Mit diesem Artikel möchten wir versuchen, eine aktuelle Einordnung des Zustandes des NPD-Landesverbandes in Schleswig-Holstein vorzunehmen. Gerade in Zeiten von zivilgesellschaftlicher Reduktion des Nazi-Problems auf den „NSU“ und das „NPD-Verbot“ halten wir es für sinnvoll, auch weniger spektakuläre neonazistische Zusammenhänge aus antifaschistischer Perspektive zu beleuchten und deren gesellschaftliches Potential abzuschätzen.
Einleitung
In Schleswig-Holstein ist die NPD nach der 
Fusion mit der DVU und dem frühzeitigen Scheitern der „Deutschen Liga 
für Volk und Heimat“ (DLVH) im neonazistischen Milieu konkurrenzlos. 
Zwar gibt es im rassistischen Parteienspektrum seit 2011 noch die 
kulturrassistische, eher konservativ-bürgerliche Kleinstpartei „Die 
Freiheit“, diese ist allerdings bisher weitgehend erfolglos und bis 
jetzt zu keiner Wahl angetreten.
Trotz dieser Alleinstellung 
gelingt der NPD die Herstellung einer zivilgesellschaftlichen 
Anschlussfähigkeit kaum oder nur in sehr spezifischen Kontexten. Eine 
breite Öffentlichkeit erreicht die NPD nur über Negativ-Schlagzeilen 
nach militanten Auseinandersetzungen¹⁺² oder Razzien³⁺⁴. Auch der 
jährlich stattfindende und maßgeblich von NPD-Kadern organisierte 
“Trauermarsch” in Lübeck geht in den breit mobilisierten Gegenprotesten 
unter. Die NPD agiert und agitiert in Schleswig-Holstein fast 
ausschließlich in ihrem eigenen subkulturellen Umfeld und bleibt 
gesamtgesellschaftlich marginalisiert.
Aktuelle Situation des Landesverbands
Aktuell
 steckt der Landesverband Schleswig-Holstein der NPD in einer handfesten
 Krise. Neben großen personellen Problemen sind auch inhaltliche und 
strukturelle Defizite unübersehbar. Bei der Landtagswahl im Mai 2012 
schlug sich das in einem herben Misserfolg nieder, wo mit einem 
Wahlrgebnis von 0,7% nicht nur das vorherige Ergebnis verschlechtert, 
sondern auch die Hürde zur Parteienfinanzierung (ab 1%) verfehlt wurde.
Ein
 Einzug in den Landtag war schon vor der Wahl auch innerhalb der NPD als
 unmöglich betrachtet worden und so wurde der Wahlkampf zu einer Farce. 
Bei den wenigen Plakaten, die überhaupt aufgehängt wurden, handelte es 
sich um alte Plakate des NPD-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern mit 
Link zu deren Internetauftritt, teilweise sogar mit regional auf das 
andere Bundesland bezogene Themen. Eine eigene inhaltliche 
Schwerpunktsetzung fehlte völlig.
Ein Großaufmarsch in Neumünster
 sollte am 1. Mai, wenige Tage vor der Wahl, die nötige 
Öffentlichkeitswirkung erzielen. Dazu war eigens der NPD Chef-Rhetoriker
 Udo Pastörs angereist. Am Auftaktort fanden sich allerdings nur rund 30
 Neonazis ein. Die restlichen 105 „Kameraden“ zogen den direkten 
Konflikt mit der Polizei ihrer genehmigten Versammlung vor und wurden 
sämtlich in Polizeigewahrsam genommen, darunter auch ein Teil des 
Landesvorstands der NPD S-H und Udo Pastörs. Da auch der 
Versammlungsleiter Jens Lütke inhaftiert wurde, konnte die angemeldete 
Demonstration nicht stattfinden und die einzigen zum Auftaktort 
erschienenden Neonazis irrten, von ihren “Kameraden” im Stich gelassen, 
durch die Stadt und konnten nicht einmal einer direkten Konfrontation 
mit Antifaschist_innen entgehen.
Nach diesem missglückten Wahlkampf 
war eine Wahlniederlage folgerichtig. Nicht einmal das eigene Lager 
konnte mobilisiert werden. Ganz im Gegenteil kursierten vor der Wahl in 
Kameradschaftskreisen sogar offene Anfeindungen gegen NPD-Funktionäre 
wegen deren angeblicher Kooperation mit dem Verfassungsschutz und 
Boykottaufrufe zur Wahl.
Der Landesverband in Schleswig-Holstein 
vertritt eine radikale Parteilinie und steht damit im Widerspruch zu der
 Programmatik der „Seriösen Radikalität“ unter dem Bundesvorsitzenden 
Holger Apfel, mit der die Bundes-NPD versucht, klassisch bürgerliche 
Themen zu bedienen und ein Parteiverbot abzuwenden.
Im radikaleren 
Flügel innerhalb des Landesverbandes gibt es personell große 
Schnittmengen mit dem militanten und kleinkriminellen Milieu der „Freien
 Kameradschaften“ und „Aktionsgruppen“. Auch die eher spießbürgerlichen 
Funktionäre um den neuen Landesvorsitzenden Ingo Stawitz oder den Kieler
 Ratsherren Hermann Gutsche pflegen ein offenes und intensives 
Verhältnis zur nicht-parteigebundenen Neonaziszene.Die Unstimmigkeit 
zwischen Landes- und Bundes-NPD wurde schon in verschiedenen Situationen
 offensichtlich, so auch als im Juli 2012 das “Flaggschiff” der 
Bundes-NPD durch Deutschland tourte und die regionale Neonazi-Szene mit 
demonstrativer Lustlosigkeit reagierte. In Kiel konnten für die 
Teilnahme an der Kundgebung nur drei Besucher angeworben werden, wobei 
es sich dabei um Pflichtbesuche der etablierten Kader gehandelt haben 
dürfte, immerhin waren nur der Landesvorsitzende Ingo Stawitz, sein 
Stellvertreter Jens Lütke und der “Landesorganisationsleiter” Daniel 
Nordhorn anwesend.
Das Verhältnis zwischen der NPD und den 
sogenannten “Freien Kräften”, lose Zusammenschlüsse meist militanter 
Neonazis in Kameradschaften oder “Aktionsgruppen” auf lokaler Ebene, ist
 in Schleswig-Holstein schon immer eng. Während der Hochphase der 
„Aktionsgruppen“, allen voran die „AG Kiel“, traten die 
nicht-parteigebundenen Kräfte der NPD zunächst dominant gegenüber, in 
den letzten Jahren hat sich dieses Verhältnis umgekehrt. Als der 
ehemalige Landesvorsitzende der NPD, Peter Borchert, ab 2007 die auch 
überregional wahrgenommene „AG Kiel“ aufbaute, trieb er die NPD damit 
förmlich vor sich her. Ohne die damals aktiven und mitgliederstarken 
„Aktionsgruppen“ war die NPD nicht mehr handlungsfähig und kooperierte 
in Folge dessen eng mit den „Freien Kräften“, um ihren Einfluss zu 
wahren. Da nun aber einige Führungskräfte der „AG Kiel“ und „AG 
Neumünster“ ganz offen der organisierten Kriminalität zugehörten, 
stellte sich selbst für NPD-Verhältnisse ein bundesweites Novum ein: Die
 NPD musste die “Aktionsgruppen”, tief verstrickt in Waffenhandel und 
Ähnliches⁵, bezahlen, damit sie an ihren Aktionen teilnahmen und ihre 
Listen füllten⁶. Die NPD ließ ihre Struktur als Plattform für militante 
Gruppen und die organisierte Kriminalität verreinnahmen, vor allem um 
die Rockergruppen „Bandidos“ und „Hells Angels“⁷.
Die 
AG-Kiel-Führungskader schieden nach und nach aus der aktiven 
neonazistischen Szene aus. Peter Borchert und Daniel Zöllner wurden 
inhaftiert, Peter von der Born wurde zunehmend inaktiver und so 
hinterließen die Führungskader der „AG Kiel“ ein deutliches Vakuum, da 
es sich neben dem kleinen Führungszirkel vor allem um junge, 
subkulturell geprägte Mitglieder_innen aus dem Kieler Vorort 
Friedrichsort handelte.
Nach der Auflösung der „AG Kiel“ gewann die 
NPD in der Szene wieder an Bedeutung, da sie nun die entstandenen Lücken
 mit ihren eigenen Mitgliedern füllen konnte. An Stelle der parteilosen 
„Aktionsgruppen“ trat in den größten Städten Kiel und Lübeck jeweils 
eine lose Unterstützer_innengruppe der NPD, die „Freien Nationalisten 
Lübeck“ (FN HL) und Freien Nationalisten Kiel“ (FN KI), geführt von den 
örtlichen NPD-Kadern Jörn Lemke (Lübeck) und Roland Siegfried Fischer 
(Kiel). Sowohl thematisch als auch aktionistisch beschränken sich diese 
Zusammenhäge auf die Unterstützung der NPD und sind nicht eigenständig 
aktions- oder gar kampagnenfähig.
Eine interessante Konstellation
 ergibt sich dabei in Kiel, wo das Gruppengeflecht für die persönliche 
Feindschaft zwischen zwei Kadern genutzt wird: Die Website des 
NPD-Kreisverbandes wird in letzter Zeit ausschließlich von dem Kieler 
Ratsherrn Herrmann Gutsche betrieben, während der “Organisationsleiter” 
Roland Fischer seine Inhalte über den Blog der „FN KI“ kommuniziert. Das
 Internetportal „Mein-SH“ ist Jörn Lemke, dem Landespressesprecher der 
NPD, zuzuordnen und dient allen „Aktionsgruppen“ und „freien“ 
Gruppierungen in Schleswig-Holstein als Plattform. Auf diesem Portal 
veröffentlichen ironischerweise auch jene Spektren, die Jörn Lemke der 
Spitzeltätigkeit für den Verfassungsschutz bezichtigen. Auch duldet die 
NPD in Schleswig-Holstein seit vielen Jahren militante Bestrebungen in 
den eigenen Reihen. Viele Kader sind selbst vorbestraft oder an 
entsprechenden Aktionen beteiligt gewesen. Neben offen militant 
agierenden Persönlichkeiten wie Peter Borchert⁸, Roland Fischer⁹ oder 
Sven Witte¹⁰ haben auch Kader des sich eher seriös gebenden Flügels 
einschlägige Vorstrafen: Ingo Stawitz warf Steine und prügelte auf 
Gegendemonstrant_innen ein¹¹, Heino Förster war an Brandstiftungen auf 
die Unterkünfte von Asylbewerber_innen beteiligt ”¹² und auch der 
Angriff auf eine Kundgebung des DGB zum 1. Mai 2011 in Husum wurde 
maßgeblich von NPD-Mitgliedern geplant und durchgeführt. So ist zu 
erkennen, dass eine Trennung zwischen dem radikaleren Flügel der NPD und
 militanten “Freien Kräften” künstlich wäre und nicht die realen 
Machtverhältnisse widerspiegelt.
Interne Struktur des Landesverbands
Grundsätzlich
 lässt sich die Personalsituation der NPD in Schleswig-Holstein in 
verschiedene Kreise trennen. Neben den öffentlich auftretenden Kadern 
gibt es eher verdeckt auftretende Unterstützer_innen und eine Basis aus 
aktions- oder erlebnisorientierten Neonazis, auf die bei Aktionen zurück
 gegriffen werden kann.
Bei den Kadern lassen sich wiederum die nur lokal aktiven von denen mit landes- oder gar bundesweiter Bedeutung unterscheiden.
Der
 Landesvorsitzende, und damit auch automatisch Mitglied des 
Bundesvorstands der NPD, ist Ingo Stawitz aus Uetersen, ein altgedienter
 Kader der Neonaziszene, in Personalunion außerdem Vorsitzender des 
Bezirksverbands Westküste. Bekannt wurde er auch durch seine abrupten 
und uneinvernehmlichen Wechsel der Parteien, so war er neben lokalen 
Bündnissen wechselnd für die DVU, DLVH und NPD aktiv. Sowohl 
organisatorisch als auch programmatisch bleibt Stawitz selbst eher 
schwach, diese Aufgaben werden weitgehend von anderen übernommen. Seine 
Wahl dürfte aufgrund der Vorbelastung der anderen Kader beim letzten 
Parteitag und in direkter Folge der Wahlniederlage alternativlos, aber 
keine Wunschentscheidung gewesen sein.
Organisatorisch und 
programmatisch führend im NPD-Landesverband ist sein Stellvertreter und 
ehemaliger Landesvorsitzender Jens Lütke aus Martensrade im Kreis Plön. 
Als eines der wenigen Mitglieder der Schleswig-Holsteinischen NPD 
verfügt Lütke über die organisatorischen Fähigkeiten, strukturelle 
Parteiaufgaben wie Wahlen oder Parteitage zu organisieren. Öffentlich 
tritt er immer weniger auf, bei der nächsten Bundestagswahl steht er 
nicht einmal auf der Landesliste. Die ambivalente Haltung der Partei ihm
 gegenüber ist zum einen auf der herben Wahlniederlage unter ihm als 
Landesvorsitzenden begründet, in dessen Wahlkampf keine positiven 
Akzente gesetzt werden konnten und Lütke weder einen kraftvollen 
Auftritt nach außen noch Schutz für seine Parteikameraden nach innen 
schaffen konnte. Ganz im Gegenteil tauchte er vor der Wahl förmlich ab. 
Zudem wird ihm aufgrund seiner autistischen Erkrankung mit Distanz 
begegnet, da Menschen mit Behinderung nicht in das Weltbild der Neonazis
 passen.
Jörn Lemke ist Landespressesprecher und für die 
Erstellung der Parteizeitung „SH-Stimme“ zuständig. Wie bereits 
beschrieben ist er außerdem im Verhältnis zu nicht-parteigebundenen 
Strukturen von Bedeutung. Im Allgemeinen versucht er sich an der 
Öffentlichkeitsarbeit, gilt in neonazistischen Kreisen allerdings als 
unfähig. So wurde ihm schon vor Jahren die Betreuung des Lübecker 
„Trauermarsches“ entzogen. Zudem mehren sich gegen ihn und Roland 
Fischer die Gerüchte, als „V-Person“ für den Verfassungsschutz aktiv zu 
sein, weshalb ihm teilweise feindselig und mit Misstrauen begegnet wird.
 Ob ein Angriff auf ihn im November 2012 in diesem Zusammenhang von 
Neonazis begangen wurde, ist noch unklar.
Schatzmeister des NPD 
Landesverbandes ist Wolfgang Schimmel. In NPD-Kreisen gilt er als 
zuverlässig und wurde auch schon für bundespolitische Tätigkeiten 
eingesetzt. Neben der rein organisatorischen Aufgabe der Finanzbetreuung
 bleibt er aber eher blass. Zudem ist er aufgrund seiner Ehe mit einer 
„Nicht-Deutschen“ bei seinen rassistischen Parteikameraden unbeliebt, 
außerdem soll ihm auch der antifaschistische Protest gegen seine Person 
über die letzten Jahre zugesetzt haben.
Der derzeit aktivste 
Kader in Schleswig-Holstein ist Daniel Nordhorn, 
“Landesorganisationsleiter” und Vorsitzender des Kreisverbands 
Segeberg-Neumünster. Nordhorn bezieht sich gerne in direkter Linie auf 
den Nationalsozialismus, ist geschichtsinteressiert und -verherrlichend,
 öffentlich vertritt er aber meist die „Raus aus dem Euro“-Kampagne der 
Bundespartei. Nordhorn ist als Anmelder für die Mehrzahl der Infotische 
in Schleswig-Holstein verantwortlich. Inwieweit seinem emsigen 
Engagement in Zukunft auch durch höhere Aufgaben Rechnung getragen wird,
 bleibt abzuwarten, denn er gilt Teilen des Landesvorstands als zu 
unbeherrscht.
Personen, die der Landesverband in den nächsten 
Monaten verstärkt in die Öffentlichkeit rücken will, sind der Kieler 
Ratsherr Hermann Gutsche und der Abgeordnete des Kreistages in 
Lauenburg, Kay Oelke. Obwohl beide während ihrer Amtszeiten keine 
Akzente setzten konnten und öffentlich kaum wahrnehmbar waren, sollen 
sie nun die Zugpferde für den Wahlkampf zur Kommunalwahl 2013 werden. 
Hierzu wurde eine eigene Website eingerichtet, auf welcher die beiden 
über ihre “erfolgreiche” parlamentarische Arbeit berichten sollen und 
wie sie den “Blockparteien” das Fürchten lehren wollen. Bemerkenswert 
ist, dass die Seite während ihres viermonatigen Bestehens noch keinen 
einzigen Eintrag aufweisen konnte. Größere Bekanntheit erlangte Gutsche 
nur, als die Polizei seine Wohnung stürmte, weil sie dort im 
Zusammenhang mit Geschäften der „Hells Angels“ zwei Pistolen und zwei 
Maschinenpistolen vermutete¹³.
Ein interessantes Beispiel für die
 persönlichen Machtkämpfe und Streitereien innerhalb der neonazistischen
 Szene und damit auch innerhalb der NPD ist der jüngste Parteiaustritt 
vom “Organisationsleiter” in Kiel und Anmelder des jährlichen 
“Trauermarsches” in Lübeck, Roland Siegfried Fischer. Fischer lebt seit 
längerem getrennt von seiner Frau Silke, Mutter der beiden gemeinsamen 
Kinder. Nach längeren persönlichen Konflikten, unter anderem um das 
Sorgerecht, soll es auch schon zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Ein
 Outing und andere Proteste nach dem Bekanntwerden seiner neuen Adresse 
machten Fischer zunehmend nervös, sodass er nur noch unter einem 
Pseudonym in seiner Wohnung lebt. Der Ehestreit bekam eine 
parteipolitische Dimension, als Silke in die NPD eintreten wollte, was 
Roland händeringend versuchte zu verhindern. Hermann Gutsche machte sich
 daraufhin offen für sie stark. Der Landesvorstand entschied sich für 
Silke und verlor mit Roland Fischer einen der aktivsten Kader der 
letzten Jahre. Abzuwarten bleibt nun die Entwicklung bezüglich der von 
Fischer aufgebauten Gruppe „FN KI“ und seiner Beteiligung am 
“Trauermarsch”, der schließlich auch von Kadern mit bundesweiter 
Bedeutung wie Thomas Wulff und Dieter Riefling mitgetragen wird.
Insgesamt
 scheint die wortwörtliche „Kameradschaft“ innerhalb der NPD entgegen 
dem eigenen Selbstverständnis nur mäßig ausgeprägt. Im Vorfeld der 
letzten Wahl und anderer Ereignisse konnte die NPD trotz ihres 
martialischen Auftretens und dem selbsternannten “Kampf um die Straße” 
nie die Oberhand gewinnen. Stattdessen wurden die Neonazis Ziel 
zahlreicher Proteste, wie z. B. im Rahmen der Kampagne “Farbe Bekennen”,
 im Zuge derer verschiedene Funktionsträger der NPD angegriffen wurden. 
In keinem bekannt gewordenen Fall konnten die “Ordnerstrukturen” einen 
Angriff verhindern, im Gegenteil wurden die Betroffenen mit ihren 
eingefärbten Häusern allein gelassen. Die meisten Neonazis bekamen von 
ihren „Kameraden“ weder Unterstützung bei der Säuberung noch Schutz vor 
wiederholten Angriffen. Teilweise schien nicht einmal die Führung des 
Landesverbandes über alle Angriffe informiert worden zu sein, denn 
einige Angriffe fehlten oft wochenlang nach ihrem Bekanntwerden in den 
Aufstellungen der NPD-Webseiten. Eine gute Kommunikationsstruktur und 
“kameradschaftlicher” Zusammenhalt sehen anders aus.
Die anderen 
Funktionäre der NPD haben meist nur regionale Bedeutung und prägen nicht
 das Bild des Landesverbandes mit. Ein kurioses Beispiel hierfür ist 
Marcus Tietz aus Ahrensbök, ehemaliger “Organisationsleiter” der NPD im 
Kreis Ostholstein. Dieser verletzte sich jüngst mit einem Messer an dem 
Armen, um einen Angriff des politischen Gegners vorzutäuschen. Durch die
 dilettantische Ausführung dieses Planes hat Tietz jetzt ein Verfahren 
wegen Vortäuschens von Straftaten erhalten und verlor seine 
Parteifunktionen.
Als wichtigster Unterstützer der NPD in 
Schleswig-Holstein gilt der Verleger Dietmar Munier. Er betreibt in 
Martensrade die “Lesen und Schenken”-Verlagsgesellschaft, in welcher 
diverse rassistische, militaristische und neonazistische Schriften 
verlegt oder vertrieben werden wie zum Beispiel das monatlich 
erscheinende Hetzblatt “Zuerst!” oder die “Deutsche Militärzeitschrift” 
(DMZ). Neben der ideologischen Bedeutung seines Verlages bietet Munier 
auch ganz konkrete logistische Unterstützung und langjährige feste 
Arbeitsstellen für NPD-Kader. So nutzen Neonazis immer wieder seine 
Dienstwagen für Fahrten zu Parteiaktionen, aber auch zu militanten 
Übergriffen wie am 1. Mai 2011 in Husum. Daneben wird aller 
Wahrscheinlichkeit nach die Parteizeischrift “SH-Stimme” in Martensrade 
verlegt und gedruckt. Jens Lütke absolvierte bei Munier seine Ausbildung
 und arbeitet seitdem dort. Ideologisch bietet Munter neben seinen 
Schriften und Devotionalien auch Auftritte bekannter neonazistischer 
Theoretiker wie dem Holocaust-Leugner Ernst Zündel¹⁴.
Zu bemerken
 ist, dass unter den Kadern keine einzige Frau zu finden ist. Entgegen 
dem bundesweiten Trend der rechten Szene, zumindest kleine 
Frauenorganisationen aufzubauen, sind solche in Schleswig-Holstein 
überhaupt nicht vorhanden.
Als integrative Veranstaltung findet 
regelmäßig ein Sommerfest der NPD auf wechselnden Außenflächen und 
Feldern statt. Daneben partizipiert die Partei auch an szeneinternen 
Veranstaltungen, außerdem werden gemeinsam Sonnenwendfeiern begangen 
oder diverse Denkmäler, z.B. in Laboe, besichtigt. In unregelmäßiger 
Folge werden auch Liedermacherabende oder Konzerte veranstaltet. 
Aufgrund der überschaubaren Größe der Szene und den Möglichkeiten zur 
klandestinen Durchführung der Veranstaltungen in einem Flächenland wie 
Schleswig-Holstein bleiben diese Veranstaltungen meist ohne 
antifaschistischen Protest. Ausnahmen bilden die “Heldentage” zum 8. Mai
 und Volkstrauertag, wo die Neonazis insbesondere in den Großstädten mit
 Protesten rechnen müssen, wie dieses Jahr in Lübeck, und das kürzlich 
verhinderte Fußballturnier von „Bollstein Kiel“¹⁵.
Aktionen
Die
 NPD in Schleswig-Holstein beschränkt sich aktionistisch meist auf 
Infostände oder kleine Kundgebungen. Wenn diese in den größeren Städten 
durchgeführt werden, dann allerdings nicht in den Innenstädten, da die 
Neonazis hier mit zu starkem antifaschistischem Gegenwind rechnen 
müssen. In Kiel nimmt dieses Spiel teilweise so kuriose Züge an, dass 
ein Infotisch aus Angst vor antifaschistischen Protesten in einem 
Stadtteil nach 20 Minuten wieder abgebaut wird und die Neonazis in einen
 anderen Stadtteil umziehen, wo sich das ganze dann wiederholt. Ein 
besonderer Trend ist zudem im Gebiet es Kreisverbands 
Segeberg-Neumünster zu erkennen, wo Daniel Nordhorn und sein Gefolge im 
Jahr 2012 schon 17 Infostände in teilweise kleinsten Ortschaften 
abgehalten haben. Der jüngste in der Kreisstadt Bad Segeberg ging im 
antifaschistischen Protest unter¹⁶, in den Dörfern mit wenig Einwohnern 
bleiben die Infotische meist unbemerkt. Dennoch hat dieser kleine 
Kreisverband unter Daniel Nordhorn die anderen Kreisverbände in puncto 
Aktivität damit weit übertroffen.
Inhaltlich kommt die NPD in 
Schleswig-Holstein aus ihrem langjährigen Dilemma nicht heraus: Es 
fehlen die Führungsfiguren und Vordenker_innen, um eigene inhaltliche 
Akzente setzen zu können. Darum wird mangels eigener Möglichkeiten die 
Programmatik der Bundes-NPD übernommen. Dem radikalen Landesverband 
reichen allerdings keine “weichgespülten” Forderungen wie die Rückkehr 
zur D-Mark.
Eine über die eigenen Reihen hinausgehende 
gesellschaftliche Partizipation erhielt die NPD zuletzt in den Protesten
 gegen „Kinderschänder“ in Leck¹⁷ und Neumünster¹⁸ , wo es organisierten
 Neonazis gelang, sich an die Spitze von Protesten „normaler“ 
Bürger_innen zu setzen. Neben den klassischen Forderungen nach 
Zwangskastrationen oder Lynchjustiz kam es dabei teilweise auch zu 
Ausschreitungen. Des Weiteren integriert sich die NPD in Aktionen, die 
vordergründig den “Freien” zugeschrieben werden, wie den schon erwähnten
 “Trauermarsch” in Lübeck oder auch diverse unangemeldete und militante 
Aktionen wie in Husum am 1. Mai 2011. Das Mobilisierungspotential ist 
bei allen Aktionen eher schwach ausgeprägt. Ohne die maßgebliche 
Unterstützung aus Mecklenburg-Vorpommern könnte der jährliche 
“Trauermarsch” in Lübeck nicht mehr durchgeführt werden, Infostände 
ziehen meist zwischen 2 und 10 Teilnehmer_innen an und Aktionen mit mehr
 als 20 Personen sind selten. Die Demonstration in Neumünster zum 
Wahlkampfabschluss am 1. Mai 2012 wäre ohne die Unterstützung aus 
anderen Bundesländern nicht durchführbar gewesen. In diesem Zusammenhang
 hat die NPD neben der geringen Zahl der Sympathisant_innen auch mit der
 geringen Motivation in den eigenen Reihen zu kämpfen. Wahlniederlagen, 
die schlecht aufgestellte Führung und nicht zuletzt antifaschistische 
Interventionen machen es für die Neonazis weniger attraktiv, öffentlich 
aufzutreten, als sich an szeneinternen oder militanten Aktionen zu 
beteiligen. So ist der gesamte Kreis Ostholstein ein Beispiel für einen 
klassischen Rückzugsraum für Neonazis mit funktionierenden 
Blood-and-Honour-Strukturen. Hier sind kaum öffentliche Auftritte zu 
verzeichnen, dafür eine größere Zahl intern mobilisierter Aktionen.
Fazit
Der
 NPD-Landesverband steckt in einer Krise und kann im Moment kaum die 
rudimentären Aufgaben einer Partei erfüllen. Während einige 
Kreisverbände mit einer Handvoll aktiver Mitglieder noch vergleichsweise
 gut aufgestellt sind, sind andere quasi inexistent. Aus 
antifaschistischer Perspektive sollten vor allem die persönlichen 
Verflechtungen wichtiger Akteure in das kleinkriminelle Milieu 
beobachtet werden, denn neben dem momentan existierenden allgemeinen 
destruktiven Trend liegt hier noch Potential für die Neonaziszene. 
Insbesondere eine erneute Verknüpfung der NPD mit den Rocker- und 
Blood-and-Honour-Strukturen um Peter Borchert bleibt abzuwarten, denn 
diese sind neben der wirtschaftlichen Basis auch organisatorisch besser 
aufgestellt als die NPD und könnten der Partei wieder die ersehnte 
Durchschlagskraft “auf der Straße” verschaffen. Diese Entwicklungen 
werden sich vermutlich nach der baldigen Haftentlassung von Peter 
Borchert absehen lassen.
Ausblick
Das neue Jahr 
wird für den NPD-Landesverband ein entscheidendes. Zunächst einmal steht
 mit einem möglichen NPD-Verbot eine existentiell wichtige Entscheidung 
im Raum. Die Konkurrenz im neonazistischen Lager, „Die Rechte“ um 
Christian Worch, läuft sich dafür bereits warm und die Gerüchte um die 
geplante Gründung eines eigenen Landesverbandes in Schleswig-Holstein 
nehmen zu. Außerdem steht mit der Kommunalwahl eine Art Schicksalswahl 
bevor, denn hier entfällt die 5%-Hürde und so können schon bei etwa 1% 
der Stimmen Ämter besetzt und damit auch eine politische Partizipation 
erleichtert werden. Im derzeitigen Zustand ist das für den Landesverband
 ein ambitioniertes, aber zumindest in einzelnen Regionen erreichbar 
erscheinendes Ziel. Sollte dies allerdings schon wieder verfehlt werden,
 dürften die kritischen Stimmen lauter werden und der Fall in die 
politische Bedeutungslosigkeit drohen. Auch der Kampf zwischen den 
Flügeln und einzelnen Personen wird vermutlich weitergehen. Ob der 
Rauswurf von Tietz und der Austritt Fischers die Situation etwas zur 
Ruhe bringen, wird sich zeigen, aber zumindest spricht diese Entwicklung
 für eine vorübergehende Stärkung der konservativen Kräfte.Wir werden 
unsere Augen und Ohren offen halten.
http://quimera.noblogs.org
¹ http://www.kn-online.de/Lokales/Polizei/Luebecker-NPD-Mitglied-attackiert
²
 
http://www.ahl-antifa.org/index.php/2012/januar-2012/190-hamburger-abend...
³
 
http://www.endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=725...
⁴
 
http://www.shz.de/nachrichten/schleswig-holstein/panorama/artikeldetail/...
⁵ http://www.antifa-kiel.org/index.php/news/items/wer-schoss-2010-auf-die-...
⁶ http://www.antifa-kiel.org/index.php/news/items/mit-einem-schlag-das-leb...
⁷
 
http://www.endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=725...
⁸ https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Borchert
⁹ http://antifarendsburg.blogsport.de/2010/04/04/nazis-verteilen-flyer-in-...
¹⁰ http://www.ahl-antifa.org/index.php/2012/maerz-2012/207-rz-startschuss-f...
¹¹ http://daserste.ndr.de/panorama/media/npdwahlkampf100.html
¹² http://de.indymedia.org/2008/06/221041.shtml
¹³ http://www.antifa-kiel.org/index.php/news/items/kieler-npd-ratsherr-guts...
¹⁴ https://www.taz.de/!96129/
¹⁵
 
http://www.linksfraktion-kiel.de/nc/presse/aktuell/detail/zurueck/aktuel...
¹⁶ https://linksunten.indymedia.org/de/node/73941
¹⁷
 
http://www.endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=697...
¹⁸ http://antifanms.blogsport.de/2012/10/26/nms-proteste-gegen-paedosexuell...
  







Daniel Zöllner
Daniel Zöllner ist nach wie vor auf freiem Fuß, und arbeitet seit einiger Zeit als Türsteher im "Cheyenne Club" in Rendsburg.
Die NPD in Schleswig-Holstein: Ein Zustandsbericht
Warum investiert ihr noch Zeit in diesem selbstauflösenden Verliererhaufen Namens NPD? Das personelle Potenzial des rechten Lagers in SH ist bedeutungslos, dumm und zum Scheitern verurteilt. Die Führungskader von der ehemaligen AG Kiel (Peter Borchert/Daniel Zöllner), Steinburg/Dithmarschen (unbekannt) und deren Handlangern, die einigermaßen gut organisiert, ernstzunehmend und personell gut aufgestellt waren, sind inhaftiert oder untergetaucht; und das ist auch gut so. Nutzt die Zeit sinnvoller - in diesem Sinne Carpe diem!
anonymus
Macht der NPD mal eine Freude und vermittelt dem unfähigen Vorsitzenden Stawitz eine Beschäftigung als TD2d6HBettvorleger. Dann könnte man ihn von der Parteiarbeit entbinden.