...umsGanze!-Aufruf zu den Protesten gegen den WKR-Ball 2012
Ausgerechnet am Holocaust Memorial Day, dem 27. Januar 2012, findet in der Wiener Hofburg mit dem 59. Ball des reaktionären Wiener Korporationsrings (WKR) einer der zentralen Events der europäischen Rechten statt. Was auf den ersten Blick wie ein gesellschaftliches Stelldichein in Frack, Schärpe und Schmiss erscheint, hat es tatsächlich in sich: mit diesem Ball gelingt, was sonst Seltenheitswert hat, nämlich der gesellschaftliche Schulterschluss zwischen Neonazis, Burschenschaftern, RechtspopulistInnen und Mitgliedern der etablierten Elite. Entsprechend ist der Ball auch alles andere als eine unpolitische ‚Feierei’. Und das jährliche Ritual ist mehr als ein albernes Relikt. Der WKR-Ball ist Anlaufpunkt für eine reaktionär-autoritäre Bewegung, die im Windschatten der gegenwärtigen Krise versucht, Macht und Einfluss auszuweiten.
WKR ‚Who is Who‘ – Reaktionäres networking und seine Akteure
Der veranstaltende Wiener Korporationsring ist eine freiwillige
Vereinigung von Burschenschaften, Corps und Landsmannschaften, deren
Gesinnung von »national-freiheitlich«, völkisch-deutschnational bis
offen neonazistisch reicht. Der ideologische Gehalt des WKR ist darüber
hinaus zutiefst sexistisch und homophob, ganz im Sinne des elitären
Männerbundprinzips. Im Selbstverständnis des WKR wird unter anderem das
»Bekenntnis zum angestammten Volkstum im Rahmen der abendländischen
Kulturgemeinschaft« gepriesen. So verwundert es auch nicht, dass sich in
der Vergangenheit beim WKR-Ball prominente Rechtsaußen wie Jean-Marie
Le Pen (Front National, Frankreich), Frank Vanhecke (Vlaams Belang,
Belgien) und Alexander Dugin (Eurasische Partei, Russland) die Klinke in
die Hand gaben. Auch Mitglieder aus der »Pro«-Bewegung und der NPD aus
Deutschland sind gern gesehene Gäste. Wenig überraschend ist auch, dass
die Burschenschafterszene eng mit der FPÖ – dem rechten Aushängeschild
Österreichs – verknüpft ist. Von deren FunktionärInnen wimmelt es dann
auch nur so auf dem Ball. Eindeutig, ein Fall für die Antifa!
Österreich du Opfer!
Der Erfolg des WKR-Balls – seine Etablierung und Institutionalisierung hin zum zentralen Rechts-Event – ist eng mit dem gesellschaftlichen Klima in Österreich nach 1945 verknüpft. Bei allen Parallelen zur BRD was das Abwehren, Relativieren und Umdeuten der Beteiligung am Nationalsozialismus betrifft, konnte sich in Österreich besonders ein geschichtspolitisches Narrativ als hegemonial durchsetzen: durch die eigene Festschreibung als »Opfer« der Hitler-Aggression im Staatsvertrag von 1955 wurde der Opferstatus zur offiziellen Staatsideologie der Zweiten Republik. Dessen internationale Anerkennung, die wirtschaftliche Westintegration und die Einordnung Österreichs ins System des Kalten Krieges trugen weiter dazu bei, dass in der österreichischen Gesellschaft das Thema Vergangenheitsaufarbeitung bis in die 1980er Jahre geradezu verpönt war.
Tatsächlich ist die jüngere Geschichte Österreichs nur so durchzogen von Formen des Autoritarismus und Nationalismus. Bereits vor dem, von vielen herbeigesehnten, Anschluss ans Deutsche Reich im März 1938 kam es zur prägenden, reaktionären Formierung des Austrofaschismus. Dieser verfolgte das Ziel, in Abgrenzung zu Großdeutschen und NSDAP ein eigenständiges Österreich als faschistischen Ständestaat zu schaffen, und muss gleichwohl als Wegbereiter für den Nationalsozialismus in Österreich gesehen werden. An Zynismus kaum zu toppen war und ist deshalb die Indienstnahme des Austrofaschismus als Sinnbild eines eigen- und widerständigen »antideutschen« Österreichs, die das Totschweigen der eigenen NS-Verbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg komplementiert. Unter dem System des Ständestaates mobilisierte die Ideologie der völkischen Gemeinschaft und des Korporatismus ein unterwürfiges Sozialpartnerschaftsdenken, welches Kapital, Arbeit und Staat bis heute unter einem nationalen Dach zu vereinen weiß. Die Ansprüche des Standorts werden unhinterfragt hingenommen und die eigenen Interessen dem »nationalen Gemeinwohl« untergeordnet: Österreich im Jahre 2012 lässt grüßen.
Rechtspopulismus stoppen – Kapitalismus abschaffen!
Den WKR-Ball als Institution, und seine tragenden Kräfte als Teil einer rechts-reaktionären Bewegung, gilt es politisch zu bekämpfen. Doch damit beginnt erst die Arbeit der Kritik: denn reaktionäre Ideologien fallen weder vom Himmel, noch lassen sie sich zirkulär mit dem Verweis auf ‚Geschichte‘ erklären. Ihre Wirkungsmächtigkeit im Hier und Jetzt entspringt den realen Vergesellschaftungsbedingungen unter der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise. Ihr Identitätspostulat von »Volk«, »Nation« und »Kultur« stiftet Sinn und gefühlte Kompensation angesichts permanenter Konflikte und Ohnmachtserfahrungen der Menschen im Kapitalismus. Dabei ist »kollektive Identität« in Wirklichkeit alles andere als eine stabile Größe; ihre ideologischen Elemente sind so wenig konsistent wie widerspruchsfrei. Deshalb sind die Übergänge zwischen ‚sauberem‘ Republikanismus und aggressivem Nationalismus auch so fließend.
Wer dazu-gehört, Teil eines privilegierten Kollektivs sein darf,
letztlich also anspruchsberechtigt ist – das ist im Kapitalismus
fortwährend umkämpft. Der völkische Old-School Rassismus so mancher
Burschenschaft im WKR mag derzeit keine reelle Option auf politische
Durchsetzung haben. Der Erfolg von rechtspopulistischen Parteien in
Europa zeigt aber, wie unter bestimmten Bedingungen durch geschicktes
Paktieren und mit geladener Rhetorik ein diffuses rechtes Lager zu einer
politischen Kraft vereint werden kann. So ist es in Österreich der FPÖ
unter H.C. Strache (Bundesparteiobmann) gelungen,
»Österreich-Bewusstsein« und Deutschnationalismus miteinander zu
verbinden; d.h. neoliberale Patrioten und völkische Nazis hinter sich zu
einen. Das Konzept einer »christlich-abendländischen Werte- und
Kulturgemeinschaft« macht deutlich, wie ausufernd das eigene Kollektiv
gesponnen werden kann, wenn es um die Konstruktion neuer Feindbilder
geht – wie z.B. die »Bedrohung durch den Islam«.
Thrill me, kiss me, kill me
Der rechte Pan- und Internationalismus funktioniert natürlich nur so lange, wie die vermeintliche »Zugehörigkeit« nicht exklusiv gegeneinander eingefordert wird. Dann endet nämlich das Engagement der rechten KulturkämpferInnen ganz schnell beim eigenen Staat und Standort, der eigenen Klasse und Clique. Schließlich werden Leistungsbilanz, Steuerabgaben und Sozialleistungen immer noch nationalstaatlich verhandelt. Und »Österreich-Bewusstsein« braucht nicht zwingend das teutonische Pathos, um massenwirksam zu sein. Das alltägliche Leid von Lohnarbeit und Konkurrenz erscheint auch in kleindeutscher Variante als normal und natürlich. Bereits bei dieser »Normalität« muss linke Kritik ansetzen – und nicht erst wenn sie rassistisch-aggressiv umschlägt!
Identifikation mit der Nation, das heißt in Zeiten der Krise auch
mal ein Stück weiter zusammenrücken, den Gürtel enger schnallen und noch
härter buckeln. Die Flucht ins nationale »Wir« bestätigt gleichsam eine
Gesellschaftsordnung, derer destruktiven Verlaufsform sie gerade zu
entkommen versucht. Das nationale Begehren – die Unterwerfung unter die
Autorität – bleibt deshalb auch eine ambivalente Hass-Liebe. Ihre
Aggression wird aber meist herrschaftskonform abgespalten und entlädt
sich gegen freigegebene ‚Andere‘ und Schwache. Die Zunahme von Rassismus
und Sozialchauvinismus ist insofern symptomatisch für den aktuellen
Krisennationalismus: in der Hetze gegen »Pleitegriechen«, »faule
Südländer« oder »Integrationsverweigerer« werden soziale Konflikte
kulturalisiert und biologisiert, die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus
auf einzelne Personengruppen projiziert. Wer sich vermeintlich oder
tatsächlich nicht in die Leistungsmaschinerie einfügt, gilt als
»dekadent« oder als »Sozialschmarotzer«. Egal wie schlecht es einer/m
selbst schon geht, es wird immer wer gefunden, auf den mensch ‚hinunter‘
treten kann. Dass auch gegen »die da Oben« mitunter gewettert wird,
macht die Sache nicht zwangsläufig besser. Denn die personalisierende
Kritik an »Managern« und »Bänkern« verkennt den Systemcharakter anonymer
Verwertungszwänge im Kapitalismus. »Gier« und »Risikobereitschaft« sind
Verhaltensweisen, die im Kapitalismus strukturell angelegt sind. Krisen
entstehen in der kapitalistischen Marktwirtschaft nicht primär, weil
‚schlecht‘ gearbeitet wird, sondern ‚gut‘ – d.h. jeweils im Interesse
des höchsten Profits mit ungleichen Mitteln in Konkurrenz gegeneinander
und auf private Rechnung. Was ressentiment-geladene und verklärende
Deutungsmuster angeht, steht die WKR-Clique keineswegs alleine da. Sie
begreift sich allerdings als die »intellektuelle Speerspitze« – vom
politisch rechts zu verortenden Trachtenverein über Teile der
Sozialdemokratie bis hin zur mehr oder weniger offen neonazistischen
FPÖ.
A Herzbotschn* for the Nation!
Klar ist, dass sich unser Protest nicht nur gegen Burschis und ihre
NazifreundInnen richtet. Auch kann es nicht unser Anliegen sein, die
bürgerliche Gesellschaft quasi gegen ihre eigenen Auswüchse zu
verteidigen, etwa liberalen »Verfassungspatriotismus« gegen aggressiven
Ethnozentrismus in Stellung zu bringen. Abschiebungen, soziales Elend
und die tägliche Ausbeutung sind – auch in liberaldemokratischer
Spielart – kein Grund zu feiern: sie sind ein Angriff auf das schöne
Leben und gehören schnellstmöglich abgeschafft! Wenn also im kommenden
Januar in der Wiener Hofburg getanzt wird, kommen wir auch – um die
deutschnationale Party zu stören, das Alpenstadl mal gründlich
aufzumischen und seinen Fans das Fürchten zu lehren.
We don‘t feel like dancing – Den WKR Ball zum Desaster machen!
Für den Kommunismus.
*Herzinfarkt
Eine Infosammlung zu den Protesten gegen den WKR-Ball in Wien
findet ihr im feature bei at.indymedia.org.
wenn man zu den burschis will....
wenn bullenketten durchbrochen werden müssen, machen transpis in der ersten reihe keinen sinn. ketten bilden auch nicht.
->eine lücke erkämpfen/suchen, dann massiven druck aufbauen und durchfließen.
die erste und zweite reihe kriegen zwar höchstwahrscheinlich pfeffer und tonfas ab aber darauf muss man sich halt entsprechend vorbereiten, anziehen, ausrüsten, in bezugsgruppen besprechen.
das übliche was man immer tun sollte was aber trotzdem oft vernachlässigt wird.
also dann viel glück vielleicht wird es ja geschafft mal durchzubrechen und dann kann man richtig abgehen...
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