Zurück an Absender – Kritik aus der Galaxie

Brief an die anarchistische Galaxie

Unter dem Datum des 20. November 2011 ist ein Text mit dem Namen „Brief an die anarchistische Galaxie“, im Folgenden BaG genannt, erschienen. Auf diesen Text lohnt es sich einzugehen, weil er eine beispiellose Denunziation und Diskreditierung eines Teiles des anarchistischen Spektrums zum Inhalt hat. 


Der BaG wurde in Papierform verteilt und erscheint auf diversen Seiten, u.a. hier:
http://ch.indymedia.org/de/2011/12/84654.shtml 
http://linksunten.indymedia.org/node/51493 
http://www.abc-berlin.net/?attachment_id=5809 
http://article.wn.com/view/2011/12/05/Brief_an_die_anarchistische_Galaxie/ 
http://www.non-fides.fr/?Brief-an-die-anarchistische 
http://finimondo.org/node/612 
http://theanarchistlibrary.org/HTML/Anonymous__Letter_to_the_anarchist_galaxy.html

 

 

 Der Text suggeriert eine Spaltung der anarchistischen Bewegung, die so nur von wenigen als Spaltung verstanden wird. Mit Formulierungen wie 
„...dringen wir mit diesem Brief in eine Debatte ein, die nicht die unsere ist.“ 
und 
„...ebenso wie unsere Besorgnis angesichts der willentlichen Verstümmelung des anarchistischen Kampffeldes.“ 
machen die anonymen VerfasserInnen gleich zu Beginn eine Front auf, die auf der einen Seite die Kräfte sortiert, die den Aufstand, die Revolte und die Subversion des Bestehenden (Lieblingsworte der VerfasserInnen) voranbringen. 

Wer auf der anderen Seite der Front steht wird schnell klar, auch wenn keine Namen ausgesprochen werden. Die, die angeblich das anarchistische Kampffeld verstümmeln, benutzen dafür die Versendung von Bekennerschreiben. 

Im BaG liest sich das so: 

„Kommen wir gleich auf den Punkt: welche Beweggründe treiben Anarchisten dazu an (wohl bemerkt, dass sie bei den Autoritären unschwer zu erkennen sind), ihre Aktionen systematisch zu bekennen und sie mit mittlerweile global gewordenen Siegeln zu unterzeichnen? Was macht sie glauben, die schwerwiegende Frage der Perspektiven durch ein ins Internet gestelltes oder den Medien zugeschicktes Bekennerschreiben lösen zu können? Was treibt sie dazu an, zu glauben, dass sich heute auf einen solchen Weg zu begeben mit einer tiefen Kohärenz zwischen Denken und Handeln, zwischen Ideen und Praktiken verbunden sei, während es sich dabei vielmehr um eine illusorische Auflösung der permanenten Spannung zwischen Theorie und Praxis handelt, jener Spannung, die da sein müsste und die die antreibende Kraft hinter dem anarchistischen Kampf ist?“ 

Die Frage, wie Aktionen und Inhalte vermittelt werden können, wer die Zielgruppe dafür sein kann und ob sich Theorie und Praxis in Worten ausdrücken sollen, ist schon immer Gegenstand vielfältiger Diskussionen. Endgültige Lösungen konnten bis jetzt nicht gefunden werden, nach wie vor gibt es Handlungen von Individuen und Gruppen, die bekannt werden und für mehr oder weniger Aufmerksamkeit sorgen und es gibt Handlungen von denen kaum jemand etwas erfährt. Weder das eine noch das Andere verstümmelt ein anarchistisches Kampffeld, das sich zudem kaum definieren lässt. Weiter heißt es im BaG: 

„Diese Manie, die lawienenartig anzuwachsen scheint, läuft schnell Gefahr, die anderen Akte der Revolte in den Schatten zu stellen.“ 

Einige, gegen die sich der BaG richtet haben sich dazu erklärt. Die gefangenen Mitglieder der „Verschwörung der Feuerzellen“, im Folgenden CCF genannt, sagen in dem Text „Feuer und Sprengstoff von Indonesien bis Chile – Zum Selbstverständnis der FAI/IRF“: 

„Offensichtlich unterstützen wir deswegen heute jede Aktion die das System auf eigene Weise angreift. Flugblätter, selbstorganisierte Publikationen und Blogs, militante Demonstrationen, Sabotage, Angriffe mit Steinen oder Farbe, Enteignung von Banken, Bombenangriffe, Brandstiftung gegen staatliche und kommerzielle Ziele, Hinrichtung von Staatsbeamten, das ist unsere Ausrüstung aus unserem Bestand an praktischer Theorie der Anarchie. Das ist der Grund weshalb wir, wenn wir vom bewaffneten Kampf sprechen, nicht nur von Waffen und handeln, sondern auch von all dem genannten sowie allem das die Autorität abschreckt und sich auf der anarchistischen Seite der Barrikade befindet.“ 

Während also die im BaG kritisierten ausdrücklich ihre Unterstützung aller Aktionsformen bekennen, erklären die anonymen AutorInnen: 

„Wir haben es satt, die Tatsache hinzunehmen und immer öfter feststellen zu müssen, dass das anarchistische Kampffeld, eines des Angriffs, der Sabotage und der Enteignung mit einem Kennzeichen und, als solches, mit einer politischen Repräsentation gleichgesetzt wird.“ 

Bei dieser angeblichen Gleichsetzung muss es sich um eine Halluzination handeln, die nur in den Köpfen der Absender des BaG existiert. Nur weil Aktionen unter einem Namen laufen, übernehmen sie doch nicht Aktionen von anderen Gruppen. Wer so denkt, kann sich nur selbst in einem faktisch unmöglichen Konkurrenzverhältnis zu dem Rest der Bewegung sehen. 

Zumindest lassen die weiteren Formulierungen im BaG diese Zwangslage vermuten. Dort wird von einer provozierten falschen Entscheidung zwischen dem „lieben“, friedlichen Anarchismus und dem „bösen“ Anarchismus der Bekennerschreiben geredet. Nur wer glaubt nicht aktionistisch genug zu sein kann auf die Idee kommen eine Wertung zwischen friedlich und militant, anonym oder nicht, zu treffen. Und deshalb versichern die SchreiberInnen des BaG auch gleich: 

„Denn auch wir gehen zum Angriff über. Auch wir ziehen los, um die Maschinerie des Kapitals und der Autorität zu sabotieren.“ 

Niemand hat das bezweifelt möchte man ihnen zurufen, doch warum bombardiert ihr uns mit Worten wie „Konfliktualität2 oder „Kohärenz“ um eurem Text mehr Wichtigkeit zu geben? Ehrlich gesagt, auf den Straßen, die in den letzten Jahren Schauplätze des sozialen Krieges waren, habt ihr euch gut getarnt und was ihr nachts macht wollen wir gar nicht wissen. Aber wenn uns andere ihr Handeln mitteilen, interessiert uns das. Ein Blick in die vom BaG kritisierten internationalen Blogs zeigt eine starke Zunahme von Aktivitäten. Von vielem hätten wir nie erfahren, gäbe es keine Erklärungen. Nur als Beispiel der letzten Wochen einige Angriffe auf die Polizei: 

München, 7. Dezember 2011 
In der Nacht auf Mittwoch sind auf dem Parkplatz der Inspektion München-Bogenhausen drei Polizeiautos völlig ausgebrannt. 
https://directactionde.ucrony.net/node/1521 

Helsinki, 17. Dezember 2011 – Two Police cars burned 
http://actforfree.nostate.net/?p=7131 

Athen, 13. Dezember 2011 – Molotov attack on riot cops in Exarchia 
http://actforfree.nostate.net/?p=7058 

Moskau, 09. Dezember 2011 – CCF Russia/FAI-IRF torch police car 
http://actforfree.nostate.net/?p=7042 

Finnland, 06. Dezember 2011 – Polizeistation in Kirkkonummi mit Brandsatz angegriffen 
http://actforfree.nostate.net/?p=6897 

Charleroi/Belgien, 21. November 2011 – Zwei Polizeiautos angezündet 
http://suieetcendres.blogspot.com/2011/11/charleroi-police-vehicles-and-city.html 

Turin, 17. November 2011 – Sieben Polizeifahrzeuge angezündet 
http://sysiphus-angrynewsfromaroundtheworld.blogspot.com/2011/11/turin-italy-seven-city-police-cars-on.html 

Wie kann man nur auf die Idee kommen, Aktionen dieser Art danach zu werten, ob sie anonym oder mit Bekennerschreiben begangen werden, ob sie Gefangene erwähnen oder nicht, ob sich ihre VerursacherInnen „informell“ nennen oder nicht? Kann sich der BaG nicht einfach über das Feuer freuen statt Motivationen zu analysieren, was eigentlich der Job der Bullen ist? 

Dieses ungesteuerte Handeln von Gruppen und Individuen, die sich nicht kennen und scheinbar wahllos miteinander oder nebeneinander los ziehen, verwirrt die Urheber des BaG, Konzepte anderer Gruppen lassen sie nicht gelten und auch nicht die Entscheidung sich diesen Konzepten anzuschließen oder nicht. Formuliert im Sprech der Aufständischen: 

„Wir sehen ausserdem auch, wie eine Verwirrung um sich greift, die wir einmal mehr unterstreichen und bekämpfen wollen. Denn es dreht sich uns der Magen um, weiterhin die Bedeutungen zu akzeptieren, die gegenwärtig gewissen Konzepten wie beispielsweise der Informalität gegeben werden.“ 

An dieser Stelle schält sich langsam der Akteur auf der anderen Seite der Front heraus: es ist die FAI. Dieser Name ist umstritten seitdem er zunächst unter Erklärungen zu Briefbomben aus Italien und inzwischen zunehmend weltweit unter Texten von Gruppen steht, die mit dem Modell der CCF sympathisieren. 

Die KritikerInnen werfen den Zusammenhängen der FAI vor, den Namen der historischen FAI geklaut zu haben. Damit begeben sie sich auf das Niveau von Firmen, die ihr Copyright schützen, Download Detektiven oder der GEMA, die youtube Videos sperrt. Die Bezeichnung für eine Richtung des Anarchismus kann unmöglich im Privatbesitz von Personen sein. Besonders die Formulierung „informell“ durch unberufene AktivistInnen erregt den BaG. Zwar schließt ihre eigene Definition zunächst niemanden von der Informalität aus, der BaG erklärt sogar den tatsächlichen Zusammenhang von von Affinität und Handeln, um dann aber jenen, die das Wort verwenden die Legitimität abzusprechen. Genauso verfahren sie mit dem Wort „Insurrektionalismus“, dessen Bedeutung nur den erlauchten VerfasserInnen des BaG erfassen und das deshalb nicht von den Anderen missbraucht werden soll. 

Bei aller berechtigten Kritik an einzelnen Aktionen der CCF oder der FAI, an ihrer manchmal ungewohnten Wortwohl oder ihrem Pathos, Anerkennung ist bestimmt nicht das Motiv wofür viele Unannehmlichkeiten in Kauf genommen werden. 

Wenn im BaG rhetorisch gefragt wird: 

„ Aber sind nicht eben wir, die Anarchisten, Feinde jeglicher Form von Delegation, von erleuchteten Beispielen, die oft nichts anderes tun, als die eigene Resignation zu legitimieren?“ 

reden die VerfasserInnen von sich selbst. Denn wenn eine anarchistische Bewegung nicht die Suche nach dem richtigen Weg an diese delegiert hat, warum sollte dann der BaG geschrieben werden? 

Im breiten Spektrum des globalen Widerstands gegen das kapitalistische System haben die Bestrebungen des kleinen Flügels des aufständischen Anarchismus, aus dessen Ecke der BaG kommt, in der letzten Zeit ein beispielloses Streben nach Meinungs- und Wortführerschaft an den Tag gelegt, welches unangenehm aufstößt. 

Die Ideen der CCF finden Anklang und das militante Modell der FAI findet weltweit Zuspruch. Ohne der Politik dieses Spektrums in allen Punkten zuzustimmen, fällt es leicht auf hämische und unsolidarische Kritik zu verzichten. CCF/FAI greifen Ziele an, die wir auch angreifen. Ihren Mitteln stimmen wir nicht immer zu, ihre Analysen sind oft sehr treffend oder auch etwas daneben. 
Na und? Wäre es besser dieser Kampf würde nicht stattfinden oder wir würden nichts davon erfahren weil es keine Bekennerschreiben gibt? 

In den Metropolen ist viel Platz zu Kämpfen, es gibt genug Ziele und genügend Papier um bessere Texte als die CCF/FAI zu verfassen. Der einzige Grund warum nun der BaG auftaucht ist der Neid auf das aktionistische Potential und die Aufmerksamkeit, die den FAI Gruppen zu Teil wird. Bislang wurden die KritikerInnen, die sich selbst als die BesitzerInnen der reinen anarchistischen Lehre und der Aufständigkeit definieren, als Strukturen geschätzt, die wenigstens in die gleiche Richtung wollen. 
Wer sich mit den Texten des BaG Umfelds beschäftigt hat, findet dort zwar den gleichen Pathos wie in den CCF Texten, zumindest in einem Land wurden aber Ansätze eines gemeinsamen Kampfes mit den Unterdrückten und Ausgegrenzten realisiert, die bemerkenswert sind. 

Darum ist es umso paradoxer, dass nun ausgerechnet aus den Zweigstellen des aufständischen Anarchismus mit dem niedrigsten Level der Unruhe, so vehement um einen Kurs gestritten wird, der gar nicht zur Debatte steht. 

Auch die Ausführungen zur Klandestinität im BaG entbehren jeder Grundlage. In jüngster Zeit ist niemand aus ideologischen Gründen in die Illegalität gegangen. Auch die CCF hat nach dem Prinzip autonomer Gruppen agiert, nur Verdächtige, die gesucht werden, tauchen unter. In keinem Papier der FAI wird die Klandestinität gehuldigt; eine Tatsache die der BaG suggeriert. 

Den Autorinnen wird es unerträglich, wenn das Konfrontationsniveau steigt. Dann produzieren sie Sätze wie: 

„Wie man in den Bekennerschreiben oft genug sehen kann, gibt es scheinbar Anarchisten, die glauben, der Macht Angst machen zu können, indem sie Drohungen aussprechen, Fotos von Waffen publizieren oder einige Bomben explodieren lassen (und wir sprechen noch nicht einmal von der niederträchtigen Praxis, aufs geratewohl Paketbomben zu verschicken).“ 

Allen, die sich am anarchistischen Kampf beteiligen steht es frei die Wahl ihrer Mittel und die Vermittlung frei zu entscheiden. Das ist bei kommunistischen Gruppen nicht so. Wer Bomben Scheiße findet oder nicht basteln kann oder wo sie nicht effizient oder vermittelbar sind, kann Steine werfen. Das kann begründet werden oder nicht. 
Diese Freiheit der Entscheidung macht unseren Widerstand aus. 
„Niederträchtige Praxis“ wird unser Handeln von den Herrschenden und Bullen genannt. Warum der BaG die Worte des Feindes benutzt weiß er nur selbst. Über Paketbomben wird viel gestritten, zu Recht. Jedoch ist ist noch nie ein Postbote bei den Briefbomben der CCF/FAI zu Schaden gekommen. 
Und wer das Vertrauen der Elite Besitz, um die die eingehende Post zu öffnen, ist auch nicht Unbeteiligter. 

Zu verurteilen sind auch die Kommentare auf Indymedia und anderen Blogs, die aus dem Umfeld des BaG nach jeder Briefbombe kommen. Jedes Mal wird die FAI als Geheimdienstprodukt von Berlusconi bezeichnet, die einer „echten“ FAI den Namen geklaut hätte. Hier wird erneut das Copyright-Denken des BaG deutlich und der Wunsch nach einem Zentralkomitee, welches den Kurs des Anarchismus festlegt.

An der Motivation der Schreiberinnen des BaG treten grundsätzliche Zweifel auf, wo sie von sich selbst reden, siehe: 

„Einst waren wir stolz darauf: all unser mögliches zu tun, um den Sumpf der sozialen Konfliktualität auszuweiten..(...). Und mit stolz verbreiten wir diese Ideen, auf autonomer Weise,...“ 

Das freie Handeln eines Individuums oder eines Kollektivs braucht keinen Stolz. Stolz ist für Menschen, die sich ständig mit ihrer Umgebung vergleichen und Konkurrenzverhältnisse konstruieren. Der BaG redet von sich selbst, wenn er die angeblich anderen psychologisiert. 

Den politischen Werdegang einer ganzen Generation von GenossInnen, die sich für die (vorübergehende) Partizipation am Organisationsmodell FAI entschieden haben, reduziert der BaG auf einen Satz: 

„Offensichtlich ist es einfacher, vorgefertigte Meinungen aus den Regalen des militanten Supermarktes zu nehmen und zu konsumieren, als einen Weg des Kampfes zu entwickeln, der mit all dem bricht.“ 

Ein Satz aus der Hand von Leuten, die keine Ahnung haben wie die Realitäten in den Milieus aussehen, in denen Aktionen der CCF/FAI stattfinden. Genau die gleiche Ignoranz wir in den Ausführungen zu unseren Gefangenen spürbar. Niemand verherrlicht die Gefangenen, wenn sich in Bekennerschreiben auf sie bezogen wird. Natürlich fordern wir immer Freiheit für alle Gefangenen. 
Nur Tatsache ist auch, nicht alle Gefangenen kämpfen gegen das System, viele kooperieren mit Bullen und Schließern. Die Erwähnung unserer Gefangener ist ein selbstverständlicher Akt, der diese in keiner Weise erhöht. Wer das nicht kapiert hat noch nie länger als 24 Stunden in einer Zelle verbracht. Und die fehlende Erfahrung wird auch nicht durch das ständige Schreiben über Knast ausgeglichen. 

Maßlose Selbstüberschätzung spricht aus dem BaG wenn sie schreiben: 

„Es sei also klargestellt, dass der Aufstand nicht nur eine Sache der Anarchisten ist, auch wenn unser Beitrag, unsere Vorbereitung, unsere aufständischen Perspektiven ohne den geringsten Zweifel wichtig sind und in Zukunft vielleicht sogar entscheidend werden können, um die Entfesselung der Negation in eine befreiende Richtung zu stossen.“ 

Bei welchem Aufstand, außer 2008 in Griechenland, haben Anarchisten eine Rolle gespielt? Sie sind 2005 nicht in die französischen Banlieues oder 2011 nicht in die englischen Brandzonen gegangen (bis auf wenige Ausnahmen) weil sie Angst vor dem Mob hatten und nicht wussten ob sie sich mit dessen Zielen und Handeln solidarisieren könnten. Bis auf Griechenland oder Chile ist die Anwesenheit von organisierten Anarchisten bedeutungslos für den Verlauf von Konflikten. Die Diskurse aus dem Umfeld des BaG sind an allen Brandherden unbekannt. 

Wer nicht dem erleuchteten Beispiel der selbsternannten Aufständischen folgt, wird schnell von diesen einsortiert: 

„Ansonsten werden nicht mehr Anarchisten, sondern bloss eine Reihe von ziemlich tristen und beschränkten Rollen übrig bleiben: Propagandisten, Besetzer, bewaffnete Kämpfer, Enteigner, Schreiber, Randalierer, Unruhestifter und so weiter.“ 

Als Anarchist soll sich nur noch bezeichnen dürfen, wer alle Bonanno Texte gelesen hat und dem erlauchten Kreis der Avantgarde genehm ist. Denn als Avantgarde verstehen sich die VerfasserInnen des BaG, sonst hätten sie sich nicht so viel Mühe gegeben ihren Text zu verbreiten; einen Text, in dem die derzeit aktivsten Gruppen des anarchistischen Spektrums verunglimpft und denunziert werden. 
Man muss nicht alles gut finden was die Freundinnen der FAI machen, wenigsten anzuerkennen ist jedoch, das sie ein expandierendes Modell an Theorie und Praxis auf die Beine stellen. Dieses wird auch nicht durch einen Text wie dem BaG zu stoppen sein. 

In dem darin skizzierten „identitären Ghetto“, in welchem sich „Anarchisten mit ihrem kleinen Garten beschäftigen“ befinden sich nur dessen Autorinnen. 
Eine Hoffnung bleibt: der Schlussabsatz des BaG ist der Art ausschließend, das die Querschüsse aus ihrem Spektrum wohl abnehmende Tendenz haben. 

Verfasst von 
Propagandisten, Besetzern, bewaffneten Kämpfern, Enteignern, Schreibern, Randalierern, Unruhestiftern und so weiter.

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Als wir den kürzlich hier veröffentlichten Artikel "Zurück an Absender – Kritik aus der Galaxie" lasen waren wir nicht empört - nein wir waren und sind stinksauer!

Zuerst gingen wir noch davon aus, dass der Gedächtnisverlust nur einzelne Personen betrifft, doch seit diesem Text wissen wir, dass er sich zu einem kollektiven Problem ausgeweitet. Bei unseren Recherchen stießen wir dann auf die schockierende Geschichte unseres Genossen Morpheus, der der erste Betroffene dieses groß angelegten, kapitalistischen Angriffs auf unser aller Träume wurde, an deren Spitze die Musikindustrie in Kooperation mit der Firma mit dem Apfelgriepsch und die Suchmaschine Spruudel steht.

Am vergangenen Wochenende lag Morpheus nichts ahnend in seinem Elfenbeinbett und surfte im Internet. Spruudel empfahl ihm den neuen Nummer Eins Hit von ihhhtöhne vom Räpper 1 $ 50 mit dem Titel "Gonna get ya chick" herunterzuladen, in dem er einer wunderschönen jungen Frau mit dem Namen Amnesia seine Liebe gesteht. Morpheus fühlte sich sofort zu Amnesia hingezogen und beschloss ihr noch in der selben Nacht einen seiner beliebten Träume zu schenken. Als er am nächsten Morgen aufwachte, konnte er sich an nichts mehr erinnern und war sich dessen nicht einmal bewusst. So flog er von Schlafenden zu Schlafenden und verbreitete statt inspirierender Träume Amnesias' kapitalistischen Gedächtnisverlust immer weiter. Leider können wir Morpheus nicht erreichen, wahrscheinlich hat er auch sämtliche PINS und Passwörter für seine ihhhgehräte vergessen. Dummerweise hat er den Song auch noch unter seinen Favoriten abgespeichert. Jedes Mal wenn sein Gedächtnis wieder zurück kommt, hört er den Song, der ihn wiederum zu Amnesia zieht, die ihm erneut alle Träume stiehlt, um sie an ihhhhtöhne, spruudel und die Musikindustrie zu verscherbeln.

Und mittlerweile hat sich der Gedächtnisverlust zu einem kollektiven Problem entwickelt. Uns hat es auch erwischt, gerade als wir mit dem Lesen des umfangreichen Textes „Brief an die anarchistische Galaxie" fertig waren, besuchte uns Morpheus. Wir erwachten am nächsten Morgen im Zustand kollektiver Amnesie. Ähnliches, Genoss_innen,  muss euch wiederfahren sein, sonst könntet ihr euch noch an Cesar erinnern, einen Genossen, der durch eine FAI Briefbombe (nicht unsere FAI!) zwei seiner Finger verlor:

http://actforfreedomnow.wordpress.com/2011/04/06/announcement-of-the-thr...

Mit unserer neuen elektronischen Briefbombe haben wir das Problem der Willkürlichkeit dieser Aktionsform (Brief/Paketbomben) gelöst, sie wird nur von der einen Person aktiviert, die sie auch treffen soll, nämlich nur dann, wenn sie über eines ihrer ihhhhgehräte ihre elektronische Post öffnet. Amnesia hat uns keine andere Wahl gelassen.

Amnesia muss sterben, damit wir träumen können!!!
Für die Freiheit, für die Anarchie!

FAI (Fight Amnesia Intergalactically) Gruppe Morpheus


PS: Der Name FAI steht in keinem Zusammenhang mit den schon unter diesem Namen existierenden Gruppen. Wir hatten leider zuerst vergessen, dass unser Genosse Morpheus kein menschliches Wesen ist, um unseren überirdischen Freund nicht zu diskriminieren reagierten wir sofort und fügten das Intergalactically an unsere beiden Kürzel an, so kamen wir auf FAI. Sobald die Bedrohung durch Amnesia beseitigt ist, werden wir uns natürlich umbenennen in "Fight for Anarchy Intergalactically" (FAI)!

"Und wer das Vertrauen der Elite Besitz, um die die eingehende Post zu öffnen, ist auch nicht Unbeteiligter."

 

Wer trägt die Verantwortung für eine Tat, die von den Folgen der Tat betroffene Person oder die, die die Tat ausgeführt hat? Für meine Handlungen bin ich und NUR ich verantwortlich!

 

Wie realitätsfern und gleichzeitig anmaßend seid ihr eigentlich, dass ihr denkt, die Arbeiter_in, die z. B. Ackermanns Post öffnet, wäre auch im Besitz seines Vertrauens? Der bekommt doch nicht nur einen Brief pro Tag sondern Massen, die öffnet auch nicht seine Chefsekretärin. Solche Arbeiten werden schön nach unten durchdeligiert, die erledigt der/die Praktikant_in oder irgendeine Assistenin, die wahrscheinlich auch noch von einer Leiharbeitsfirma angeheuert wurde. Gerade die Deutsche Bank ist für ihre beschissenen Arbeitsbedingungen bekannt. Und selbst wenn die Briefbomben an Botschaften verschickt werden, auch dort gibt es immer Praktikant_innen, Assistent_innen etc. Die Unterscheidung in Beteiligte und Unbeteiligte ist genauso stumpfsinnig, wie der Rest eures Satzes, natürlich sind Arbeiter_innen immer Beteiligte, das betrifft die Praktikantin oder Assistentin bei der Deutschen Bank genauso wie den Leiharbeiter am VW-Fließband, denn: System works, because you work!

 


"...(und wir sprechen noch nicht einmal von der niederträchtigen Praxis, aufs geratewohl Paketbomben zu verschicken).“

 

"...Allen, die sich am anarchistischen Kampf beteiligen steht es frei die Wahl ihrer Mittel und die Vermittlung frei zu entscheiden. Das ist bei kommunistischen Gruppen nicht so. Wer Bomben Scheiße findet oder nicht basteln kann oder wo sie nicht effizient oder vermittelbar sind, kann Steine werfen. Das kann begründet werden oder nicht. Diese Freiheit der Entscheidung macht unseren Widerstand aus..."

 

Paket/Briefbomben gefährden aber in der Praxis Hinz' und Kunz' Freiheit und sehr, sehr selten Ackermanns'. Und da, wo Hinz' und Kunz' Freiheit anfängt, hört meine Freiheit auf! Das ist bei autoritären kommunistischen Gruppen nicht so, die geben einen Scheißdreck auf Hinz' und Kunz' Freiheit, sobald die beiden ihren Herrschaftanspruch ablehnen. Anarchie bedeutet Herrschaftslosigkeit, wo ist bei Brief/Paketbomben die Freiheit der Entscheidung für Hinz und Kunz, ob sie von eurer Post zerfetzt werden wollen oder nicht? Hört auf, euch als Richter und Henker aufzuspielen, das ist kein Anarchismus!

Vielleicht muss eine solche Auseinandersetzung derartig an Basisbanalitäten gehen, doch es sollte nicht ignoriert werden einen Entschluss zu treffen heisst nicht unbedingt ihn verwirklicht zu haben. Es wäre dennoch falsch zu sagen ein Aufstand ist nur möglich wenn dies der Fall ist, vielmehr läßt sich feststellen ein solcher kann nur dann erfolgreich sein. Der Entschluss zur Informalität entstammt der Erfahrung dass jedwede formelle Struktur einem Risiko unterliegt zu einem Gegenstand bestehender Machtverhältnisse zu werden, auch diejenige welche den Brief an die anarchistische Galaxis abgeschickt hat.

 

Über alle Meinungsverschiedenheiten zu Briefbomben hinweg spricht das Schreiben jedoch die massgebliche Tatsache an dass die Existenz von Zwischenstufen wie den “sans papiers” das Themenfeld der Verborgenheit vielschichtiger macht als eine binäre Unterscheidung von Haftbefehl oder nicht bzw. drinnen und draußen es zu erfassen vermag, weil Flüchtlinge nicht nur vor erkennbaren Staaten und ihrer sichtbaren Gewalt fliehen müssen sondern auch vor dem Staat im Staat sowie vor Belästigung bspw. durch Hierarchien wie Scientology oder ehemalige Partner, und schon allein das ist eine offensivere Analyse als jeder bisherige Antirepressionsansatz.

 

Insofern steckt in dem Brief auch der unaufgelöste Widerspruch dass mit der Themensetzung ein Entschluss mitteilt wird der sich angreifbar macht. Genaugenommen ergibt sich dieser Widerspruch nicht aus dem Inhalt selbst, sondern aus bestehenden Machtverhältnissen, welche derart durchlässig sind dass sich das tragende Anliegen der Absender lediglich im Rahmen einer babylonischen Gefangenschaft artikulieren kann. Dass ändert zwar nichts an seiner Notwendigkeit, aber einiges an der Treffsicherheit einer Kritik daran welche ebenfalls damit umgehen muss dass der Repressionszusammenhang den sie bekämpft totaler ist als zunächst angenommen.