderwertigkeit würde ich als Laie nun nicht als Gleichwertigkeit bezeichnen.]
Die Voraussetzung erfüllen jedoch nur Äußerungen, die das "Menschtum" des Angegriffenen bestreiten oder relativieren. [Eine Relativierung liegt, meiner Meinung nach, in der Reproduktion eher animalischer Verhaltensmuster und der Aufbereitung ewigwährender Mythen und historischer Diffamierungen, ja deutlichst vor.] Einfache Beschimpfungen, durch die der soziale Geltungsanspruch des Geschädigten verletzt wird, sind nicht tatbestandsmäßig (zu vgl. Schenke/Schröder StGB, 46. Aufl., § 130 Rd.Nr. 6). [Gut, dass ein sozialer Geltungsanspruch nicht zur Menschenwürde gehört ist angesichts geltender Gesetzgebung nicht allzu überraschend, obwohl es für mich dennoch eigentlich unvereinbar ist.]
Zum Ergebnis ist vorliegender von einer - durch Ausländerfeindlichkeit motivierte - Beleidigung gemäß § 185 StGB auszugehen. Insofern findet gemäß § 194 Abs. 1 StGB eine Strafverfolgung nur auf Strafantrag des Verletzten statt. An einen solchen Strafantrag fehlt es jedoch vorliegend.
Das Verfahren war daher - wir bereits mitgeteilt - einzustellen.
Hochachtungsvoll
Staatsanwalt