Soziale Kampfbaustelle in Köln - der Plan

soziale-Kampfbaustelle

Zahltag! Pay Day! Tediye Günü! Dia del Pago! Jour de Paie! Den Aufstand proben!
Von Samstag den 28. September bis Donnerstag den 3. Oktober 2013 wird es in Köln eine soziale Kampfbaustelle geben. Wir werden sowohl einen „Zahltag“ beim Jobcenter veranstalten, als auch Aktionen gegen Wohnungsnot und fette Mieten durchführen und eine solidarische Unterstützung bulgarischer und rumänischer ArbeiterInnen organisieren.

 

„Zahltag!“ ist eine Aktionsform, die 2007 von Arbeitslosen und ihren FreundInnen entwickelt wurde, um gemeinsam die Auszahlung von verweigertem Arbeitslosengeld zu erzwingen und die eigene Würde zu verteidigen. Dies geschieht, indem viele Leute gemeinsam die SachbearbeiterInnen der Jobcenter besuchen und gleichzeitig ein lautstarker Protest, aber auch ein gemeinsames Essen und Trinken auf den Fluren veranstaltet wird. Das Beste an der Aktion „Zahltag!“: dass sie erfolgreich ist! „Zahltag!“ meint einen Tag der Begegnung, der Selbstermächtigung, der Abrechnung und der Organisierung. Am „Zahltag!“ bekommen z.B. Erwerbslose das, was ihnen gesetzlich zusteht und manchmal sogar etwas mehr. In Köln werden große oder kleine 'Zahltage!' oft von den KEAs (Kölner Erwerbslose in Aktion) getragen. Die KEAs sind eine beeindruckende, über Jahre gewachsene Selbstorganisierung. Die soziale Kampfbaustelle wird eine gute Gelegenheit sein, die KEAs kennen zu lernen. Wir sind davon überzeugt: Die Idee des Zahltags lässt sich auch auf andere Kämpfe übertragen.

Das Zusammenleben auf der Baustelle (essen, feiern) und die solidarische Alltagsarbeit (sprich Hausarbeit) haben die gleiche Wichtigkeit wie das Diskutieren, Vorbereiten und Durchführen von Aktionen. Wir wollen keine alten und auch keine neuen Hierarchien, die auch dadurch entstehen, dass Aktivitäten, die angeblich "politisch" sind oder "die Revolution vorbereiten" ganz oben angeordnet und Reproduktionsarbeit und persönliche Angelegenheiten, wie Gefühlsbeziehungen und Sinnlichkeit für nachrangig erklärt werden.

Das Herz und der Dreh- und Angelpunkt der sozialen Kampfbaustelle wird also die Küche sein und nicht das Plenum!

Während der Dauer unserer antikapitalistischen Baustelle gibt es:
- täglich ein warmes Essen für alle
- Diskussionen und Veranstaltungen zu Hartz IV, Wohnungsnot, Arbeitsmigration und den Fragen von Widerstand und Selbstorganisierung
- Musik und Filmveranstaltungen


Das gemeinschaftlich organisierte Leben auf dem Bau und unsere Aktionen sollen beweisen, dass es lohnt, sich gemeinsam zu wehren und unsere wichtigste Kraft die Solidarität zwischen Menschen bzw. unsere basisdemokratische Selbstorganisierung ist.

Massenarbeitslosigkeit, steigende Lebenshaltungskosten, hohe Mieten, Hartz-IV-Gesetzgebung und Niedriglöhne haben eine Situation geschaffen, dass viele von uns ein Leben an der Armutsgrenze oder darunter führen müssen. Viele von uns können sich keine gesunde Ernährung, keinen ausreichenden Wohnraum, kein neues Kleidungs- oder Möbelstück, keine guten Zähne und keine Reise zu Verwandten und FreundInnen erlauben. Auch unsere Teilhabe am „tollen“ kulturellen Leben in Köln, an Karnevalssitzungen-Kneipen-Kino-Theater-und Konzertbesuchen, ist nicht vorgesehen und/oder sogar unerwünscht. Viele von uns fühlen sich ausgeschlossen und alleine. Viele ältere ArbeiterInnen und Erwerbslose und viele kranke und behinderte FrührentnerInnen wissen, dass ihre Situation mit dem Älterwerden noch beschissener sein wird.

Viele von uns müssen ihr Veedel und ihre NachbarInnen verlassen und werden aus den begehrten Innenstadtlagen verdrängt, weil die Mieten steigen, MieterInnen bei Neuverträgen teilweise abenteuerliche Summen zahlen und die Einkommen gleichzeitig sinken. Der Mietpreis ist heute, was früher der Brotpreis war. Vor zweihundert Jahren mussten ArbeiterInnen rund dreiviertel ihres Einkommens für Ernährung aufwenden, davon die Hälfte für Brot. Heute geben wir durchschnittlich zwölf Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel aus. Während Ernährung, aufgrund niedriger Löhne in Supermärkten, Landraub und extrem schlechter Entlohnung in den Export-Zonen im Rest der Welt, unglaublich billig geworden ist, geben wir in Großstädten wie Köln heute nicht selten die Hälfte unseres Geldes für Miete aus. Und die Preise ziehen weiter an. Denn der Markt wird wegen der Privatisierung öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften längst von internationalen Konzernen und ihren Gewinnerwartungen bestimmt. Der soziale Wohnungsbau in Köln liegt zugunsten der Profite der Immobilienbranche brach. Es fehlen tausende bezahlbarer Wohnungen bei gleichzeitig leer stehendem Büroraum und einem fetten Angebot an Luxuswohnungen. Wer diese Preise nicht zahlen kann und nicht freiwillig geht, wird zwangsgeräumt. Wegen der in diesem Jahr (absehbaren) besonders hohen Zahl wohnungssuchender StudentInnen wird die Situation auf dem Wohnungsmarkt im Herbst noch weiter eskalieren. Hunderte von Erstsemestern werden Anfang Oktober feststellen, dass sie in Köln keine Bleibe haben werden. Wir sollten maßgeblich verantwortliche Stellen dieser unsozialen Politik aufsuchen, und der Wohnungsnot ganz praktisch begegnen: nicht irgendwo versteckt am Stadtrand, sondern für alle wahrnehmbar im überteuerten Herzen der umkämpften Stadt!


Noch viel dramatischer ist die Situation der neu ankommenden ArbeitsmigrantInnen aus Bulgarien und Rumänien, die aufgrund der Armut und Massenarbeitslosigkeit in ihren Herkunftsländern in Köln auf Arbeitssuche sind. Durch ihre rassistische Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt und der Verweigerung von Sozialleistungen durch die Jobcenter, Arbeitsagenturen und die Stadt Köln sind sie gezwungen, auch hier unter miesesten ökonomischen und sozialen Umständen zu leben. Um ihre Arbeitskraft als Tagelöhner anzubieten, warten viele von ihnen den halben Tag in Ehrenfeld und an anderen Plätzen in Köln auf ihre Auftraggeber. Es heißt, der Unmut unter den Anwohnern und Geschäftsleuten der Venloer Str. über den so genannten „Arbeiterstrich“ würde zunehmend wachsen. Anstatt die Arbeits- und Lebensbedingungen von Arbeitsmigrantinnen zu skandalisieren und ihre Niedriglöhne, ihre teilweise katastrophale Wohnsituation und ihre mangelnde medizinische und sozialrechtliche Versorgung anzuklagen, wird durch die Presse ein Gefühl von Bedrohung und Konkurrenz verbreitet.

Umso wichtiger sind uns deshalb die Aufhebung unserer Spaltung, Konkurrenz und Vereinzelung durch das Zusammenleben auf unserer Baustelle und durch unseren gemeinsamen Widerstand. Die soziale Kampfbaustelle möchte die migrantischen ArbeiterInnen einladen und mit ihnen nach Strategien suchen um der aufkeimenden rassistischen Stimmung etwas entgegenzusetzen.

Unsere Hoffnung ist, einer Antwort auf jene Frage näher zu kommen, wie wir eine Welt erschaffen können, die auf der gegenseitigen Anerkennung der menschlichen Würde beruht und auf gesellschaftliche Verhältnisse, die keine Macht- und Ausbeutungsverhältnisse sind.

Eure Baustellen-Vorbereitung

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Die Übersetzung von Zahltag in "Tediye Günü" ist etwas eigentümlich - oder anders gesagt: Kaum ein türkischsprachiger Mensch wird wissen was "Tediye" bedeutet. Wesentlich besser wäre gewesen: "Ödeme günü", das verstehen dann alle.

 

Hat jemand die Übersetzung geprüft? Sieht nämlich nach Google-Übersetzer o.ä. aus...

Radio Dreyeckland Interview zur sozialen Kampfbaustelle:

Kein Szeneding. Wir proben das Wir. Soziale Kampfbaustelle in Köln.