"Ich bin nicht hier, um zu schlafen"
Die meisten Leute gehen an dem Zelt am Dreifaltigkeitsplatz vorbei. "No border, no nation, stop deportation" - "Keine Grenze, keine Nation, stoppt Deportation", steht auf einem Plakat, mit dem die Zeltseite zum Stadtplatz abgehängt ist. Vier Männer haben sich dort eingerichtet, um zu protestieren, "Widerstand zu leisten", wie sie sagen. Gegen die Art, wie Europa mit Flüchtlingen umgeht, gegen den Antagonismus, der sich zwischen den Bürgern und den Flüchtlingen aufgebaut hat.
Die vier Männer tragen Mützen und warme Kleidung, sitzen auf 
Plastikstühlen und nur Jamine der Senegalese trägt keinen Bart. Zehn 
Tage wollen sie in Landshut bleiben und auf ihre Situation aufmerksam 
machen.
Das Gespräch geschieht teils in Englisch, teils in 
Französisch. Moritz Tille, einer der deutschen Helfer, die das Camp 
begleiten, übersetzt. Er und die Helfer von Karawane Landshut bringen 
den vier Männern Essen und sorgen dafür, dass sie duschen können. Sie 
übersetzen auch - und rufen die Polizei, sollte es zu fremdenfeindlichen
 Übergriffen kommen. Trotz der Kälte lächeln die Männer, bieten das 
wenige Essen, das sie haben, an.
Mit ihrer Protestaktion waren die "Non-Citizens" schon in München, in 
den kommenden Wochen wollen sie durch die Hauptstädte der Bezirke ziehen
 und dort vor Ort mit Flüchtlingen und Bürgern ins Gespräch kommen. Sie 
wollen sich organisieren - und auf die Umstände aufmerksam machen, in 
denen Verfolgte in Europa leben müssen.
Das Wort "Flüchtling" 
oder "Asylsuchender" gefällt den vieren überhaupt nicht. Sie bezeichnen 
sich als "Non-Citizens" - "Nicht-Bürger", die in dem Land, in dem sie 
Zuflucht suchen als Menschen akzeptiert werden. Mit dem Namen 
"Flüchtlinge" versuchen die Regierungen allen denen, die aus ihrer 
Heimat flüchten mussten, einen Stempel aufzudrücken, sagt Omed Moradian.
 "Das Wort macht uns schwächer. Die Staaten wollen damit zeigen, dass 
sie Mitleid mit uns haben und wir ihnen dankbar sein müssen." Doch die 
"Non-Citizens" wollen keine Bittsteller sein, die am Rand der 
Gesellschaft vor sich hinvegetieren, sondern Teil von ihr. Omed ist 
Kurde und stammt aus dem Grenzgebiet zum Iran, wo er verfolgt wurde.
Natürlich
 ist es hart, sagt er, mit Hoffnungen von einem besseren Leben in ein 
Land zu kommen, und dann mit der Realität konfrontiert zu werden. "Man 
hat uns gezwungen, zu fliehen, unsere Heimat zu verlassen." Doch das 
System, mit dem die westlichen Staaten derzeit mit Flüchtlingen und 
Asylbewerbern verfahren, sie zum Beispiel nicht arbeiten lassen, um Geld
 zu verdienen, ist für ihn auch eine Art der Unterdrückung.
Geld für die Familie
Lamine
 Mara Faye pflichtet ihm bei. "Ich bin nicht hier hergekommen, um zu 
schlafen, ich bin hier, um eine Arbeit zu finden", sagt er. Mit dem Geld
 will er seine Familie unterstützen, zwei Frauen, eine Mutter, eine 
kleine Schwester, die in seiner Heimat leben. Im Senegal hat er, wie er 
sagt, viel gearbeitet, in verschiedenen Jobs geschuftet. Zum Leben hat 
es nicht gereicht. Dann hat die Polizei seinen Bruder erschossen und er 
ist geflohen. Hier in Deutschland wollte er eine Arbeit finden. "Ich 
habe das Gefühl, ich lasse meine Familie im Stich", sagt er. Doch 
arbeiten darf ein Asylbewerber nicht.Stattdessen ist er in einem Heim in
 Augsburg untergekommen, wo sich drei bis fünf Personen ein Zimmer 
teilen. Deshalb ist er bei der "Refugee Tent Action", den Protestcamps 
dabei: Um gegen die unmenschlichen Lebensbedingungen und das miserable 
Asylrecht in Deutschland zu protestieren. Bis es im Idealfall keine 
Rolle mehr spielt, ob man nun "Citizen", Bürger einer Nation ist, oder 
"Non-Citizen".
Info
Weitere Infos zur Aktion und zur "Refugee Tent Action" gibt es unter www.refugeetentaction.net.

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[Niederbayern] Refugee Protest Camp ab 23.05. in Landshut