Anlässlich des 8. Jahrestages der Heidenheimer Nazi-Morde kam am 19.12. ein gutes Dutzend Antifas vor der ehemaligen Diskothek K2 zusammen, um an die drei ermordeten Jugendlichen Alex, Viktor und Waldemar zu gedenken. Nach einer Kranzniederlegung unternahmen die AktivistInnen einen Spaziergang durch die Heidenheimer Innenstadt, um mit Flugblättern auf die Bedeutung des Datums hinzuweisen.
Es ist festzuhalten, dass das regionale Gedenken an die Morde, dort wo es überhaupt praktiziert wird, die rechtsradikale Gesinnung des Täters eher als Nebensächlichkeit abtut oder ganz verschweigt.
Bezeichnend ist hier die am Tatort angebrachte Tafel, auf der sich unreflektiert "gegen Gewalt" ausgesprochen wird, ohne den Kontext zu beleuchten, aus dem Leonhard Schmidt heraus seine Verbrechen beging. Ein übler Beigeschmack bleibt bei dieser Sichtweise insbesondere deswegen hängen, da auch die Stadtführung sich
angesichts der Neonazi-Aufmärsche 2005 lediglich gegen "Extremismus und Gewalt" zu positionieren vermochte, und zugleich explizit Nazis und linke GegendomstrantInnen gleichsetzte.
Heidenheim bleibt in dieser Hinsicht eine typisch schwäbisch- konservative Kleinstadt, in der die Abriegelung des Politischen und die Wahrung des miefigen Burgfriedens von offizieller Seite zum
unausgesprochenen Credo gehören.
Allein die lächerlichen opportunistischen Verrenkungen, die die Stadtführung in der Debatte um das Erwin-Rommel-Denkmal unternimmt sprechen hierbei Bände.
Wir halten fest: Antifaschismus braucht radikale Gesellschaftskritik sowie eine Perspektive, die über das Bestehende hinausweist. Die Nazi-Morde zu einem weiteren tragischen Fall von
Straßengewalt umzudeuten, heißt vor den rassistischen und nationalistischen Ideologien der Gesellschaft sprachlos zu verharren.
Text des verteilten Flugblattes:
Am
19.12.2003 ermordete der Neonazi Leonhard Schmidt die drei
jugendlichen Spätaussiedler Viktor, Waldemar und Alex vor der
Diskothek K2 in der Heidenheimer Innenstadt.
Schmidt war Anhänger
einer Nazi-Gruppierung, die im Kreis HDH bereits zuvor mehrere
Angriffe auf Migranten und alternative Jugendliche verübt hatte.
Wenige Monate bevor Schmidt vorm K2 zum Mörder wurde, hatte er an
selber Stelle gemeinsam mit seinen Kameraden einen Punk überfallen
und zusammengeschlagen. Alex, Waldemar und Viktor gerieten durch
Zufall mit Schmidt und einem weiteren Neonazi aneinander, als sie vor
der Diskothek aufeinandertrafen. Im Zuge der zunächst verbalen
Auseinandersetzung zog Schmidt ein Messer und tötete die drei
Jugendlichen mit gezielten Stichen in Herz und Hals.
In der
darauffolgenden Gerichtsverhandlung fanden die politische Motivation
Schmidts und seine Verstrickungen in die Nazi-Szene keine
Beachtung.
Viktor, Waldemar und Alex sind drei der über 180
Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung, die in keiner
offiziellen Statistik auftauchen.
Seit der zufälligen
Enttarnung der Zwickauer Neonazi-Zelle ist der faschistische Terror
plötzlich zum Staatsthema geworden. Während sich Politiker und
Ermittlungsbehörden scheinheilig in
Ahnungslosigkeit üben und
eine Unvorhersehbarkeit des Ausmaßes rechter Gewaltbereitschaft
behaupten, wurden die Warnungen antifaschistischer Gruppen und
zivilgesellschaftlicher Initiativen vor dem braunen Terror die
längste Zeit ignoriert.
Während mehr und mehr das Ausmaß
der Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die Naziszene
öffentlich wird, reagieren die Verantwortlichen vor allem mit der
Forderung nach erweiterten Kompetenzen für Polizei und Geheimdienst.
Für uns als Antifaschisten ist allerdings klar: Der
Verfassungsschutz ist mit seiner undurchsichtigen Struktur und seinen
V-Leuten Teil des Problems und nicht der Lösung. In der durch ihn
vertretenen „Extremismus-Theorie“ werden Ideologien wie
Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus an den „extremen
Rändern“ der Gesellschaft verortet, während sich eine angebliche
„demokratische Mitte“ jeder Kritik entziehen will. Tatsächlich
finden sich diese Ideologien in breiten Teilen der Gesellschaft. Sie
können dabei nicht losgelöst betrachtet werden von einem
politischen Klima zunehmender sozialer Ausgrenzung, zynischen
Konkurrenzkampfes, aggressiver Standortlogik und der Bewertung und
Behandlung von Menschen anhand ihrer wirtschaftlichen „Nützlichkeit“.
In einer menschenfeindlich eingerichteten Ordnung wird die Suche nach
Sündenböcken zum Ersatz für eine grundlegende Kritik an den
kapitalistischen Verhältnissen. Eine solche Kritik wird aber nicht
zuletzt durch die staatlichen Institutionen selbst als
„linksextremistisch“ gebrandmarkt und auf eine Stufe gestellt mit
der menschenverachtenden Ideologie von Neonazis und Rassisten.
Der
Ruf nach dem starken Staat ist also im Kampf gegen Nazis genauso fehl
am Platz wie überall anders auch. Was wir brauchen ist nicht mehr
Kontrolle und Repression, die unter anderen
tagespolitischen
Vorzeichen genauso gut gegen fortschrittliche
soziale Bewegungen angewendet werden kann. Stattdessen rufen wir die
Menschen in der Gesellschaft dazu auf, dem Nationalismus und
Rassismus in ihrer Mitte keinen Platz zu bieten. Gegen die Ideologie
der Ungleichheit stellen wir unsere Vision eines gemeinsamen Kampfes
gegen Herrschaft und Ausbeutung jeder Art – solidarisch,
freiheitlich und grenzenlos.
konservative Idylle sprengen
Gerade in der ländlichen Region ist es wichtig, derartige Aktionen durchzuführen. Die konservative Bevölkerung in Kleinstädten wie Heidenheim braucht den Weckruf um sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Leider ignoriert oder bekämpft die Stadtverwaltung jegliches antifaschistisches Engagement.
Weiter so!