Kulturimperialismus in Konkursstimmung

Blackout?

Die Schockwelle lief rund um das Netz und erreichte neben kommerziellen Anbietern auch inhaltliche Nachbarn der indymedia-Gemeinde: Der Konflikt um das Internetzensurvorhaben der Obamaregierung bzw. der amerikanischen Kulturindustrie ist der ideologische Überbau einer wirtschaftlichen Entwicklung welche diese Lobby in eine umfassende Zwickmühle gebracht hat. In Zeiten sinkender Einnahmen bleibt ihr lediglich die Möglichkeit, den Umsatzschwund entweder durch mehr Überwachung und Kontrolle einzudämmen, auch wenn sie dafür noch den allerletzen Rest Glaubwürdigkeit beim Publikum verspielt - oder aber selbiges nicht zu verprellen und am Vervielfältigbarkeitsprinzip zugrundezugehen. So oder so, eine Parteinahme zu dem Vorhaben erübrigt sich - wie es im amerikanischen Sprichwort heisst: Halte Deinen Feind niemals davon ab einen Fehler zu machen...

 

Bereits zum Jahreswechsel berichteten Branchenblätter von den niedrigsten Kundenzahlen seit 1995 - circa 23% unter den Spitzenwerten in der Mitte des Zeitraums. Gegenwärtig wird diese Entwicklung zwar noch durch Exportwachstum kompensiert, doch kommerzielle Berichterstatter scheinen sich einig dass hier eine sich verstetigende Tendenz zu beobachten ist - im Gestus enttäuschter Erwartungen wird gemeldet, dass fünf von hundert Amerikanern welche ein Jahr davor noch ins Kino gegangen waren es im letzten Jahr nicht mehr taten.

Tatsächlich ist die Meldung schockierend und hat weitreichende Implikationen, nicht nur für die Branche selbst, sondern auch für unabhängige Beobachter kapitalistischer Zerfallserscheinungen: Damit wird der allzuoft als unhöflich beiseite gewischte Begriff von der Einwegkultur, welche sich auf Kosten des künstlerischen Wettbewerbs immer wieder neues Publikum erobern muss um damit ihren unbestreitbaren Publikumsverschleiß auszugleichen, in der Sache bestätigt. Dass jener von ihrer selbstverschuldeten Unaufrichtigkeit bedingt ist, ist ein ebenso nachhaltiges wie offenes Geheimnis der Branche, von dem zahllose Selbstmorde und Selbstmordversuche zeugen.

Dass dies aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen jetzt wenigstens anspielungsweise thematisiert werden muss, ist die Ausgangsbedingung für die Situation in der eine untergehende Lobby zu "Frontbegradigungen" wie dem derzeitigen Zensurvorhaben greift. Begleitet wird dies von einer Monopolisierungstendenz, welche sich im steigenden Anteil einzelner Produkte am Gesamtumsatz bemerkbar macht, und die autodestruktive Fortsetzung des totalitären Nervenkriegs bzw. Kulturimperialismus gegen jegliches sich als unabhängig davon erklärende Selbstverständnis darstellt - jetzt ebenso auch gegen diejenigen welche den kommerziellen Leitkulturgötzen lediglich kein Geld darbringen möchten.

Zusammengenommen führt dies im Rahmen der Rivalität mit anderen antiemanzipatorischen Lobbygruppierungen zu einem panisch gefühlten Handlungsbedarf, aus dem sich der Irrationalismus erklärt mit welchem das Zensurvorhaben unter dem Propagandabegriff des "geistigen Eigentums" einer Grundsatzdebatte um das Recht auf verbindliche Trennung von geistigen Intimbereichen und kreativer Allmende zuvorzukommen versucht. Nicht ohne Grund kommt ein maßgeblicher Teil der Opposition die sich jetzt zeigt von Leuten die mit nur leicht variiertem Geschichtsbild genau dieselben Fehler machen: Von der Waffenlobby und ihrem politischen Umfeld - die haben immerhin gemerkt hierbei als willige Helfer dazustehen würde sie ruinieren.

Das Zensurvorhaben ist ebensosehr kausale Folge der Tatsache dass die Kulturindustrielobby von ihren parlamentarischen Rivalen isoliert ist, wie es auch die plausible Fortsetzung ihrer selbstzerstörerischen Tendenz ist. Gerade deswegen ist geistige Unabhängigkeit vom kommerzialisierten Eigentum und seinen politischen Lobbys nicht nur aus Prinzip so wichtig sondern auch aus Eigeninteresse. Der sogenannte "Blackout" ist daher ein Hilferuf an alle, die sich bewusst sind dass dieses Lebensinteresse sich nicht auf die menschliche Spezies beschränkt, sondern von unseren Verbündeten mitgetragen wird.

Aus dieser Perspektive gleicht die Repression gegen das zahlungsunwillige Publikum des Kulturimperialismus dem Versuch jemanden daran zu hindern sich unbeobachtet aus den Mülltonnen am Markt zu versorgen. Eine derartige Notwendigkeit ist erst dadurch hervorgerufen dass das Monopol, um seine Umsätze zu sichern, keinerlei Alternativen gedeihen lässt. Wer sich seine geistige Ernährung aus den Abfallprodukten der Kulturindustrie organisiert, der muss selber wissen wie er sich dabei nicht vergiftet - aber besser als wissentlich falsch zu investieren ist es allemal.

Geeignetstes Mittel dazu ist die Ursachenforschung im Großen und Ganzen. In dem Wunsch diejenigen, die auf diese Weise gegen die Gier der Wirtschaftsmächtigen rebellieren, mögen sich erfolgreich vom den Erzählungen welche sie gefangenhalten emanzipieren, steckt bereits die Offenkundigkeit dass das wichtigste Mittel hierzu eine selbstbestimmte Informationsfreiheit ist, welche das Hauptaugenmerk auf die Aufrichtigkeit im Zustandekommen der Erzählungen richtet. Doch gerade in dieser Hinsicht steht die Kulturindustrie so da, dass sie selbst grade jetzt den Zeitpunkt gekommen sieht planlos um sich zu schlagen. Es könnte ein Beitrag zu ihrer zügigeren Abwicklung sein.

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Entweder du hast das Kulturindustriekapitel in der Dialektik der Aufkläung nicht gelesen oder du hast es von vorne bis hinten nicht verstanden... Diese angeblich so neue Entwicklung haben Adorno und Horkheimer schon in den 40er Jahren erkannt und im Gegensatz zu dir richtig analysiert. Die Kulturindustrie (damit meine ich Adorno und Horkheimers Begriff, nicht dein verkürzendes Derivat) schlägt gerade nicht planlos um sich, sondern macht nur, was sie schon immer gemacht hat, sie verbessert ihre Ausgangsbedingungen zur Kapitalakkumulation. "Aufrichtigkeit" im/vom Kapitalismus zu fordern ist ist ebenso unsinnig wie Filesharing als "Rebellion" gegen die "Gier der Wirtschaftsmächtigen" zu deuten.