M31: It's not enough to be angry! - Fight capitalism 100%

It's not enough to be angry! - Fight capitalism 100%

Aufruf des kommunistischen »…ums Ganze!«-Bündnisses zum internationalen Aktionstag am 31. März 2012. It’s not enough to be angry! – Fight capitalism 100%

Dawn of the [Un]dead

Ein Untoter geht um in Europa – der Untote Neoliberalismus. Mit Ausbruch der Banken- und Finanzkrise schien diese Form des Kapitalismus erledigt. Protestbewegungen, bürgerliches Feuilleton, ja selbst liberale und konservative Wirtschaftsideologen beklagten plötzlich massive Fehlentwicklungen und “Exzesse des Marktes”. Doch die geforderte Kurskorrektur blieb aus. Der Neoliberalismus lebt auf eigentümliche Art und Weise fort. Er ist irgendwie nicht totzukriegen.

 

Mit Volldampf weiter Richtung Abgrund

 

Angesichts des Zusammenbruchs der autoritären staatssozialistischen Regimes schien das neoliberale Programm lange alternativlos. Privatisierung, Liberalisierung, Flexibilisierung, Deregulierung – diese Kampfbegriffe galten bis zum Crash 2007/08 als gesellschaftliche Allheilmittel. Heute will niemand mehr mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Der Glaube, ein “freier Markt” bzw. eine liberalisierte “soziale Marktwirtschaft” könnte noch “Wohlstand für alle” (Erhard) garantieren, ist dahin. Der untote Neoliberalismus macht kein glänzendes Zukunftsversprechen mehr, seinen Horizont schmücken keine “blühenden Landschaften” (Kohl). 

 

Doch wer hoffte, die Blamage des Neoliberalismus münde in eine generelle Kritik kapitalistischer Verwertung und Ausbeutung, wurde enttäuscht. Der Kapitalismus und seine Ideologien erwiesen sich einmal mehr als enorm wandlungsfähig. Die gigantische Aufblähung der globalen Finanzmärkte über die vergangenen Jahrzehnte wurde und wird nicht als Ausdruck einer strukturellen Krise des Weltkapitalismus entziffert. Verantwortlich für die riesigen Kredit- und Schuldenpyramiden, für ihre Instabilität und ihren Crash seien der Profitwahn raffgieriger Manager und die Maßlosigkeit staatlicher “Defizitsünder”. Solche schrillen moralistischen Deutungen überblenden selbst naheliegende sozialpolitische Überlegungen: Ob nicht etwa faktischer Lohnverzicht und die steuerliche Begünstigung höherer Einkommen zur Verschärfung der Krise beigetragen haben. Vollends aus dem Blick gerät die epochale Perspektive auf den Niedergang des “fordistischen” Produktionsbooms nach dem Zweiten Weltkrieg, auf die Erschöpfung seiner Renditen, die wenigstens zeitweise für Vollbeschäftigung und bescheidenen Massenwohlstand gesorgt hatten.

 

Statt den beknackten kapitalistischen Zwang zum Schuldenmachen, zum schuldenfinanzierten Wachstum abzuschütteln, wird behauptet, Staaten und Menschen hätten einfach “über ihre Verhältnisse gelebt” und es sich zu gut gehen lassen. Durch diese ideologische Deutung lassen sich die massiven Folgen der Krise auf die konjunkturschwachen und abhängigen Staaten der europäischen Peripherie und auf Lohnabhängige abwälzen.

 

TINA* vs Occupy

 

Mit dem Crash der neoliberalen Ideologie hat der Kapitalismus zwar seine offizielle Utopie verloren. Doch sein Verwertungszwang besteht weiter. Daher wird nun mit leidenschaftslosem Pragmatismus und unter der alten Parole der “Alternativlosigkeit” wild zusammengewürfelt, was einem so an ökonomischen Rezepten unter die Finger kommt. Der Neoliberalismus existiert in Form verschärfter Sparprogramme und Privatisierungsmaßnahmen fort. Er wird hier und da um eine Schuldenbremse oder einen Rettungsschirm ergänzt. Seine Institutionen, Regeln und Eigentumsverhältnisse werden wie selbstverständlich beibehalten und ausgebaut. Über allem schwebt das Mantra der “Wettbewerbsfähigkeit”: Unternehmen und Standorte sollen sich weiter rastlos auskonkurrieren, bis ans Ende aller Tage.

 

Wo bloß noch vermeintliche Sachzwänge befolgt werden, erübrigen sich die gewohnten parteipolitischen Geschmacksrichtungen von national-chauvinistisch über konservativ, liberal, grün-alternativ und sozialdemokratisch bis staatssozialistisch. In Italien und Griechenland regieren deshalb inzwischen sogenannte “Technokratinnen” und “Spezialistinnen”. Die können krisenpolitische Maßnahmen – in Europa maßgeblich von Deutschland mitbestimmt – ohne Rücksicht auf die nächsten Wahlen durchsetzen, losgelöst von den Legitima­tionsprinzipien selbst der bürgerlichen Demokratie.

Doch die autoritäre Fortsetzung des Immergleichen bleibt nicht unwidersprochen. Gegen die kapitalistischen Zumutungen hat sich vor allem im letzten Jahr einiges an Widerstand geregt. Zum Symbol dafür sind vielerorts die öffentlichen Platzbesetzungen und Zeltstädte geworden, die Assembleas und die Occupy-Bewegung. Aus unterschiedlichsten Grün­den gingen Menschen auf die Straße, die mit dem Zustand ihrer Gesellschaft nicht einverstanden sind. Was diese spontane, mittlerweile wieder etwas abgeschwächte Protestbewegung ausgezeichnete, war ihr internationaler Charakter und ihr Anspruch, die kapitalistische Ordnung als Ganze zu hinterfragen. Problematisch war häufig die Staatsfixiertheit ihrer Forderungen und eine oft moralisierend verkürzte, nationalistisch und verschwörungstheoretisch unterlegte Kapitalismuskritik.

 

The next Episode…

 

Mit einem europäischen Aktionstag am 31. März 2012 – “M31” – wollen wir nun eine neue Phase der Krisenproteste einläuten. Zusammen mit politischen Initiativen in Deutschland und mit Genoss*innen aus anderen europäischen Ländern rufen wir zu zeitgleichen Demos und Aktionen auf. Wir wollen dabei an Kämpfe vor Ort anknüp­fen, und gleichzeitig die nationale Beschränktheit der bisherigen Proteste überwinden. Der Kapitalismus und seine Krisen sind schon global, unser Widerstand muss es noch werden.

 

Gegen die autoritäre Maßnahmenpolitik der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) setzen wir eine emanzipatorische Perspektive: Eine Gesellschaft jenseits der verrückten Sachzwänge kapitalistischer Verwertung, Ausbeutung und Konkurrenz. Der deutsche Krisennationalismus mit seiner Hetze gegen “Pleite-Griechen” und seiner Opferbereitschaft für den Standort gehört auf den Müll. Wir wollen eine Gesellschaft, in der die vielfältigen Bedürfnisse aller im Mittelpunkt stehen. Und wir wollen sie offensiv erstreiten – zusammen mit Lohnabhängigen, Erwerbslosen, Migrant*innen und Menschen in Ausbildung all over Europe. Uns ist klar, dass das einen langen Atem verlangt. M31 endet nicht am 31. März. Wir vernetzen uns für eine langfristige Zusammenarbeit und werden auch in Zukunft gemeinsame Sache machen gegen Staat, Nation und Kapital. Wir rechnen mit vielen Diskussionen und auch Streitpunkten, aber wir wollen politische Differenzen konstruktiv austragen. Der 31. März ist ein Startpunkt für weitere Kämpfe, die wir in Zukunft auch auf europäischer Ebene organisieren werden.

 

Für den 31. März rufen wir zu einer bundesweiten Demonstration in Frankfurt auf. Frankfurt ist Sitz der EZB, hier verhandelt die Troika über Kürzungsprogramme und Reformauflagen. Als europäische Notenbank ist die EZB keine Geschäftsbank wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank. Mit ihren währungspolitischen Befugnissen ist sie ein zentrales Instrument der Euro-Zone zur Sicherung und Steigerung ihrer globalen Wettbewerbsfähigkeit, und damit der Vormachtstellung Europas. Gleichzeitig stützt die EZB die konkrete Maßnahmenpolitik der EU gegen angeschlagene Staaten, z.B. über den Kauf (oder Nichtkauf) von Staatsanleihen, und über die Vergabe (oder Nichtvergabe) von Geldmitteln an Geschäftsbanken. Es geht uns also nicht um Banken-Bashing. Im Zentrum unserer Kritik steht der systemische Charakter anonymer Verwertungszwänge im Kapitalismus, das sinnlose Fortleben eines untoten Regimes.

So let’s shake things up! Wir möchten Unruhe stiften, im befriedeten Zentrum des europäischen Kapitalismus. Wir demonstrieren gegen die Zumutungen der Politik von EU-Kommission, EZB und IWF, gemeinsam und solidarisch mit allen, die in anderen Ländern für eine befreite Gesellschaft kämpfen.

 

Für einen internationalen Antinationalismus! Für den Kommunismus!

 

Demonstration; 31. März | 14 Uhr | Hauptbahnhof Frankfurt am Main.

 


Deutschland fragwürdiger Siegeszug in der europäischen Konkurrenz

 

Deutschland ist als größte europäische Volkswirtschaft selbst Teil der Krisen anderer Länder. Mit faktischem Lohnverzicht bei enormer Produktivität und radikaler Exportorientierung hat Deutschland kapitalistische Wachstumsimpulse in der europäischen Peripherie abgewürgt. Wachstum beruhte dort wesentlich auf hochspekulativen Anlagemodellen, die mit der Krise zusammengebrochen sind. Ohnehin benachteiligt, müssen diese Länder bzw. ihre Unternehmen nun u.a. bei deutschen Banken zu hohen Zinsen Geld leihen. Die Mittel dafür werden den heimischen Lohnabhängigen abgeknöpft und postwendend ins Ausland transferiert. Diese Austeritätspolitik stößt natürlich irgendwann an ihre Grenzen: Wo nichts mehr gedeiht, bricht auch die Nachfrage nach deutschen Exporten ein, und der Euro wird zur Belastung für die Deutschland-AG.

 



*: “TINA” steht für “There Is No Alternative”, “Es gibt keine Alternative” – das Totschlagargument der britischen Premierministerin Thatcher für die neoliberalen Reformen der 1980er Jahre.

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Entgegen des ersten Eindrucks des Aufrufs ist "...ums ganze" nur Teil eines größeren M31-Bündnis.

 

Alle Infos zum Aktionstag und dem M31-Bündnis finden sich auf der "vergessenen" Mobi-Seite: http://march31.net/de/

wo wurde was vergessen??

wie ich das sehe steht auf dem druck-flyer und auch ganz oben ein hyperlink zur internationalen m31 website...

Ist das Problem der "kapitalistischen Zwang zum Schuldenmachen, zum schuldenfinanzierten Wachstum"?

Zuviel Silvio Gesell gelesen? Seit wann sind denn Schulden ein Problem oder auch Wachstum? Beliebte Schlagworte pseudokritischer Bürgerlicher hinter denen nichts als heisse Luft steckt und die einen analytischen Wert von 0 haben. Kann ich auch in der FAZ lesen. Linksradikale Kritik ist aber auch nicht mehr das was es mal war!


Warum eigentlich zur EZB, wollt ihr euch mit Olaf Henkel's Freunden von "Occupy EZB" treffen? Die treibende Kraft hinter der europäischen Austeritätspolitik und dem neoliberalen Angriff auf Südeuropa ist doch das deutsche Kapital mit der Hauptangestellten Meggi Merkel! Da ist doch die EZB wirklich ein kleines Rädchen das dazu sogar manchmal bisschen bockig anstellt. Dem deutschen Kapital ist es auch egal ob dabei Europa im Ganzen wirtschaftlich schlechter darsteht, wenn es nur selbst relativ besser darsteht und sich langfristig nachhaltig gute Akkumulationsbedingungen schafft. Da bleibt es nämlich Nationalistisch.


Was wollt ihr eigentlich? Gut den Kommunismus, aber wie wollt ihr da konkret hinkommen?

Gut finde ich, dass trotzdem auf wesentliche Probleme eingegangen wird: faktischer Lohnverzicht und Steuersenkung für hohe Einkommen, nachdem der "Nachkriegsfordismus" beendet war. Es klingt so ein bisschen an, dass dafür eine tendenziell sinkende Profitrate verantwortlich sein könnte oder auch sich ändernde Produktionsbedingungen, was aber auch unter Marxisten sehr umstritten ist. Es spricht nämlich auch vieles dafür, dass die Verabschiedung von New Deal und Sozialstaat schlicht ein politisches Projekt war, welches seit Ende der siebziger Jahre aus verschiedenen Gründen durchsetzbar war. Denn warum sollte das Kapital seinen erzielbaren Mehrwert durch unnötig hohe Lohnzahlungen senken, wenn es nicht unbedingt notwendig ist? Wenn sich nämlich Mittelschichten fälschlicherweise zu Gewinnern des kapitalistischen Systems zählen und der Illusion hinterherjagen irgendwann einmal selbst Kapitalisten zu werden, merken sie nicht wenn sie ausgenommen werden oder bejubeln es sogar, weil sie sich schon als die Kapitalisten von morgen sehen. Das würde Absurditäten erklären warum sich Lischen Müller für den DAX Wert interessiert und der deutsche Michel begeistert Parteien wählt, die nichts anders tun als Bedingungen für Lohnsenkungen zu schaffen und Steuern auf Kapitalvermögen und sonstige hohe Einkommen zu senken.


Da gab es vor langer langer Zeit mal die Arbeiterbewegung, die sich ihren Teil des geklauten Mehrwerts zurückholen wollte. Und mit militanten Streiks für Lohnerhöhungen und Arbeiterparteien, die hohe Besteuerungen durchsetzten (Spitzensteuersätze von 93% haben schon etwas leicht revolutionäres) recht erfolgreich war. Warum sollte das heute nicht klappen? Ein bisschen Klassenbewußtsein würde uns guttun!

In der Jungle World gab es ein Interview mit "...ums Ganze!" wo es genau auch um diese Fragen ging:

Das ganze Interview findest du hier: "Banken-Bashing ist nicht unser Ziel"

 

Warum wurde Frankfurt am Main als Ort für den Aktionstag ausgewählt?

 

Das Frankfurter Krisenbündnis war unter den Initiatoren der internationalen Vernetzung. Zum anderen ist Frankfurt der Sitz der EZB und somit zumindest der Standort einer der Institutionen, die maßgeblich an der Umsetzung der Sparprogramme für die Peripherie Europas beteiligt sind. Krisenpolitik ist auch Finanz- und Geldpolitik. Doch die antikapitalistischen Mobilisierungen sollen sich nicht auf die EZB und die Rolle der Geschäftsbanken beschränken. Der Kapitalismus ist ein umfassendes gesellschaftliches Herrschaftsverhältnis, und wir werden versuchen, dies an mehreren Orten zu thematisieren: vom Jobcenter über Zeitarbeitsfirmen bis hin zu den gentrifizierten Stadtteilen.

 

Gab es nicht dennoch Bedenken, dass die Konzentration auf die deutsche Bankenmetropole die Kritik auf den Finanzsektor beschränkt?

Diese Befürchtungen lassen sich schnell ausräumen. Die EZB als europäische Notenbank ist ja keine Geschäftsbank wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank, sondern eine politische Institution. Uns geht es explizit um den politischen und ideologischen Charakter der Krisenbewältigung. Nicht Banken-Bashing ist unser Ziel. Im Zentrum unserer Kritik steht der systemische Charakter anonymer Verwertungszwänge im Kapitalismus. Insofern halten wir die ideologische Trennung zwischen dem »bösen« Finanzsektor und der »guten« Realwirtschaft für falsch und gefährlich.

 

Es gab bereits die Kritik, dass die EZB das falsche Objekt sei, weil sie sich mit ihrer Geldpolitik auch nicht gerade auf der Linie der Bundesregierung befindet .

 

Die EZB ist formal unabhängig in ihren Entscheidungen. Zugleich trägt sie geldpolitische Verantwortung für Wachstum und Stabilität in der Euro-Zone. Von der Höhe des Leitzinses hängt ab, wie viel frisches Geld den Geschäftsbanken zur Verfügung steht. Gerade deshalb hat sie aber auch in der Krise eine so große Bedeutung. Die Auseinandersetzung zwischen nationalen Regierungen und der EZB ist wesentlich für die Krisenpolitik, weil sich ja immer erst in der Zukunft zeigt, ob eine bestimmte Strategie den gewünschten Effekt bringt. Im Kern geht es aber um den gleichen Zweck, nämlich die Euro-Zone für den Weltmarkt fit zu machen oder – allgemeiner ­gesprochen – die Kapitalakkumulation sicherzustellen. Wir kritisieren diesen Zweck und wollen die Diskussion über eine Alternative zum Kapitalismus neu aufnehmen.