»Devianz« in »linksaffinen Szenen«: Vom Familienministerium gefördertes Forschungsprojekt soll Biographien kritischer Jugendlicher erfassen
In der Soziologie gibt es einen Zweig, der sich mit »Devianz« 
beschäftigt. Diesen Begriff könnte man mit »vom rechten Pfad abkommen« 
übersetzen. Und wer vom rechten Pfad abkommt, bedarf der Betreuung. So 
betrachtet es der Staat, der sich um seine Bürger sorgt und daher die 
Wissenschaft bemüht, weil er herausfinden will, wer sich warum deviant 
verhält. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt »linksextremen« 
Staatsfeinden. Den Forschungsauftrag an eine staatsgefällige 
Sozialwissenschaft formuliert Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber in einer 
»Expertise« zum »Linksextremismus« in Deutschland: »Erstens bedarf es 
der Erstellung von Studien über linksextremistisch motivierte 
Gewalttaten. Hierbei ginge es nicht nur um die Auswertung einschlägiger 
Akten von Straftätern, sondern auch um darüber hinausgehende qualitative
 Studien im Sinne eines multimethodischen Vorgehens. Als Vorbild dafür 
könnten die Forschungen zu rechtsextremistisch motivierten Gewalttätern 
dienen.« Ein erster Schwerpunkt soll dabei »im Bereich 
linksextremistischen Engagements in Protestbewegungen liegen. Ebendort 
gelingt es Akteuren aus diesem politischen Lager häufig, nicht nur 
Jugendliche für ihre extremistischen Bestrebungen zu mobilisieren.« Die 
Expertise steht auf den Seiten der »Initiative Demokratie stärken« zum 
Download bereit. Diese wiederum ist ein Projekt von Kristina Schröders 
Familienministerium, das die »Ursachen von Linksextremismus und 
islamistischem Extremismus bei Jugendlichen und jungen Menschen« 
erforschen will, um ihnen präventiv entgegenzuwirken. Das geschieht 
unter anderem mittels der »Demokratieerklärung«, auch Extremismusklausel
 genannt, die Organisationen bei Fördergeldanträgen abverlangt wird.
Dem Ruf des früheren Verfassungsschutzmitarbeiters Pfahl-Traughber wurde
 Folge geleistet: Das Familienministerium finanziert derzeit ein 
Forschungsprojekt mit dem Titel »Zwischen Gesellschaftskritik und 
Militanz: Politisches Engagement, biographische Verläufe und 
Handlungsorientierungen von Jugendlichen in Protestbewegungen und 
linksaffinen Szenen«. Die Studie ist ein Gemeinschaftsprojekt der 
Universität Luxemburg und der Hochschule für Wirtschaft und Recht 
Berlin, an welcher es im Fachbereich »Polizei und Sicherheitsmanagement«
 angesiedelt ist. Der Leiter des Fachbereichs, Prof. Dr. Wolfgang 
Kühnel, forscht u.a. zu den Themen abweichendes Verhalten, 
Jugenddelinquenz und Gewaltkriminalität.
Die Mitarbeiter des neuen soziologischen Projekts sind angehalten, 
»qualitative biographische Interviews« mit Angehörigen linker Szenen und
 Jugendorganisationen zu führen. Zu diesem Zweck schicken sie betont 
unverdächtig daherkommende Anfragen an junge Linke im gesamten 
Bundesgebiet. Statt des offiziellen Titels erfährt man darin, daß an der
 Universität Luxemburg »ein soziologisches Forschungsprojekt 
durchgeführt wird, das sich mit politischem Engagement von jungen Erwachsenen beschäftigt«. Der 
Charakter der Spitzelstudie wird folgendermaßen umrissen: »In den 
Interviews geht es vor allem darum, wie junge Menschen zu ihrem 
politischen Engagement gekommen sind, wie sich ihre politischen 
Aktivitäten im Laufe der Zeit verändert haben und welche Themen und 
gesellschaftlichen Probleme für sie wichtig sind.« Die Macher der Studie
 rechnen sich vermutlich einigen Erfolg aus, folgen sie doch in ihrem 
Vorgehen den Einschätzungen der »Initiative Demokratie stärken«, die von
 »großem politischen Interesse« und »hoher Diskursbereitschaft vieler 
linksextremistisch orientierter Jugendlicher« ausgeht. Sie empfielt: »Um
 an Erfahrungs- und Handlungsspielräumen der Jugendlichen anzusetzen und
 andererseits relevante Multiplikatoren einzubinden, ist es wichtig, die
 betreffenden sozialen Räume und Quartiere zu kennen und aufzusuchen.« 
In den Anfragen der Soziologen liest sich das dann so: »Falls es für 
Euch ok ist, könnte ich auch bei Eurem Gruppenabend vorbeikommen und das
 Projekt kurz vorstellen.« Besonders brisant war die Vorgehensweise 
einer Mitarbeiterin, die ihr eigenes Engagement in linken Zusammenhängen
 als Türöffner benutzte.
Die Studie identifiziert unter ihren jugendlichen Forschungsobjekten 
anhand biographischer Merkmale Risikogruppen und liefert dem Staat und 
seinen zuständigen Diensten so Informationen zu deren »Behandlung« und 
der von ihnen ausgehenden Gefahr der »Militanz«. Wo das 
wissenschaftliche Augenmerk auf der privaten Biographie liegt, wird das 
politische Engagement zur individuellen Delinquenz.

Stellenausschreibung von September 2012
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin: Stellenausschreibungen
2 studentische Hilfskräfte
An der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) ist folgende Stelle über studentische Hilfskraft zu besetzen:
Bezeichnung: 2 studentische Hilfskräfte
Stellenumfang: 40/Monat
Besetzbar: Ab 01.08.2012, befristet bis zum 31.12.2012
Vergütung: Tarifvertrag für studentische Beschäftigte
Organisationseinheit: Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement
Standort/Arbeitsort: Campus Lichtenberg
Bewerbungsfrist: 14.07.2012
Aufgabengebiet
Unterstützung des Projektleiters und der wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen bei der Durchführung eines Forschungsprojekts zum Thema „Zwischen Gesellschaftskritik und Militanz: Politisches Engagement, biografische Verläufe und Handlungsorientierungen von Jugendlichen in Protestbewegungen und linksaffinen Szenen“
Unterstützung bei der Durchführung und Auswertung biografischer Interviews
Unterstützung bei der Durchführung einer Online-Inhaltsanalyse
Unterstützung bei organisatorischen Aufgaben
Anforderungen
Die Studierenden sollten
an theoretischen und empirischen Problemen der Politischen Soziologie interessiert sein,
vertraut sein mit der Durchführung von Interviews und
geübt sein in der qualitativen und quantitativen empirischen Sozialforschung.
Kenntnisse und Qualifikationen
Die Studierenden sollten
über hinreichende Kenntnisse in den Methoden der qualitativen (Biograpfieforschung) und quantitativen Sozialforschung verfügen und
soziologische und/ oder politikwissenschaftliche Kenntnisse mitbringen.
Ansprechpartner/in
Prof. Dr. Wolfgang Kühnel
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Fachbereich 5
Campus Lichtenberg
Alt-Friedrichsfelde 60
10315 Berlin
PDF der Themaseite
Außerdem heute in der jW ein Interview zum Thema und Hintergrund-Spalte neben diesem Artikel, hier als [PDF].