Neokolonialen Landraub und Nahrungsmittelspekulation stoppen. Für Ernährungssouveränität und ein gutes Leben für alle!
17. April, pünktlich ab 16.30 Uhr: 24-stündige Belagerung der Deutschen Bank im Rahmen des Aktionstages des kleinbäuerlichen Widerstands auf dem Bremer Domshof – inklusive großer Versammlung („Asamblea“), Volksküche, Konzert, Theater, Film und vielem mehr. Bitte Stühle, Zelte, Regenschutz, Infomaterialien, eigene kulturelle Beiträge etc. mitbringen.
Kurzaufruf:
Die Situation könnte kaum widersprüchlicher, ja barbarischer sein: Zum einen hungern weltweit knapp eine Milliarde Menschen – und das mit der Konsequenz, dass jährlich über 30 Millionen Menschen an den Folgen von Hunger sterben, viele von ihnen an harmlosesten Krankheiten, weil ihr Körper durch Unter- oder Mangelernährung extrem geschwächt ist. Zum anderen wird rund um den Globus immer mehr fruchtbares Ackerland an Banken, Investmentfonds und Konzerne verkauft („Landgrabbing“), nicht zuletzt um Energiepflanzen für so genannten Biosprit anzubauen. Hinzu kommt, dass bereits seit 2001 immer mehr Fonds auf den Weltfinanzmärkten mit agrarischen Rohstoffen spekulieren – d.h. auf deren Preisentwicklung wetten. Direkte Folge sind regelmäßige Preisexplosionen bei Grundnahrungsmitteln, was seit 2007 über 40 Millionen Menschen zusätzlich in die absolute Armut und somit Hunger abgedrängt hat.
Die Deutsche Bank ist mit 5 Milliarden Dollar weltweit die Nr. 1 in der Spekulation mit Nahrungsmitteln! Zudem ist sie über ihren DWS-Fonds mit ca. 250 Millionen Dollar an zahlreichen Landraub-Geschäften vor allem in Asien und Lateinamerika beteiligt. Das ist der Grund, weshalb wir die Deutsche Bank in Bremen am 17. April (anlässlich eines weltweiten Aktionstags der Kleinbauern-Organisation Via Campesina) 24 Stunden offensiv belagern und so den bereits von anderen Organisationen wie foodwatch oder attac ausgeübten Druck einmal mehr erhöhen möchten. Geplant ist eine Art öffentliches Tribunal, bei dem natürlich auch andere am Geschäft mit dem Acker beteiligte Akteure aus der Finanzbranche kritisch beleuchtet werden sollen – wie z.B. die Commerzbank, die Landesbank Baden-Würtemberg, die Deka-Bank der Sparkassen oder die Hypovereinsbank.
Anders als die Spekulation mit Lebensmitteln ist neokolonialer Landraub keineswegs ein neues Phänomen – das zeigt bereits ein kurzer Blick in die Geschichte des Kolonialismus. Neu sind lediglich der Umfang, die beteiligten Fonds und die Ziele. So sollen seit Beginn der Finanzkrise 2008 jedes Jahr ca. 47 Millionen Hektar Land unter den Hammer gekommen sein – was der Größe Schwedens und somit einem Viertel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der EU entspricht. Hintergrund ist ein ständig wachsender Flächenbedarf – insbesondere für Agrosprit, Getreideexporte, Forstwirtschaft und Futtermittel (im Zuge des weltweit steigenden Fleisch- und Milchkonsums). Die Auswirkungen dieser Landgeschäfte sind katastrophal, vor allem in Afrika, wo heute 75 Prozent des weltweiten Landgrabbings stattfindet: So kommt es neben Hunger zu Vertreibungen ganzer Dörfer bzw. zum Durchzugsverbot für Viehhirten und somit zur Zerstörung lokaler (Subsistenz-)Ökonomien bzw. zu Landflucht. Zudem führt die agrarindustrielle Bearbeitung des geraubten Landes zu massiven ökologischen Schäden: Unter anderem zur Beschleunigung des Klimawandels, zu Biodiversitätsverlusten und zur Senkung der Fluß- und Grundwasserspiegel („Wasserraub“).
Hunger bzw. die Zerschlagung kleinbäuerlicher Existenzgrundlagen hat vielfältige Ursachen, die Beendigung von Landraub und Lebensmittelspekulation ist daher nur der erste Schritt. Grundsätzlich möchten wir mit unserer Aktion das von Via Campesina seit 1996 schrittweise entwickelte Konzept der Ernährungssouveränität als programmatischen Gegenentwurf zum neokolonialen Landraub unterstützen. Denn Ernährungssouveränität zielt auf ein Ernährungssystem, in dessen Zentrum nicht Konzerninteressen, sondern der ungehinderte Zugang zu Land, Wasser und Saatgut für kleinbäuerliche Produzent_innen steht. Es geht also um die Verteidigung kleinbäuerlicher und somit klimaschonender Landwirtschaft (bzw. die Umstellung darauf) sowie die Dezentralisierung der Lebensmittelversorgung mit kurzen Versorgungsketten zwischen Produktion und Verbrauch.
Schließlich: Auch wenn wir am 17. April Landraub und Lebensmittelspekulation ins Zentrum unserer Belagerung rücken, sehen wir zahlreiche Verbindungslinien zu den aktuell in Europa geführten Kämpfen gegen Schuldendiktate, Sparprogramme und Entdemokratisierung. Insofern möchten wir uns im Laufe der Aktion auch darüber austauschen, was wir von den Organisations- bzw. Kampferfahrungen bäuerlicher und anderer Bewegungen im Süden lernen können – nicht zuletzt mit Blick auf die vom 16. bis 19. Mai in Frankfurt geplanten Bankenblockaden (http://blockupy-frankfurt.org/).
Informationen zur Belagerung:
Die Zentrale der Deutschen Bank in Bremen liegt am Domshof – inklusive Nebeneingang von der Domshof-Passage aus. Die Öffnungszeiten sind zwar von 9.30 bis 18.00 Uhr, dennoch wäre pünktliches Erscheinen um 16.30 Uhr ausgesprochen hilfreich! Die Aktion ist nicht angemeldet, einfach weil eine offensive Belagerung vom Versammlungsrecht nicht vorgesehen ist. Insofern wissen wir auch nicht, ob wir die Aktion wie geplant umsetzen können. Klar ist jedoch zweierlei: Einerseits, dass wir gekommen sind, um 24 Stunden zu bleiben, andererseits, dass wir von uns aus keine Auseinandersetzung mit der Polizei oder Angestellten bzw. Kund_innen der Deutschen Bank suchen werden (was auch der Grund ist, weshalb es uns nicht um eine Blockade des Gebäudes geht). Im Zentrum unser Aktion steht vielmehr eine unmissverständliche Botschaft: Zugang zu bzw. Herstellung von Nahrungsmitteln ist ein unhintergehbares Menschrecht. Wer es in Frage stellt oder verletzt, muss jederzeit mit entschiedenem Widerstand rechnen – im Süden des Globus sowieso, zunehmend aber auch im Norden!
Aufrufende und weitere Informationen:
Die Aktion wird von Aktivist_nnen aus dem transnationalen Netzwerk Afrique-Europe-Interact zusammen mit zahlreichen Gruppen und Einzelpersonen aus Bremen vorbereitet. Erwähnt sei daher auch, dass das aus migrationspolitischen Kämpfen hervorgegangene Netzwerk Afrique-Europe-Interact schon seit längerem eine Kooperation mit kleinbäuerlichen Gruppen in Mali aufbaut, worüber während der Belagerung ebenfalls berichtet werden soll.
Weitere Informationen zu Landgrabbing und Lebensmittelspekulation genauso wie zur Aktion finden sich auf unserer Webseite:
Kleinbauerntum?
Und welchen Beitrag leistet das von euch favorisierte Kleinbauerntum zum Welthunger?