Seit sich am 24. November 2012 hunderte Flüchtlinge von Traiskirchen nach Wien aufmachten, um für ihre Rechte zu kämpfen, hat sich einiges getan im Lande Österreich. Flüchtlinge haben eine Stimme bekommen. Und sie wollen weiter kämpfen, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Im Anschluss an den Protestmarsch von Traiskirchen nach Wien wurde ein Protestcamp im Sigmund-Freud-Park errichtet. Dieses wurde am 28. Dezember von der Polizei ohne rechtliche Grundlage, aber dafür mit eingenartigen Begründungen geräumt. Schon 10 Tage zuvor begab sich ein Teil der Flüchtlinge in die Votivkirche, um dort Schutz zu suchen. Nach ergebnislosen Gesprächen mit Politiker_innen beschlossen sie am 22. Dezember, in Hungerstreik zu gehen.
Bei der Besetzung der Kirche wurden folgende Forderungen gestellt:
- Grundversorgung für alle AsylwerberInnen, unabhängig von ihrem Rechtsstatus, solange sie in Österreich aufhältig sind;
- Freie Wahl des Aufenthaltsortes sowie Zugang zum öffentlichen Wohnbau für alle in Österreich aufhältigen AsylwerberInnen - keine Transfers gegen den Willen der davon Betroffenen;
- Zugang zu Arbeitsmarkt, Bildungsinstitutionen und Sozialversicherung für alle in Österreich aufhältigen MigrantInnen;
- Stopp aller Abschiebungen nach Ungarn - Stopp aller Abschiebungen im Zusammenhang mit der Dublin 2-Verordnung;
- Einrichtung einer unabhängigen Instanz zur inhaltlichen Überprüfung aller negativ beschiedenen Asylverfahren;
- Anerkennung von sozioökonomischen Fluchtmotiven neben den bisher anerkannten Fluchtgründen
(Anm: es gibt wesentlich mehr Forderungen, die im Laufe der bereits sieben Wochen andauernden Proteste gestellt wurden und die weiterhin aufrecht sind.)
Bei zahlreichen Solidemonstrationen bekundeten jeweils 100en Leute ihre Solidarität mit den protestierenden Flüchtlinge und auch sonst ist die Unterstützung recht groß, doch von Seiten der Politik bewegt sich rein gar nichts. Die Verantwortlichen schalten auf Stur und sind nicht bereit, von ihrer rassistischen Politik und Praxis ein wenig abzurücken.
Derzeit befinden sich mindestens 40 Leute in Hungerstreik, es sind aber mehr als 100 Leute, die sich an den Protesten beteiligen und für ein Aufenthaltsrecht kämpfen - nicht einberechnet die vielen Leute, die im vergangenen Jahr in die Bundesländer "transferiert" wurden und sich nun dort aufhalten. Manche von ihnen kamen jedoch zurück nach Wien und beteiligen sich an den Protesten, oder stießen später dazu.
Die Situation der Hungerstreikenden ist ebenso schlecht, wie jene der Flüchtlinge, die durch die Zerstörung des Camps durch die Polizei ihren Ort des Zusammenkommens und Aufenthalts verloren haben. Doch sie sind nach wie vor entschlossen, weiter für ihre Rechte zu kämpfen.
Weitere Informationen zu den Protesten der Flüchtlinge in Wien u.a. auf http://refugeecampvienna.noblogs.org und http://no-racism.net/thema/130. Einen Überblick geben die Zeitleiste am Blog des Refugee Protest Camp und der Artikel "'Brecht die Isolation!' 44 Tage Proteste in Wien: Hungerstreik geht weiter, Politiker_innen ignorant" auf no-racism.net.
Amsterdam
Doch nicht nur in Wien haben Flüchtlinge eine Kirche bestzt und befinden sich in Hungerstreik. In Amsterdam, wo ein Protestcamp der Flüchtlinge in Osdorp am 30. November von der Polizei geräumt wurde, wurde eine Kirche besetzt. In der leer stehenden Jozefkerk richteten sich die 100 Flüchtlinge ein, zumindest bis März können sie dort bleiben.
Protestcamps gibt bzw. gab es auch in anderen Städten in Holland, wie zB in Den Haag.
Mehr dazu u.a. auf http://no-racism.net/article/4312, http://no-border.nl, http://www.furche.at (katholische Zeitung aus Ö), https://www.indymedia.nl/taxonomy/term/198 und http://rechtopbestaan.nl.
Lille
In Lille, wo seit 2. November ein Hungerstreik in einem Zelt vor der Kirche Saint-Maurice stattfindet, wurden die Flüchtlinge, nachdem sie es wagten, ihren Protest in die Kriche zu verlagern, noch am selben Tag und auf Auftrag der Kriche von der Polizei geräumt. Der Protest geht deshalb im Zelt vor der Kirche weiter. Ein Teil der anfangs 125 Hungerstreikenden hat aufgrund medizinischer Befunde den Hungerstreik mittlerweile beenet, und zwei der Hungerstreikenden wurden am 30. Dezember abgeschoben - und dies, obwohl ein Gericht die Abschiebungen zuvor ausgesetzt hatte. Doch die Proteste gehen weiter. Auffallend ist, dass in Frankreich, wo die Proteste von Sans Papiers eine lange Tradition haben und es auch immer wieder zu Hungerstreiks und Kirchenbesetzungen kam, die Unterstützung derzeit noch nicht so groß ist, wie bei vergangenen vergleichbaren Aktionen. Doch in den letzten beiden Wochen kommt es fast täglich zu Solibesetzungen, Demonstrationen usw., um die Hungerstreikenden zu unterstützen. Doch ein Ende der Proteste ist trotz der kritischen Situation, in der sich einige der Hungerstreikenden mittlerweile befinden, nicht abzusehen.
Mehr dazu u.a. auf http://no-racism.net/article/4362 und http://lille.indymedia.org.
Berlin
Proteste von Flüchtlingen gibt es aber auch in Deutschland. Diese Proteste nahmen ihren Ausgang vor fast einem Jahr in Würzburg und breiteten sich über das ganze Land aus. Es gab Anfangs auch Hungerstreiks und in mehreren Städten wurden Protestcamps errichtet. Nachdem sich nichts bewegte, begaben sich Flüchtlinge aus Würzburg auf den 600 km langen Marsch Richtung Berlin, wo sie Anfang Oktober ankamen. Seither ist die deutsche Bundeshauptstadt Brennpunkt der Flüchtingsproteste in Deutschland. Es gab verschiedenste Aktionen, einen Hungerstreik vor dem Brandeburger Tor, der mit viel Repression begegnet wurde. In Kreuzberg befindet sich nach wie vor ein Protestcamp und am 8. Dezember wurde ein Haus besetzt, in dem die Flüchtlinge zumindest bis Ende März bleiben können.
Mehr dazu u.a. auf http://www.refugeetentaction.net, http://asylstrikeberlin.wordpress.com und http://thecaravan.org/aggregator/categories/1.
Für Juni organisieren Flüchtlings- und Migrant_innenorganisationen ein Flüchtligstribunal in Berlin. Derzeit gibt es dazu mehrere Diskussionen und Vorbereitungstreffen, mehr dazu auf http://thecaravan.org.
Unterstützt die Proteste der Flüchtlinge - überall!
Diese Aufzählung von Protesten ist nicht vollständig, überall in Europa protestieren Flüchtlinge und Migrant_innen für ihre Rechte. Unterstützt sie dabei! Organisiert Soliaktionen! We will rise!
Mehr zu den europaweiten Prortesten der Flüchtlinge u.a. auf http://www.irr.org.uk/news/from-despair-comes-resistance/, in der Transborder Map und auf http://no-racism.net/rubrik/75.
Update: Repression und Verhaftungen
In den Abendstunden des Samstag, 12. Jänner drang die Polizei illegalerweise in Räumlichkeiten ein, in denen ein Treffen von Aktivist_innen des Refugee Protest Camp Vienna statt fand. Dabei wurden von allen Anwesenden die Personalien kontrolliert, sowie 7 Leute festgenommen und in die Polizeistation Deutschmeisterplatz überstellt. 3 von ihnen konnten bald wieder gehen, 4 wurden jedoch in Schubhaft genommen und in das Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel überstellt. Sie sind von Abschiebung bedroht. Am Sonntag Mittag fand dort eine Demonstration mit knapp 200 Teilnehmer_innen statt, bei der die Freilassung der Gefangenen gefordert wurde.
Weitere Informationen:
http://no-racism.net/article/4365
https://linksunten.indymedia.org/node/76098
https://linksunten.indymedia.org/node/76103
http://refugeecampvienna.noblogs.org/post/2013/01/13/sonntag-um-12-uhr-d...
https://twitter.com/refugee_action
The Hague: Second church squatted by refugees in the NLs!
https://linksunten.indymedia.org/node/76544