Der Prozess gegen Antifaschist*Innen in München denen vorgeworfen wird im März 2012 einen Infostand der rechten Bürgerinitiative Ausländerstopp angegriffen zu haben geht in die nächste Runde. Am 01.03.2012 erreichten die Angeklagten Briefe in denen mitgeteilt wurde, dass die Staatsanwaltschaft Berufung gegen die Freisprüche der Angeklagten eingelegt hat. Verwunderlich ist dies vor allem in Anbetracht der polizeilichen Provokationsoperation der Münchner Zivilpolizei, die im Rahmen der Hauptverhandlung ans Licht kam und welche den Überfall laut übereinstimmenden Zeugenaussagen zumindest unterstützt, wenn nicht gar provoziert hat. Eine Klärung der Rolle der provozierenden Zivilpolizist*Innen, welche sich unter den Antifaschist*Innen befanden wurde zwar von Gericht und Staatsanwaltschaft gezielt unterbunden, was aber eine mediale Berichterstattung darüber nicht gänzlich unterbinden konnte. Warum es die Staatsanwaltschaft erneut riskiert, dass die zweifelhaften Methoden der Münchner Zivilpolizei ins Licht einer öffentlichen und medial begleiteten Gerichtsverhandlung gerückt werden bleibt schleierhaft.
Was bisher geschah:
Am 10.03.2012 veranstalltete die extrem rechte
Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) eine Infostandserie in deren
Rahmen die Nazis an ständig wechselnden Orten Infostände abhielten, um
ihre menschenfeindliche Meinung kund zu tun. Im Rahmen des
antifaschistischen Gegenprotests kam es an diesem Tag wohl zu einer
Auseinandersetzung zwischen Antifaschist*Innen und Personen der BIA. Im
Rahmen der ersten Hauptverhandlung war wahlweise von 20 bis gar 40
Antifaschist*Innen die Rede die "wie eine Büffelherde" losgestürmt sein sollen (Zitat aus der Vernehmung eines Zivibullen).
"Opfer" waren die 5 geladenen Zeugen der BIA welche offensichtlich durch
den Vorfall auch nicht nennenswert verletzt wurden.
In den
darauf folgenden Monaten flatterten Vorladungen bei 5 Aktivist*Innen
ein, die an diesem Vorfall beteiligt gewesen sein sollen. Natürlich
erschien kein Mensch.
Weiter ging es dann mit einer äußerst
kurzfristigen Ladung zur Hauptverhandlung (8 Tage vor angesetztem
Termin, vorgeschrieben sind laut StPO mindestens 7 Tage) in welcher
allen Angeklagten der Prozess gemacht werden sollte.
Am Tag der
Hauptverhandlung selbst stellten die Angeklagten fest, dass der Prozess
von einem normalen Sitzungssaal in einen besonders geschützten
Sitzungssaal mit speziell erlassener Sicherheitsverfügung (massenweise
Justizwachteln und Bullen, doppelte Einlasskontrollen, kopieren der
Ausweise) verlegt wurde. Diese Regelungen galten natürlich nicht für den
Staatsschutz der ohne lästige Kontrollen in den Sitzungssaal gelangte
und sich mit einer Cola in die Zuschauerbank lümmelte (während selbst
den Angeklagten Getränke weggenommen wurden). Als die Hauptverhandlung
dann los ging wurde einem Angeklagten erst einmal erklärt, dass seine
Verteidigung nicht zugelassen wird da sie durch eine Ankettaktion vor
einem Rüstungstransport nicht vertrauenswürdig erscheine. Einen weiteren
Freund der als Wahlverteidiger beantragt wurde lehnte die Richterin
Andreß ab da dessen Sachkunde nicht bewiesen sei (wodurch Sie wunderbar
die eigene Inkompetenz im Umgang mit dem § 138 StPO bewies). Nichts
desto trotz: im Zweifel und aus Bequemlichkeit schränkt mensch
Angeklagtenrechte schon mal etwas ein und zwingt diesen dann sich
komplett selbst zu verteidigen obwohl auf den Tatvorwurf eine
Mindeststrafe von 6 Monaten Freiheitsenzug steht. Hauptsache die Sache
schnell hinter sich bringen. So schnell wie es sich die vorsitzende
Richterin ausmalte ging es dann aber doch nicht. Aus dem ursprünglich
angedachten einen Verhandlungstag wurden 2 und ganz so einfach ließ sich
die Geschichte von den bösen Antifaschist*Innen dann doch nicht
verkaufen:
Alle Nazizeugen berichteten übereinstimmend, es hätten
sich Zivilpolizisten unter den Angreifer*Innen befunden. Einige
berichteten auch davon, dass eben jene Polizisten die Menge angeheizt
hätten. Die geladenen Polizeizeugen wussten davon natürlich auch
überhaut nichts. Selbst Beamte, die Nazis vernommen haben, welche
angaben während der Vernehmung von den Zivis berichtet zu haben und aus
Protest, dass dies nicht zu Protokoll genommen wurde die Unterschrift
unter dem Vernehmungsprotokoll verweigerten, konnten sich plötzlich an
nichts mehr erinnern.
Besonders originell waren auch 2
Streifenbeamte, die bis auf wenige Satzanfänge gleiche Einsatzberichte
abgegeben haben und felsenfest behaupteten sie hätten nicht von einander
abgeschrieben. Die unter Wahrheitspflicht stehenden Beamten behaupteten
sogar die sich in den Berichten befindenden identischen
Rechtschreibfehler seien zufällig entstanden. Um die Situation zu retten
unterband die Richterin dann schließlich die Fragen eines Verteidigers
und stellte sich damit hinter die ihrer Wahrheitspflicht wohl wenig
gerecht werdenden Beamten.
Für weitere Erheiterung sorgte ein
USK-Beamter der 2 der Angeklagten festgenommen hat weil eine ihm nicht
mehr bekannte Person selbige beschuldigte an der Auseinandersetzung wohl
irgendwie beteiligt gewesen zu sein. Auf die Frage eines Angeklagten ob
er das den immer so mache antwortete er mit ja. Wer denn die
Angeklagten letztlich beschuldigt hat konnte nicht abschließend geklärt
werden und es bleibt wohl sehr fraglich ob dies bei den vorherrschenden
ermittlungstechnischen Standards überhaupt möglich ist.
Eine
Kostprobe der ermittlungstechnischen Standards lieferte auch ein Foto
dessen Herkunft unbekannt ist und bei dem auch nicht geklärt werden
konnte welche Personen darauf abgelichtet sind. Das Foto zeigt mehrere
vermummte Personen (teilweise mit Tuch und Sonnenbrille). Der die
Ermittlungen leitdende Beamte behauptete ohne jeglichen Beleg eine der
vermummten Personen sei einer der Angeklagten und legte das Fotos Zeugen
zur Identifizierung der Angeklagten vor. Dass das Beweismittel total
ungeeignet ist stellte sogar einer der geladenen Nazi-Zeugen fest.
Als
dann alle 5 Nazizeugen gehört wurden und sich alle 5 Bullenzeugen in
unterschiedlicher Intensität blamiert hatten forderte die
Staatsanwaltschaft trotz erkennbar miserabler Beweislage Strafen von
mehreren Wochen Jugendarrest bis hin zu 6 Monaten Knast auf Bewährung.
Zu einem kleinen Eklat kamm es dann noch als einer der Angeklagten im
Rahmen seines letzten Wortes (dass ihm rein formaljuristisch nicht
genommen werden darf) ein politisches Statement verlas in dem er seine
Meinung über Nazis, Unsinn von Staaten & Gerichten, kriminalisierung
von Anitmilitarismus und entkriminalisierung von menschenfeindlicher
Nationenidiologie kund tat. Relativ schnell wurde der Angeklagte von
Justizwachteln umstellt und die Richterin drohte ihm mit den Rausschmiss
wenn er nicht sofort aufhöhren würde von seinem Recht auf das letzte
Wort gebraucht zu machen. Als der Angeklagte darauf nicht einging lies
Sie ihn unter Gewaltanwendung aus dem Saal schaffen um sich dann
anschließend darüber aufzuregen warum denn das Publikum dem nicht so mir
nichts dir nichts zu sieht und es zu Zwischenrufen kommt. Als dann bei
der Urteilsverkündung sich auch noch mehrere Zuschauer demonstrativ mit
dem Rücken zur Richterin drehten oder es komplett verweigerten sich zu
erheben war die Contenance vollends dahin.
Zusammenfassend lässt
sich sagen, dass sich im Rahmen der erstinstanzlichen Verhandlung
interessante Einblicke in die polizeiliche Strategie und die
inakzepteablen Methoden der Münchner Zivilpolizei ergeben haben. Frei
nach dem Motto immer schön mitmischen aber dann die anderen dafür
verantwortlich machen wollen. Dass die Ermittlungen der Kriminalpolizei
da dann nicht viel besser sein können lässt sich ja durchaus vermuten
wurde aber in diesem Prozess auch hinreichend belegt. Zusammen mit einer
Richterin die sich dóch recht Umfangreich an der Schadensbegrenzung des
Behördenimages beteiligte und Ihre richterliche Unabhängigkeit und
Verpflichtung zur Wahrheitsfindung dahingehend zurücktreten ließ bleibt
doch festzustellen dass es sich um einen Fall handeln sollte um deren
Wiederaufwicklung die Münchner Verfolgungsbehörden nicht gerade froh
sein werden. Warum die Staatsanwaltschaft als die die Ermittlungen
leitende Behörde dennoch meint im Berungsverfahren ein besseres Bild
abgeben zu können bleibt schleierhaft aber spannend. Alle Interessierten
können sich auf ein Berufungsverfahren freuen in dem sich den
Angeklagten sicherlich reichlich Gelegenheit bieten wird in den
Machenschaften der Münchner Polizeiapparate herum zu stochern.
Gerichte sind zum Essen da,
eine'r der Angeklagten
Der Prozessbericht zur ersten Instanz:
Naziberichte vom FNS
freies-netz-sued.net/index.php/2013/02/10/antifa-in-munchen-vor-gericht/
freies-netz-sued.net/index.php/2013/02/13/antifa-skandal-prozes-in-munchen-endet-mit-freispruchen/