Linksautonome lehnen den Staat, seine Institutionen und Repräsentanten kategorisch ab. Entstanden aus den militanten Teilen der Anti-AKW- und Hausbesetzerszene, wollen sie die bestehenden Verhältnisse auf revolutionärem Wege überwinden. Linksautonom zu sein ist zudem Lebensgefühl und Lebensstilexperiment, das auch gewaltsam ausgelebt wird. In der Öffentlichkeit werden Linksautonome deshalb vor allem über ihre hohe Gewaltbereitschaft wahrgenommen.
Inhalt
- Pippi Langstrumpf
- Politik der 1. Person
- Negation als Programm
- Organisierung der Unorganisierbaren
- Militanz als Selbstzweck
- Ausblick
- Fußnoten
Pippi Langstrumpf
Pippi Langstrumpf bei den Linksautonomen
Pippi Langstrumpf – für Linksautonome eine Schwester im Geiste.
Quelle: Indymedia.
Pippi Langstrumpf ist ein selbstbewusstes rothaariges Mädchen, das so lebt, wie es ihr gefällt. Sie wohnt allein mit ihrem Pferd und einem kleinen Affen in einem großen Haus namens Villa Kunterbunt und kann tun und lassen, was sie möchte. Regeln existieren nicht für sie, zur Schule geht sie schon gar nicht. Die Staatsmacht, verkörpert durch zwei Dorfpolizisten, kann ihr nichts anhaben; im Gegenteil, Pippi macht sie lächerlich, wo sie nur kann.
Der Autor Udo Baron Dr. phil., Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Hannover.
Was hat nun ausgerechnet dieses kleine Mädchen mit den Linksautonomen gemein? Mehr als ihre Erfinderin, die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, sich jemals hätte träumen lassen. Mit ihrer Lebensweise entspricht Pippi Langstrumpf linksautonomen Vorstellungen von einem selbstbestimmten Leben ohne Regeln, ohne Staat und ohne Hierarchien. Nicht von ungefähr schmückt ihr Konterfei zahlreiche Selbstzeugnisse der linksautonomen Szene.[1]
Politik der 1. Person
Dass die Linksautonomen Pippi Langstrumpf mit einem Augenzwinkern als eine ihrer Schwestern im Geiste betrachten, unterstreicht bereits ihre Selbstbezeichnung. Etymologisch setzt sich der Begriff "Autonome" aus den griechischen Wörtern "auto" (selbst) und "nomos" (Gesetz) zusammen. Wörtlich übersetzt bedeutet er in etwa "diejenigen, die sich ihre eigenen Gesetze geben."[2] Darin wird schon einiges über das autonome Selbstverständnis deutlich: Autonome lehnen den Staat, seine Institutionen und Regeln kategorisch ab. Sie brechen aber nicht nur mit dem Staat, sondern auch mit der bestehenden Gesellschaft und wollen diese durch eine herrschaftsfreie ersetzen.[3] Über eine einheitliche Weltanschauung, gar über eine gesamtgesellschaftliche Utopie, verfügen sie nicht. Ihr Weltbild setzt sich vornehmlich aus kommunistischen und anarchistischen Ideologieelementen zusammen. Theoriedebatten spielen nur eine untergeordnete Rolle; ideologische Schulungen, wie sie die revolutionären Marxisten betreiben, lehnen die Autonomen ab. Was sie verbindet, ist ein gemeinsames Lebensgefühl, geprägt von einem tiefsitzenden Hass sowohl auf den Staat, seine Institutionen und Repräsentanten als auch auf die angeblich mit diesen verbündeten Rechtsextremisten und ein davon abgeleitetes Bestreben, die bestehende Ordnung zu überwinden.
Generell ist die autonome Szene sehr heterogen. An Stelle des Kollektivs steht für sie das Individuum im Vordergrund. Im Sinne einer "Politik der ersten Person" kämpfen Autonome deshalb "nicht für Ideologien, nicht fürs Proletariat, nicht fürs Volk", sondern für sich selbst.[4] Zugleich verstehen sie sich als Avantgarde und zählen sich zu denjenigen, die angeblich erkannt haben, wie die Welt funktioniert. Obwohl eine kleine Minderheit, sind sie aus diesem elitären Gefühl heraus, ebenso wie andere Extremisten, nicht bereit, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren. Vielmehr versuchen sie der Mehrheitsgesellschaft mit allen Mitteln ihre Sicht der Dinge zu oktroyieren.[5] Autonom zu sein ist für sie ein Lebensstilexperiment. Autonomes Leben und Handeln unterliegt dabei einer intern streng kontrollierten political correctness – von der Sprache über die Kleidung und den Musikgeschmack bis hin zu Gestik und persönlichen Kontakten. Verstöße gegen diese selbstauferlegte "Schere im Kopf" können mit der Nötigung zu gruppeninterner Selbstkritik bis hin zum Ausschluss aus der Gruppe geahndet werden, vor allem, wenn sie das Geschlechterverhältnis betreffen.
Über die Sozialisation von Autonomen lässt sich dagegen nur wenig sagen. Empirische Materialien zur Frage nach Herkunft und Motivation fehlen weitgehend. Hier offenbart sich ein Hauptproblem der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Linksextremismus im Allgemeinen und den Autonomen im Besonderen: Es fehlt bis heute eine ausreichende empirische Basis. Umfangreiche Forschungsstudien, vergleichbar etwa mit denen zum Rechtsextremismus,[6] die Fragen nach der Sozialisation, nach den Motiven für autonomes Handeln und nach den Ein- und Ausstiegsprozessen nachgehen, sind noch nicht geschrieben worden. Somit bleiben bisweilen oftmals nur die "gefühlten" Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern. Ihnen zur Folge sind die Anhänger der Autonomen etwa zwischen 15 und 30 Jahre alt. Über autonome Jugendorganisationen wie beispielsweise der Jugend-Antifa Göttingen werden anpolitisierte Schüler im Alter ab etwa 14 Jahren bereits in der Schule zur Mitarbeit in Antifa-Gruppierungen motiviert.[7] An den Hochschulen werben autonome Gruppierungen mit Einsteigerabenden um Erstsemester und versuchen diese schon mit Beginn ihres Studiums zu rekrutieren. Neben Schülern und Studierenden gehören Auszubildende ebenso wie Jobber sowie Arbeitslose und Hartz IV- bzw. Sozialhilfeempfänger zu den Zielgruppen. Die Verweildauer in der autonomen Szene ist für viele junge Menschen aber lediglich eine Lebensabschnittsphase und somit oftmals nur von geringer Dauer. Im Alter zwischen 25 und 30 Jahre lösen sich die meisten wieder aus dem autonomen Milieu. Alt-Autonome bilden somit zwar eher die Ausnahme, sie spielen aber aufgrund ihrer Erfahrungen eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Szene und können diese aus dem Hintergrund steuern.[8]
Negation als Programm
Das politische Selbstverständnis von Autonomen zeichnet sich durch eine radikale Verneinung des Bestehenden aus und ist in erster Linie von Anti-Einstellungen geprägt. Sie verstehen sich vor allem als antifaschistisch, antikapitalistisch, antirassistisch, antimilitaristisch und antirepressiv. Der Kampf gegen (vermeintliche) staatliche Repression, gegen einen ihrer Meinung nach staatlich verordneten Militarismus, gegen eine "neoliberale Globalisierung", gegen die Umgestaltung von Wohnvierteln ("Gentrifizierung") und für selbst verwaltete Freiräume sowie gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie bilden daher die wichtigsten Themenfelder. Damit greifen sie Bereiche auf, bei denen sie sich im Einklang mit der Mehrheitsgesellschaft wähnen und bis weit ins bürgerliche Lager auf Verständnis auch für militante Aktionen setzen können.[9] Das gibt ihnen die Möglichkeit, sich in "soziale Bewegungen und Selbstorganisationsprozesse der Bevölkerung ein[zu]bringen […], um sie zu radikalisieren und damit die Risse und Widersprüche innerhalb der kapitalistischen Totalität zu vertiefen – bis zum offenen Klassenkampf."[10] Diese Aussage verdeutlicht zugleich, dass es den Autonomen bei ihren Bemühungen nicht um die Beseitigung von Missständen und somit um systemimmanente Reformen, sondern um die (revolutionäre) Überwindung der bestehenden Gesellschaftsordnung geht.
Spielte der Antifaschismus bis Ende der 1980er-Jahre eher eine untergeordnete Rolle, so bildete er sich als "organisierte Antifa"[11] vor dem Hintergrund der deutschen Einheit und eines von vielen Autonomen behaupteten neuen "großdeutschen" Nationalismus in den 1990er-Jahren zum zentralen autonomen Agitationsfeld.
Einher ging diese Entwicklung mit einem Zerwürfnis innerhalb der autonomen Szene. Aus Sorge vor einem "IV. Reich" und einen davon ausgehenden neuerlichen Holocaust an seinen jüdischen Mitbürgern bildete sich eine als "antideutsch" bzw. als "antinational" verstehende Strömung heraus. Diese meinte einen dem deutschen Volk immanenten und nicht zu überwindenden Antisemitismus ausgemacht zu haben. Aus diesem Grunde reichte ihnen die orthodox-kommunistische Erklärung, dass NS-Regime sei eine Diktatur im Dienste der aggressivsten Teile des Kapitalismus, nicht aus, weil sie den Antisemitismus des Nationalsozialismus ausblendete. Unter der Parole "Nie wieder Deutschland" bekämpften sie als Bündnis "Radikale Linke" eine deutsche Wiedervereinigung und forderten die Auflösung des deutschen Staates und das Aufgehen des deutschen Volkes in einer multikulturellen Gesellschaft.[12]
Mit dem Beginn des 2. Golfkrieges Anfang 1991 überwarfen sich die "Antideutschen"/"Antinationalen" über die Haltung zum Staat Israel und seiner Schutzmacht, den USA, mit den sich mehrheitlich als "antiimperialistisch" verstehenden Autonomen. Während die "Antiimps" sich in dieser Auseinandersetzung vorbehaltlos mit den "antiimperialistischen Befreiungsbewegungen", die ein sozialistisches Regime in ihren jeweiligen Ländern anstrebten, solidarisierten, befürworteten die "Antideutschen"/"Antinationalen" militärische Aktionen der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak aus einer pro-israelischen Haltung heraus und machten von nun an verstärkt durch Antisemitismusvorwürfe gegen rivalisierende linksextremistische Gruppierungen von sich reden. Unter dem Eindruck des Afghanistan- und des 3. Golfkrieges befürworteten dann die sich 1999 von den "Antinationalen" abgespaltenen "Antideutschen"[13] nicht nur die Existenz von Armeen, sondern auch militärische Aktionen der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak. Den herkömmlichen "Antiimperialismus" der autonomen Szene lehnten sie aufgrund seiner antizionistischen bzw. antisemitischen Ausrichtung ab.[14]
Allen sonstigen Gegensätzen zum Trotz verbindet die unterschiedliche Strömungen innerhalb des autonomen Spektrums aber weiterhin der Antifaschismus und der damit einhergehende Kampf gegen alles als "Rechts" Verdächtige. Unter Rückgriff auf die von Georgi Dimitroff im August 1935 auf dem VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale in Moskau aufgestellte These, wonach der Faschismus "die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals"[15] sei, gilt dieser als dem Kapitalismus immanent. Faschismus kann aus diesem Grunde dem autonomen Verständnis nach nur dann erfolgreich bekämpft werden, wenn zugleich auch seine Ursache, der Kapitalismus, beseitigt wird. Konsequenter Antifaschismus zielt daher für Autonome immer auf die zu überwindende kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und die sie stützenden Institutionen und Repräsentanten, zu denen gemäß der stalinistischen Sozialfaschismusthese auch linksliberale Kräfte wie die SPD zählen. In ihren eigenen Worten klingt das folgendermaßen: "Faschismus ist eliminatorischer Fressneid und beruht auf den ungerecht gestalteten ökonomischen Verhältnissen, weshalb unser Eintreten gegen Nazis mit dem Kampf gegen Kapitalismus untrennbar verbunden ist."[16] Einfacher gesagt: "Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem imperialistischen System."[17]
Eine Form der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ist seine systematische Ausspähung. Der politische Gegner, seine Lebensumstände, Gewohnheiten und Aktivitäten sollen ebenso ermittelt werden wie seine Wohnanschrift und sein Arbeitgeber. Im Rahmen von "Outingaktionen" werden die dabei gewonnenen Erkenntnisse vor allem über das Internet mit dem Ziel öffentlich gemacht, den Betroffenen maximal zu schädigen. Hinzu kommen klandestine Aktionen, die über gezielte physische Übergriffe auf den politischen Gegner und Sachbeschädigungen öffentlich wahrgenommen werden.[18]
Eint die linksautonome Szene der Kampf gegen alles, was sie als rechtsextremistisch verdächtigt, so spaltet sie immer wieder die Auseinandersetzung um Geschlechterfragen und Sexualität. Im Fokus des Konflikts steht dabei der männliche Linksautonome und sein Umgang mit dem weiblichen Geschlecht. Formal interpretieren Linksautonome beiderlei Geschlechts die Geschlechterrollen ganz im marxistische Sinne als Ausdruck patriarchalischer Verhältnisse, die wiederum ihre Wurzeln in den kapitalistischen Produktionsbedingungen haben. Aus diesem Grunde bildet ihrem Verständnis nach in der kapitalistischen Gesellschaft die bürgerliche Kleinfamilie die Grundlage des bürgerlichen Patriarchats und weist Männern und Frauen bestimmte Rollen zu: Während der Mann mehrwertschaffende Arbeiten in den Fabriken verrichtet, umsorgt die Frau ihren Mann, bekommt Kinder und kümmert sich um deren Versorgung. Ist der Mann für die Produktion zuständig, so ist es die Frau für die Reproduktion.
Autonome führen deshalb einen "antipatriarchalischen und antisexistischen Kampf", bei dem es darum geht "klassische patriarchale Verhaltensmuster zu erkennen und sie entsprechend zu verändern" mit dem Ziel, alle patriarchalischen Strukturen zu zerschlagen.[19] In einem ersten Schritt sollen die männlichen Geschlechtsgenossen mit ihrem patriarchalen Verhalten konfrontiert werden. Dadurch sollen sie klassische patriarchale Verhaltensmuster erkennen und sich ändern, um dann antisexistische Standards zu entwickeln, die sie schließlich zu Verbündeten im antisexistischen Kampf machen. Männlichen Linksautonomen will man so eine antipatriarchalische und antisexistische Lebenseinstellung oktroyieren.
Soweit die Theorie. In der Praxis wird dagegen szeneintern ein "allgemeiner antifeministischer Backlash" beklagt. Dieser beginnt mit dem mangelhaften Interesse vor allem männlicher Linksautonomer an diesen Themen und setzt sich fort mit der Weigerung des "Gros der autonomen Bewegung", sich "mit den Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt auseinander zu setzen."[20] Diese zumeist männlichen Einstellungsmuster, vor allem aber das oftmals machohafte Auftreten männlicher Linksautonomer führt zu den immer wiederkehrenden "Sexismusdebatten", die zumeist damit enden, dass der Betroffene vor die Alternative gestellt wird, sich therapieren zu lassen oder die Gruppe zu verlassen.
Organisierung der Unorganisierbaren
Die linksautonome Szene ist nicht homogen, sondern zerfällt in diverse zumeist lose organisierte Gruppierungen ohne einheitliches ideologisches Konzept. Parteiähnliche Strukturen und Führungspersönlichkeiten lehnen Autonome formell ab: "Etliche sehen sich durchaus als Revolutionäre, Anarchisten, Sozialisten. Aber eine Partei mit Programm und Sekretär lehnen nahezu alle ab, denn im Gegensatz zu den K-Gruppen ist für uns vor allem wichtig, dass wir uns in kollektiven und sozialen Strukturen bewegen."[21] Sie organisieren sich überwiegend über Kleingruppen, die durch persönliche Kontakte bzw. projekt-, aktions- oder themenbezogene Zusammenhänge zustande gekommen sind. Viele von ihnen gleichen eher "losen Cliquen" ohne formale Strukturen wie Satzungen, Mitgliederverzeichnisse und Geschäftsordnungen.[22]
Ihrer Heterogenität ist es geschuldet, dass viele dieser Gruppen nur kurzzeitig existieren. Sowohl unterschiedliche ideologische Ausrichtungen als auch persönliche Differenzen und Animositäten führen oftmals dazu, dass Zusammenschlüsse sich so schnell wieder auflösen, wie sie entstanden sind. Häufig gehen sie in anderen Gruppierungen auf oder benennen sich um.[23] "Aus Freundeskreisen werden mehr oder weniger kurzlebige Banden oder bei Bedarf aktivierbare Aktionsgruppen; aus Demo-Bekanntschaften ergeben sich spontan handlungsfähige und wieder zerfallende Chaoten-Combos; aus politischen Plena entwickeln sich dauerhafte Gruppen, die auch zur Tat schreiten, in wechselnden und sich auch überschneidenden Zusammensetzungen agieren Gruppen manchmal nur ein einziges Mal, manchmal über Jahre, einige verfestigen sich, andere bleiben lose, manche wandeln sich in Theoriezirkel oder Selbsthilfegruppen", heißt es hierzu leicht romantisierend in einer ihrer Verlautbarungen.[24]
Dennoch sind zumindest Teile von ihnen zunehmend willens und in der Lage, für konkrete Projekte Gruppenstrukturen und Netzwerke aufzubauen sowie organisatorische Arbeit zu leisten. So versuchten Autonome bereits zwischen 1992 und 2001, sich mit der Antifaschistischen Aktion/Bundesweiten Organisation (AABO) eine bundesweite Struktur mit dem Ziel zu geben, "einheitliche programmatische Standpunkte", eine "konkrete Utopie" und eine "Strategie zur Überwindung des kapitalistischen Systems" zu entwickeln.[25] Auch wenn dieses Vorhaben scheiterte, bedeutete es nicht das Aus für weitere Bemühungen auf diesem Gebiet. Seit geraumer Zeit finden beispielsweise in Berlin als auch in einigen anderen Städten mehr oder weniger regelmäßige sogenannte Autonome Vollversammlungen (AVV) statt. Sie richten sich an Gruppierungen und Einzelpersonen und dienen dem Austausch untereinander als auch der Vernetzung und Vorbereitung von Aktionen.[26] Als Treffpunkte fungieren insbesondere Gaststätten und Jugendzentren. Sie bieten Raum für gruppenübergreifende Veranstaltungen und Diskussionen und wirken so auch identitätsstiftend. Ihre kulturelle Seite dient zudem dazu, Aktivisten an die Bewegung zu binden, neue Anhänger zu mobilisieren und über Veranstaltungen wie beispielsweise Solidaritätskonzerte Kampagnen zu finanzieren. Als Kommunikationsmedien fungieren seit den 1980er-Jahren vor allem szeneinterne Zeitschriften wie "Interim" oder "radikal" bzw. Websites wie www.indymedia.org. Sie informieren über geplante und durchgeführte Organisationen, bieten Diskussionsforen und liefern auch schon mal Anleitungen, beispielsweise zum Bau von Brandsätzen.[27]
Dass die autonome Szene nicht statisch, sondern ständig "in Bewegung" und somit Veränderungen unterworfen ist, wie es in einer ihrer Selbstdarstellungen zutreffend heißt,[28] belegt die Entwicklung der Gruppe "Avanti – Projekt undogmatische Linke". Avanti entstand "aus einer Kritik an der Unverbindlichkeit, der mangelnden Kontinuität und fehlenden gesellschaftlichen Verankerung der damaligen Autonomen" im Oktober 1989 als Zusammenschluss der Autonomen Gruppe Kiel mit dem Lübecker Arbeitskreis antiimperialistischer Widerstand (AKAW).[29] Begonnen als Linksautonome, hat Avanti in den letzten Jahren die szenetypischen Verhaltensmuster wie Unverbindlichkeit und Organisationsfeindlichkeit weitgehend abgelegt, ohne zugleich die zentralistisch-hierarchische Organisationsform kommunistischer Gruppierungen dadurch zu übernehmen.[30] Während große Teile ihrer theoretischen Basis revolutionär-marxistischem Gedankengut entnommen sind, praktiziert sie in der politischen Arbeit eine breite Palette differenzierter Vorgehensweisen. Avanti sucht die Kooperation nicht nur mit dem autonomen Spektrum, sondern ausdrücklich auch mit nicht-extremistischen Kräften. So organisiert sie sich in städtischen Ortsgruppen; mittlerweile existieren vier in Schleswig-Holstein (Flensburg, Kiel, Lübeck, Norderstedt) und je eine in Bremen, Hamburg, Berlin und Niedersachsen (Hannover).[31] Zugleich ist Avanti Teil der Interventionistischen Linken (IL), einem bundesweiten Zusammenschluss von Einzelpersonen und Gruppen aus der undogmatischen und linksautonomen Szene. Die IL betrachtet sich als maßgeblichen Teil einer organisierten linksradikalen Strömung, die sich durch "Intervention in praktische Kämpfe fortentwickeln" will[32] und auf eine "bundesweite Organisierung der undogmatischen linksradikalen Strömung abzielt."[33]
Erklärtes Ziel von Avanti ist die revolutionäre Überwindung der bestehenden Ordnung: "Unsere Überzeugung war und ist, dass die heutige Gesellschaft revolutionär verändert werden muss und dass die hierfür notwendige gesellschaftliche Gegenmacht nicht allein aus spontanen Bewegungen bestehen kann, sondern die Beteiligung revolutionärer Organisationen braucht." Zur Frage einer strategischen Anwendung gewaltsamer Aktionsformen bezieht Avanti klar Stellung: "Unsere Utopie ist die einer gewalt- und herrschaftsfreien Gesellschaft. Dennoch haben Revolutionärinnen immer wieder zum Mittel der Gewalt gegriffen."[34]
Militanz als Selbstzweck
Diese Aussagen lassen ein Grundprinzip linksautonomen Handelns erkennen: ein hohes Maß an Gewaltbereitschaft. Auch wenn nicht alle von ihnen selber Gewalt ausüben, so befürworten sie in der Regel dennoch den Einsatz von Gewalt. Als Militanter gilt daher nicht nur der aktiv Handelnde, sondern auch derjenige, der Gewalt billigend in Kauf nimmt bzw. mit gewaltsamen Aktionen sympathisiert.[35] Die linksautonome Gewaltbereitschaft basiert auf einem klaren Feindbild, zu dessen tragenden Säulen der Staat und die ihn nach linksautonomer Auffassung stützenden Rechtsextremisten zählen. Ihrem Verständnis nach bedingen Staat und Rechtsextremisten sich gegenseitig. Linksautonome zielen deshalb mit ihren sogenannten antifaschistischen Aktivitäten zugleich immer auch auf den Staat. Ihn wollen sie nicht reformieren, sondern auf revolutionärem Wege überwinden und durch eine "herrschaftsfreie Gesellschaft" ersetzen.[36]
Um dieses Ziel zu erreichen, halten sie alle Widerstandsformen bis hin zum Einsatz von Gewalt für notwendig. Politisch motivierte Gewalt dient ihnen als "Geburtshelfer einer neuen Gesellschaft", denn um die herrschaftsfreie Gesellschaft zu errichten, muss zuvor der Staat als Garant der bisherigen Ordnung radikal beseitigt werden.[37] Gewalt wird zudem als "Selbstbefreiung von verinnerlichten Herrschafts- und Gewaltverhältnissen" aufgefasst[38] und gehört somit zu den tragenden Säulen linksautonomen Selbstverständnisses. So heißt es in einem ihrer Statements: "Die Anwendung von Gewalt/revolutionärer Gewalt halten wir unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur für legitim, sondern auch für unverzichtbar. Wir werden uns nicht an den vom Staat vorgeschriebenen legalen Rahmen von Protest und Widerstand halten. Denn damit wären wir auch kontrollier-, berechen-, und beherrschbar. […] Also – eine Absage an Gewalt wird es von uns nicht geben – nicht heute und auch nicht in Zukunft!!!!!"[39]
Bereits ein Blick in die Historie der Linksautonomen lässt erkennen, welch hohen Stellenwert die Anwendung von Gewalt für ihr Selbstverständnis hatte und hat. In Anlehnung an die militante italienische Arbeiter- und Studentenbewegung "Autonomia Operaia", welche unabhängig von parteilichen oder gewerkschaftlichen Bindungen Sabotageakte in Fabriken verübte und die gewaltsame Auseinandersetzung mit dem Staat suchte,[40] bildeten sich ab Mitte der 1970er-Jahre auch in der Bundesrepublik in "bewusste[r] Abgrenzung zur Politik der damaligen Linken"[41] linksautonome Gruppierungen. Diese insbesondere aus den militanten Teilen der Anti-AKW-Bewegung und der Hausbesetzerszene stammenden Linksautonomen entwickelten sich seit Anfang der 1980er-Jahre zu einer eigenständigen Subkultur.[42]
Krawalle in Bremen 1980
Während der Demonstration gegen den großen Zapfenstreich im Bremer Weserstadion am 6. Mai 1980 entzünden Linksautonome Dienstwagen der Bundeswehr und der Polizei.
Foto: Peter Meier-Hüsing; Quelle: Radio Bremen.
Über den Einsatz von Gewalt erlebte die autonome Bewegung auch ihre mediale Geburtsstunde: Am 6. Mai 1980 blockierten mehr als 10.000 Linksautonome das Bremer Weserstadion, in dem zu diesem Zeitpunkt der damalige Bundespräsident Karl Carstens eine öffentliche Vereidigung von Rekruten der Bundeswehr vornahm. Zahlreiche Bundeswehrfahrzeuge gingen in Flammen auf, ganze Straßenzüge wurden verwüstet.[43]
Mitte der 1980er-Jahre entwickelten sich zunehmend militante Kerne aus den autonomen Gruppierungen und begannen sich zu spezialisieren. Es kam zur Annäherung zwischen den gewaltbereiten Linksautonomen und den terroristischen Revolutionären Zellen (RZ) bzw. ihrem radikalfeministischen Flügel, der Roten Zora. Gemeinsam versuchten sie, das linksautonome Spektrum durch eine "Propaganda der Tat", das heißt mittels militanter Interventionen, zu radikalisieren. RZ und Rote Zora lieferten den Linksautonomen konkrete Handlungsanleitungen für ihre Taten und wurden "so was wie ein Lehrer der militanten Autonomen in Sachen Technik des militanten Angriffs" und somit wegweisend für die gewaltbereite linksautonome Szene.[44]
So neu, wie es zunächst erscheint, war diese Annäherung zwischen Autonomen und Terroristen nicht. Bereits "zwischen den linksradikalen Gruppierungen im Umfeld der Spontiszene in den 70er Jahren und den Stadtguerillagruppen 'RAF', 'Bewegung 2. Juni' und 'Revolutionäre Zellen/Rote Zora' existierte immer ein enges, wenn auch nicht widerspruchfreies Verhältnis."[45] Trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung war das Jahr 1986, wo es nach eigener Aussage zu 60 Sprengstoffanschlägen, mehr als 250 Brandanschlägen und 150 Angriffen auf Hochspannungsmasten mit einer Schadenssumme im zweistelligen Millionenbereich kam.[46]
Um die von Linksautonomen ausgehende Gewalt richtig einordnen zu können, muss man sich ihren Gewaltbegriff vergegenwärtigen. In Anlehnung an den Philosophen und Sozialwissenschaftler Herbert Marcuse und den norwegischen Friedensforscher Johann Galtung liegt die Ursache für Gewalt in den "kapitalistischen Produktionsverhältnissen". Diese üben keine physische, sondern eine auf gesellschaftlichen Strukturen wie Werte, Normen, Institutionen und Machtverhältnissen basierende "strukturelle Gewalt" auf ihre Bürger aus. Diese ist systemimmanent, drückt sich durch Ungleichheit unterschwellig aus und hindert den Einzelnen daran, sich seinen Anlagen und Möglichkeiten entsprechend frei zu entfalten.[47] Da diese "Diktatur der Gewalt" den kapitalistischen Systemen inhärent ist, leiten nicht nur Linksautonome, sondern Linksextremisten im Allgemeinen daraus unter Berufung auf Marcuse ein Naturrecht von "unterdrückten" Minderheiten auf Widerstand ab. Marcuse prägte dafür das Prinzip "Gegengewalt".[48] Es versteht sich ausschließlich als Reaktion auf die vermeintliche "Gewalt des Systems" und somit als ein reaktives und dadurch legitimes Mittel, um die herrschende Gewalt aufzubrechen und Veränderungen herbeizuführen.
Von diesem Gedanken ausgehend wird schon seit Jahren in der linksextremistischen Szene eine Debatte über das Für und Wider von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung der eigenen Interessen geführt. In dieser "Militanzdebatte" geht es aber nicht um ein generelles Ja oder Nein zur Gewalt an sich. Einzig die Legitimität der Anwendung von Gewalt auch gegen Menschen und nicht allein gegen Sachen wird noch ernsthaft diskutiert. Zwar "rechtfertigt die Gewalt eines Systems, das über Leichen geht, jede Form von Widerstand. Es gibt allerdings die stille Übereinkunft der Nichtgefährdung von Unbeteiligten; wir nehmen also nicht den Tod von Menschen in Kauf."[49] Im Gegensatz zu Marxisten-Leninisten, die den Einsatz von Gewalt auch gegen Menschen ausschließlich nach ihrem Nutzen für die eigenen Ziele beurteilen, muss sie dem linksautonomen Verständnis nach politisch für diejenigen vermittelbar sein, die man befreien will. Während weiterhin gezielte Gewalt gegen Menschen somit mehrheitlich abgelehnt wird, werden Polizisten und Rechtsextremisten davon ausdrücklich ausgenommen.[50] Sie gelten als das personifizierte Feindbild eines jeden Linksautonomen, ihnen werden Menschenwürde und Grundrechte pauschal abgesprochen, Gewalt gegen sie gilt als legitim und vermittelbar.
Szenemagazine wie "radikal" oder "Interim" liefern konkrete Anleitungen zur praktischen Umsetzung von Gewalttaten, weshalb sie nahezu regelmäßig von den zuständigen Gerichten beschlagnahmt werden. In diesem Zusammenhang erschien im Frühjahr 2010 in Berlin eine Broschüre namens "Prisma".[51] Unbekannte Verfasser griffen darin die Militanzdebatte erneut auf, plädierten für gezielte militante Aktionen und lieferten handbuchartige Anleitungen, wie sich schwere Straftaten begehen und Spuren vermeiden lassen. So enthält "Prisma" beispielsweise Beiträge über den Bau von Brandsätzen zur Zerstörung von Fahrzeugen, zur Herstellung von Molotowcocktails oder zur Blockade und Sabotage von Bahnstrecken und Straßen.[52]
Ihren Ausdruck findet linksautonome Gewalt in erster Linie in Massenmilitanz, vornehmlich am Rande von Demonstrationen.
Linksautonome
Linksautonome bei einem Demonstrationszug in Hamburg gegen den bevorstehenden G8-Gipfel, 28. Mai 2007.
Foto: Fabian Bimmer; © AP/dapd.
Dort agieren Linksautonome – einheitlich schwarz gekleidet und vermummt, um nicht von der Polizei identifiziert zu werden – vornehmlich aus einem "schwarzen Block" heraus gegen den politischen Gegner und die Repräsentanten des ihnen verhassten Systems. Der "Schwarze Block" dient dabei als "Schutz gegen Übergriffe von Polizei oder Neonazis" und bietet die Möglichkeit, "militant zu agieren." Er symbolisiert zugleich den "militanten, unversöhnlichen Bruch der Autonomen mit dem Gewaltmonopol des Staates."[53] Klandestine Zellen, also konspirativ agierende Kleingruppen, verüben zudem Brandanschläge vor allem auf Luxus- und Firmenfahrzeuge, aber auch gegen öffentliche Einrichtungen wie Polizeireviere, Jobcenter und Behörden.[54]
Ausblick
"Die" Linksautonomen gibt es nicht. Ihr Selbstverständnis ist nicht statisch, sondern "immer veränderlich … und [kann] mit der Zeit ergänzt und abgeändert werden."[55] Insofern war die autonome Szene nie homogen und wird es sicherlich nie sein.
Auch wenn es innerhalb des autonomen Spektrums immer wieder zu Zerwürfnissen und Abspaltungen kommt, insbesondere wenn es um das Verhältnis der Geschlechter geht, so verbinden die gemeinsamen Feindbilder Rechtsextremismus und Staat die unterschiedlichen linksautonomen Ausrichtungen. Der Kampf gegen staatliche Institutionen und Repräsentanten wie auch gegen die angeblich mit diesen verbündeten Rechtsextremisten ist das "Lebenselixier" des linksautonomen Spektrums. Er rechtfertigt die eigene Existenz, legitimiert das eigene Verhalten und die angewendeten Methoden, wodurch er das eigene Handeln mit dem Anschein einer auserwählten Mission umgibt.
Die Hauptgefahr für den demokratischen Rechtsstaat geht in der Auseinandersetzung mit dem autonomen Spektrum aber nicht primär von der ideologischen Agitation als vielmehr von ihrer hohen Gewaltbereitschaft aus. Zwar greift es zu kurz, Linksautonome nur über die von ihnen ausgehende Gewalt definieren zu wollen. Die jüngsten Anschläge auf das Schienennetz der Deutschen Bahn im Großraum Berlin, auf Kraftfahrzeuge und öffentliche Einrichtungen, aber auch die zunehmende Gewalt vor allem gegen Polizisten, unterstreichen jedoch den Stellenwert, den die gewaltsame Lösung von Konflikten bei den Linksautonomen einnimmt. Es bleibt daher abzuwarten, ob diese Entwicklung mit einer weiteren Radikalisierung und somit erhöhten Gewaltbereitschaft einhergeht. Legt man die Entwicklungen zu Beginn des Jahres 2011 zu Grunde, die eine quantitative und qualitative Zunahme linksextremistischer Gewalt attestieren, so muss davon ausgegangen werden, dass die Hemmschwelle zur Gewalt in der linksautonomen Szene weiter sinken könnte bzw. sehr niedrig bleiben wird.
Pippi Langstrumpf dürfte das alles nicht so sonderlich stören. Ihre Schöpferin Astrid Lindgren hat sie nie erwachsen werden lassen. So kann nur spekuliert werden, ob sie jemals eine Linksautonome geworden wäre. Gewalt, das kann man wohl zu Recht annehmen, hätte sie sicherlich nicht als Mittel zur Problemlösung eingesetzt.
Fußnoten
1 Vgl. Bericht Veranstaltung autonome Vernetzung [2.11.2011].
2 Eckart Thurich, pocket politik. Demokratie in Deutschland, Bonn 2006.
3 Perspektiven autonomer Politik, Hg. AK Wantok, Berlin 2011, S. 188. – Hinter AK Wantok verbirgt sich ein Netzwerk von Linksautonomen, die sich alle in den 1990er-Jahren in entsprechenden Zusammenhängen zu engagieren begannen.
4 "Anarchie als Minimalforderung", in: radikal Nr. 97, Aug. 1981, S. 10.
5 Vgl. Klaus Farin, Gefühl und Härte – die Autonomen [2.11.2011].
6 Vgl. insb. die Studien des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer zum Rechtsextremismus.
7 Antifa-Gruppen sind Personenzusammenschlüsse, die sich vorwiegend am linksextremistischen Antifaschismusverständnis orientieren. Im Vordergrund stehen Recherchen über die rechtsextremistische Szene, öffentlichkeitswirksame Aktivitäten und Kampagnen sowie theoretische Diskussionsprozesse innerhalb der Gruppen. Die Antifa-Szene versteht sich aber heutzutage nicht mehr als eine "Ein-Punkt-Bewegung". Da sie zudem dem linksautonomen Spektrum hinsichtlich ihrer ideologischen Grundausrichtung, ihres teilweise subkulturellen Aussehens und ihrer grundsätzlich antistaatlichen, antikapitalistischen und antidemokratischen Einstellung sehr stark ähnelt, werden die Begriffe "Antifa" und "Autonome" hier synonym verwandt.
8 Vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, "Staat. Nation. Kapital. Scheiße." – Einblick in die autonome Bewegung, Wiesbaden 2010, S. 2.
9 Vgl. Harald Bergsdorf/Rudolf van Hüllen, Linksextrem – Deutschlands unterschätzte Gefahr?, Paderborn 2011, S. 64.
10 Grundsätze der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) [7.2.2011].
11 Perspektiven (Anm. 3), S. 198.
12 Rudolf van Hüllen, "Antiimperialistische" und "antideutsche" Strömungen im deutschen Linksextremismus [27.11.2009].
13 Vgl. Carsten Koschmieder, Die Entstehung der "Antideutschen" und die Spaltung der linksradikalen Szene, in: Ulrich Dovermann (Hg.), Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2011, S. 183–200, hier 189. – Der Grund für die Abspaltung war der von der Bundesrepublik unterstützte Kosovokrieg der NATO gegen Serbien. Während die "Antinationalen" neben dem deutschen auch den serbischen Nationalismus ablehnten, solidarisierten sich die "Antideutschen" mit den Serben als früheren Opfern des Nationalsozialismus.
14 Rudolf van Hüllen, "Antiimperialistische" und "antideutsche" Strömungen im deutschen Linksextremismus [27.11.2009].
15 Georgi Dimitroff, Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus, in: ders., Gegen Faschismus und Krieg. Ausgewählte Reden und Schriften, Leipzig 1982, S. 49–136, hier 52.
16 Grundsätze der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) [7.2.2011].
17 Perspektiven (Anm. 3), S. 195.
18 Vgl. Udo Baron, Die linksautonome Szene, in: Dovermann (Anm. 13), S. 231–245, hier 237.
19 Perspektiven (Anm. 3), S. 126.
20 Ebd., S. 124.
21 A.G. Grauwacke, Autonome in Bewegung. Aus den ersten 23 Jahren, 3. Aufl., Berlin u.a. 2003, S. 25. – Dieser Band gehört zu den zentralen Publikationen aus dem autonomen Milieu, hg. unter dem Pseudonym "A.G. Grauwacke". Grauwacke ist ein Sandstein und "gebräuchliches Material für Pflastersteine" wie es augenzwinkernd in der Erklärung der Autoren dieses Buches heißt.
22 Vgl. Bergsdorf/van Hüllen (Anm. 9), S. 46.
23 LfV Hessen (Anm. 8), S. 2.
24 Grauwacke (Anm. 21), S. 143.
25 Perspektiven autonomer Politik, Hg. AK Wantok, Berlin 2011, S. 195. Vgl. Harald Bergsdorf/Rudolf van Hüllen, Linksextrem – Deutschlands unterschätzte Gefahr?, Paderborn 2011, S. 60.
26 Vgl. Protokoll der Autonomen Vollversammlung 12/2010 [12.1.2011].
27 Vgl. Marie-Isabel Kane, Das Politikverständnis in linksautonomen Publikationsorganen, in: Dovermann (Anm. 13), S. 247–261, hier 247f.
28 Grauwacke (Anm. 21).
29 Selbstdarstellung von Avanti-Projekt undogmatische Linke, in: UNBEKANNT VERZOGEN. Veranstaltungsreihe zum Semesterbeginn 2011, Hannover 2011, S. 3.
30 Vgl. Avanti Grundsatzpapier [2.11.2011].
31 Vgl. ebd. Vgl. Verfassungsschutzbericht 2010, Hg. Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Integration, Hannover 2011, S. 189ff.
32 Vgl. Senator für Inneres und Sport, Verfassungsschutzbericht 2009, Bremen 2010, S. 37.
33 Selbstdarstellung von Avanti-Projekt (Anm. 29), S. 4.
34 Vgl. Avanti Grundsatzpapier [2.11.2011].
35 Grauwacke (Anm. 21), S. 142.
36 Vgl. Almut Gross/Thomas Schultze, Die Autonomen – Ursprünge, Entwicklung und Profil der autonomen Bewegung, Hamburg 1997, S. 56.
37 Vgl. Bergsdorf/van Hüllen (Anm. 9), S. 34.
38 Matthias Meltzko, Merkmale politisch motivierter Gewalttaten bei militanten autonomen Gruppen, in: Uwe Backes/Eckhard Jesse (Hg.), Jahrbuch für Extremismus & Demokratie 11 (1999), S. 180–199, hier 183f.
39 "Legal, Illegal, Scheißegal!!! Aber lieber wie ein Fisch im Wasser als einsam und vertrocknet am Flußrand", in: Interim, Aug. 1995, S. 12 (Hervorheb. i. Orig.).
40 Vgl. Geronimo, Feuer und Flamme. Zur Geschichte der Autonomen, 6. Auflage, Berlin 2002; Primo Moroni/Nanni Balestrini, Die goldene Horde. Arbeiterautonomie, Jugendrevolte und bewaffneter Kampf in Italien, Berlin 1994, S. 36ff.
41 Perspektiven (Anm. 3), S. 188.
42 Vgl. Gross/Schultze (Anm. 36), S. 9.
43 Grauwacke (Anm. 21), S. 90.
44 Ebd., S. 136.
45 Geronimo (Anm. 40), S. 78.
46 Grauwacke (Anm. 21), S. 144.
47 Johan Galtung, Strukturelle Gewalt. Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung, Reinbek 1982.
48 Herbert Marcuse, Repressive Toleranz, in: Robert Paul Wolff u.a., Kritik der reinen Toleranz, Frankfurt a. M. 1966, S. 127.
49 "Militanz muss vermittelbar sein", Interview mit Autonomen, in: taz, 18.6.2011.
50 Vgl. die Militanzdebatte in den einschlägigen Internetforen der linken Szene wie Indymedia.
51 Prisma steht für "prima radikales info sammelsurium militanter aktionen".
52 Zeitschrift Prisma: "Bau dir deine Bombe", Pressemitteilung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport Nr. 161, 19.8.2010.
53 Perspektiven (Anm. 3), S. 190.
54 Meltzko (Anm. 38), S. 184f.
55 Selbstverständnis der autonomen Gruppierung La Rage [7.3.2011].
pfui pfui Artikel
das tut ja weh beim lesen - so übel ist die Weltverdreherische Schlechtmacherei von autonomen Ideen - da schwadroniert ein Herr Baron von Innenminister von angeblichem Hass - von Eliten und nichtakzeptieren wollen von Mehrheiten... das einzige was man wirklich daraus lesen kann das er weder das Prinziep von autonomie, noch das der hierarchiefreiheit begriffen hat - und insofern hat der "autonme" eben doch eine Weltanschauung und kämpft nicht nur für sich.
Pfui pfui Artikel - oder schöner Einblick in die Polit-Eliten-Welten eines Innenministers mit seinen Polizeiarmeen.
ohje
Da scheint ein Herr Baron mit viel blindem Hass gefüllt zu sein. Selten so ein Schwachsinn gelesen. Würde den Text so gerne Zeile für Zeile auseinandernehmen, hab nur leider derzeit kaum Zeit für sowas. Mal schauen vllt find ich am WE Zeit dafür...
Zu "Bullen" und "Nazis"
"Die Hauptgefahr für den demokratischen Rechtsstaat geht in der Auseinandersetzung mit dem autonomen Spektrum aber nicht primär von der ideologischen Agitation als vielmehr von ihrer hohen Gewaltbereitschaft aus."
Die hohe Gewaltbereitschaft zeigt vor allem eins: "Demokratischer Rechtsstaat" ist eine absurde orwellsche Formulierung für ein undemokratisches und ungerechtes Zwangs-, Manipulations- und Ausbeutungssystem. Die systemische Gewalt erzeugt in jungen Menschen, die selbstbestimmt leben wollen, den Wunsch nach und die Bereitschaft zur Gegengewalt.
Ich bin mit meinen 52 jahren (in Berlin seit 1982) alt genug, die Anfänge und geschichtliche Entwicklung der linksautonomen Bewegung zu kennen. Vieles davon hat der Autor richtig, wenn auch wenig freundlich und eben aus der Perspektive eines Systemverfechters beschrieben. Dabei ist wichtig zu verstehen, was an der Identität als "Autonomer" Resultat von manipulativen Einwirkungen des Staates und der Medien ist.
Das emotional aufgeladene Feindbild "Polizist" und "Nazi" ist zentral im traditionellen linksautonomen Kult. Es kommt aus dem Wunsch, der anonymen systemischen Gewalt ein Gesicht zu geben, jemand zu finden, der "Schuld" ist um 1:1 auf der Strasse mit ihm zu kämpfen zu können Das ist psychologisch verständlich und entspricht abendländisch-jungmännlicher Heldenromantik. Dieses Feindbild wurde von den geheimdienstlichen Begleitern der Bewegung gezielt gefördert und führte zu absurden blutigen Strassenritualen, die letztlich Ausdruck der Ohnmacht gegenüber anonymisierter struktureller Gewalt sind. Im Spiegel der gleichgeschalteten Presse wurden diese Ereignisse richtiggehend gefeiert und vom Staat stets zum Anlass genommen, an der Repressionsschraube zu drehen. Der berühmte Exzess vom 1. Mai 1987 z.B. war gezielt provoziert und vorberetet. Das friedliche Strassenfest wurde aus nichtigem Anlass geräumt, durch Baumassnahmen an der Hochbahn gab es überall "Kampfmaterial" und die Polizei verhielt sich im weiteren weitgehend passiv. Die langandauernde exzessive Randale war aus Systemsicht ein Riesenerfolg. Es gelang, in ängstlichen Bürgerherzen den Wunsch nach staatlich garantierter Sicherheit zu wecken und der linksautonomen Szene ein identitätsstiftendes Ereignis zu spendieren, um sie als Bürgerschreck fest zu etablieren.
Wurde aus der erwachsenen Pippi Langstrumpf eine Autonome? Ich glaube, sie wäre letztlich doch zu autonom, um sich "autonom" zu nenen und Teil eines Kultes zu werden.