Leonberg - Es ist 19 Uhr am Freitagabend, als die rechten Demonstranten am Leonberger Bahnhof aus der S-Bahn steigen. An Gleis zwei kommen sie an, aus Richtung Stuttgart. Man erkennt sie an den Flaggen "Gegen Chaoten" und an Shirts, auf denen "2000 Jahre Freiheitskampf für Germania" und "Thor Steinar" steht, eine bei Nazis beliebte Marke. Schon als die Türen des Zuges aufgehen, kommt Bewegung in die Menge auf der gegenüberliegenden Seite: An den Bushaltestellen hat sich ein Block von mindestens 100 Gegendemonstranten gebildet, weitere sammeln sich in Grüppchen rund um den Bahnhof. Die Linken brüllen jetzt Parolen: "Alerta, alerta antifascista" oder auch "Für die Freiheit, für das Leben, Nazis von der Straße fegen." Passanten beobachten den Trubel verwundert und ein bisschen ängstlich. "Ich verpasse den Zug", schimpft ein Mann.
Schon am Dienstag hatten rechtsextreme Gruppierungen die Kundgebung angemeldet. "Sie wollten zur Römergalerie laufen und dort zwei Stunden lang sprechen", berichtet Rolf Kindler, der Leiter des Leonberger Ordnungsamtes. Die Kundgebung richte sich gegen die Antifastische Aktionswoche, die noch bis zum heutigen Samstag läuft - die Antifa Leonberg, die Linksjugend Böblingen-Calw, die Leonberg-Calwer Jusos, der Jugendhausverein und die Gedenkstätteninitiative veranstalten sie gemeinsam und organisieren Konzerte und Vorträge gegen Rechts. Die Gegendemo der Rechten sei fristgerecht angemeldet worden, sagt Kindler. "Wir können sie als Stadt nicht verbieten, es gilt das Recht der Versammlungsfreiheit", sagt der Ordnungshüter.
Das sehen die Linken, die in großer Zahl von der Beatbarracke und aus anderen Ecken der Stadt herbeigeströmt sind, naturgemäß anders. Sie brüllen "Schwarz war die Nacht, weiß war der Schnee und von beiden Seiten die rote Armee", und wollen über die Gleise den anderen Bahnsteig stürmen. Der Spruch erinnert an die Schlacht zwischen der Wehrmacht und Stalins Truppen im Winter 1941/42.
Nicht nur rot und braun
Allerdings gibt es in dieser Auseinandersetzung am Leonberger Bahnhof nicht nur rot, rot-schwarz und braun, sondern auch jede Menge grün und blau. Rund 80 Polizisten sind vor Ort, um die größtenteils jungen und männlichen Demonstranten beider Seiten zu trennen. Oder besser: um die Rechten zu schützen. Sie haben nämlich gerade einmal knapp 20 Teilnehmer für ihre Demonstration zusammentrommeln können. "Ohne Verfassungschutz wärt ihr nur zu zehnt", rufen die Linken. Wegen der unübersichtlichen Lage beschließen die Polizeibeamten, koordiniert vom Leonberger Revierleiter Markus Geistler, die Rechten zunächst nicht in Richtung Innenstadt aufbrechen zu lassen.
Schließlich entscheiden Einsatzleitung und Ordnungsamt: die Kundgebung darf stattfinden, allerdings nicht an der Römergalerie, sondern direkt vor dem Bahnhof. "Sonst wäre die Sicherheit der Demonstranten nicht zu gewährleisten", erklärt Kindler. Die Polizei eskortiert sie durch die westliche Unterführung, die Linken wechseln den Schauplatz.
Gebrüll auf beiden Seiten, ein Karnevalsböller fliegt, die Rechtsextremen stieben auseinander, ein paar Linke versuchen, sich an der Polizei vorbeizuschieben. Das bisschen rechte Kundgebung ist im Lärm kaum zu verstehen. Nach einer Viertelstunde ist der Spuk vorbei. Die Polizei lässt einen Waggon der nächsten S-Bahn zurück nach Stuttgart freiräumen.
Nach dem Ende der Veranstaltung kommt es in der S-Bahn in Richtung Stuttgart zu erneuten Ausschreitungen: Die Linken sprühen Reizgas und Pfefferspray in den Wagen der rechten Demonstranten und werfen Steine und Flaschen gegen den Waggon. Bei den Auseinandersetzungen werden ein Polizist und ein Neonazi verletzt. Erst an der Haltestelle Nordbahnhof können die Situation von der Polizei vollständig geklärt und die Anhänger beider Lager nach Hause geschickt werden. Zahlreiche Linksextreme sind unter werden wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und zwei Rechtsextreme wegen Beleidigung angezeigt.
Haha
Gibts Bilder von den Nazis?