„Wer ist hier froh über den Rechtsstaat?“
Am 25.04. fand in Bad Oeynhausen der zweite Prozesstag gegen die der Beihilfe bei einer Castorblockade und des Diebstahls angeklagten M. Statt - und der verlief keineswegs reibungslos.
https://linksunten.indymedia.org/de/node/58750
Am Ende der Verhandlung stand ein Urteil wegen des Diebstahls nach Jugendstrafrecht (die Beschuldigte ist 19) zu einem Wochenende im sogenannten „Freizeitarrest“ (Link zum Freizeitarrest: http://www.ag-bielefeld.nrw.de/aufgaben/abteilungen/Strafabteilung/Freiz...) Das Verfahren wegen der Castorblockade wurde eingestellt.
Nachdem der erste Prozesstag vergleichsweise entspannt verlief, traf das Gericht diesmal entsprechende Sicherheitsvorkehrungen:
Es durften keine Taschen und Getränke mehr mit ins gerichtsgebäude genommen werden, die einmensch Mahnwache wurde von 3 Wannen und einer Streife bewacht und im Gerichtssaal saßen 3 Justizwachtmeister_innen und mehrere zivile Polizeibeamte. 3 Prozessbeobachter_innen wurden des Saales verwiesen.
„Unsägliche Arroganz“, „Überheblichkeit“ und der unbedingte Wille zu strafen wurden Richter Meier aus dem Publikum vorgeworfen. Schon am ersten Prozesstag habe sich abgezeichnet, dass der Vorsitzende eine Verurteilung in der Diebstahlsache in Missachtung der schwachen Beweislage anstrebe, wohingegen er die Atomkraftdebatte aus dem Gerichtssaal verbannen wollte, hieß es aus Unterstützer_innenkreisen.
„Selbst, wenn der Diebstahl so stattgefunden hätte – was wäre er anderes als eine direkte Umverteilung? Und was wäre so falsch daran, wenn sich Menschen nach ihren Bedürfnissen nehmen, wo sich in den Supermärkten die Reichtümer stapeln?“ fragte die Angeklagte in einer Erklärung selbstbewusst. „Der Firma Famila hat einen Jahresumsatz von drei Milliarden Euro; hier geht es um €5,99“, führte M. weiter aus. „Und der Richter, der hier angeblich unparteiisch das Eigentum der an Geld Reichen verteidigt und dabei Lobeshymnen auf den Rechtsstaat singt, tut dies mit dem ebenfalls üppigen Gehalt eines Direktors des Amtsgerichts. Für andere hingegen bedeuten €5,99 eine Stunde Lebenszeit auf der Arbeit oder die Mahlzeiten eines Tages. Das ist die Gleichheit im staatlich geschützten Kapitalismus.“
In ihrem Plädoyer machte die Angeklagte ihre grundsätzliche Kritik an Justiz und Strafe deutlich und betonte, dass ein Urteil, sei es Freispruch oder Sanktion, für sie in dieser autoritären Form inakzeptabel sei. Auch ihr Verteidiger ging gegen Ende der Verhandlung nicht näher auf die juristischen Details ein, sondern bedankte sich bei allen widerständig Lebenden und sprach sich für die Befreiung aller Gefangenen aus. Bei Richter Meier stießen die beiden damit nicht auf Verständnis: Sein Urteil übertraf die Forderung der Staatsanwältin in seiner Härte. Er verurteilte M. zu einem Wochenende sogenannten Freizeitarrests, den sie im Amtsgericht Minden in einer einzelzelle absitzen muss.
Die politischen Standpunkte der Angeklagten diffamierte er als „infantil“ und „bar jeglicher Vernunft“.
„Es ist bezeichnend für diese Gesellschaft, dass Menschen durch Inhaftierung wieder in sie eingegliedert werden sollen“, äußerte sich der Laienverteidiger K. zum Urteil. Dass solcherlei Urteile die Begeisterung für Hierarchien und den Rechtsstaat zu steigern vermochten, bezweifelte M.s Rechtsbeistand stark.
Hintergrundinfos unter:
castorblockadedalle.wordpress.com
Mehr Infos und Tipps zur offensiven Prozessführung:
Mehr Infos zum Laienverteidiger_innen Netzwerk:
gegenseitige Verteidigung auf Augenhöhe
Um nicht allein auf der Anklagebank zu sitzen, können Beschuldigte auch nichtstudierte Verteidiger_innen (Laienverteidiger_innen) hinzuziehen. Dieses ist nach der Strafprozessordnung (§ 138 II StPO) möglich, kann aber von Richter_innen abgelehnt werden
Um u.a. den Wissensaustausch zu fördern und um der Vereinzelung entgegen zu wirken, gründete sich im Mai 2011 das Laienverteidiger_innen Netzwerk, in dem gegenseitige Hilfe von Aktivist_innen organisiert wird. Z.B. Verteidigung vor Gericht, Weitergabe von Wissen in Form von Prozesstrainings, Workshops, Broschüren, ...
Trainings und Fortbildung Prozesstrainings - die Grundlage zur Selbstermächtigung:
Wer Interesse an Prozesstrainings hat, kann Trainer_innen einladen. Solche Trainings finden in der Regel im ZUsammenhang mit bevorstehenden Prozessen statt oder werden von Basisakteur_innen aus Interesse organisiert. Über das Laienverteidiger_innen Netzwerk können Trainer_innen angefragt werden
Durch das Netzwerk können auch Laienverteidiger_innen für Angeklagte vermittelt werden, Allerdings unterscheidet sich das Netzwerk nicht nur Inhaltlich von einer herkömmlichen Anwaltskanzlei Vorraussetzung für die Verteidigung durch Laienverteidiger_inen ist auch immer die eigene Einarbeitung, Handlungsfähigkeit und Aktivität der/des Betroffenen. Die Angeklagten, das unterstützenmde Publikum usw., sind die Quellen der Inhaltlichen Vermittlung. Eine/Ein Laienverteidiger_in kann die Handlungsmöglichkeiten erweitern und eigenes Impulse einbringen, aber sollte niemals die Angewklagte in den Hintergrund drängen, wie es beim Anwält_in/Mandant_innen-Verhältnis leider üblich ist. Emanzipation bedeutet die Ermächtigung von Menschen zum selbstständigen Handeln.
KONTAKT UND INFOS FINDEST DU UNTER:
14.-20.6. in der JUP! Bad Oldesloe (Turmstr. 14a): Laienverteidigungs-Netzwerktreffen, Schulung und mehr ++ Flyer
Do, 14.6. ab 10 Uhr bis So 17.6. bis 17 Uhr: Schulung für LaienverteidigerInnen
Sonntag Abend (17.6.): Vortrag zu Revisionsrecht
18. – 20.6.: LaienVerteidigerInnenTreffen