Am Montag, den 12.09.2011, wurde ein Antifaschist vor dem Landgericht Offenburg wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zur Zahlung von 30 Tagessätzen à 10 € auf ein Jahr Bewährung verurteilt.
23.10.2010 Offenburg
Vor fast einem Jahr marschierten unter massivem Polizeischutz regionale Nazis unter dem Motto „Nachträgliche Sicherheitsverwahrung ist legitim – keine Freiheit für Schwerststraftäter“ in Offenburg auf. Über 500 Menschen protestierten dagegen und umzingelten die Nazis, so dass diese keinen Meter gehen konnten. Nach 90 Minuten mussten sie die Stadt unverrichteter Dinge wieder verlassen. Dies gelang ihnen nur in einem Wanderkessel der Polizei umringt von hunderten Antifaschist_innen.
In dieser Situation wurde der Angeklagte von zwei Polizisten aus Bruchsal unter Einsatz körperlicher Gewalt in Gewahrsam genommen.
22.11.2010
Der Angeklagte erhält einen Strafbefehl über 650 €.
Ihm wird Körperverletzung, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Er legt fristgerecht Widerspruch ein.
12.09.2011
So fand dann am 12.09.2011 die Hauptverhandlung zu den oben genannten Vorwürfen gegen den Angeklagten statt. Vorsitz hatte Richterin Will.
Als Zeugen geladen waren zwei Polizeibeamte aus Bruchsal, Sch. und R.. Ein dritter, H., an der Ingewahrsamnahme beteiligter Beamter wurde freigestellt, weil er einen Einsatz in Berlin hatte.
Beamter Sch. schilderte das Verhalten des Angeklagten, das zur Ingewahrsamnahme geführt hatte, als aggressiv und unkontrollierbar. Mehrfach habe er den Angeklagten zuerst verbal aufgefordert Abstand zu halten, dann aber auch mit sanfter Gewalt zurückgeschoben. Nachdem er gesehen habe, wie der Angeklagte seinen Vorgesetzten R. mit der rechten Faust auf die Panzerung am Rücken geschlagen habe, nahm er ihn mit Hilfe seines Kollegen H. in einen Haltegriff (Arme und Kopf). Gemeinsam brachten sie ihn unter Schutz von Kolleg_innen an den Rand des Geschehens, wobei der Angeklagte sich vehement Gewehrt hätte. U.a. habe er sein Gewicht nach vorne verlagert, sei mit den Beamten nach vorne gekippt, wobei er sich sein Hämatom an der Schläfe zugezogen habe.
Vorgesetzter R. sagte aus, dass er keinen Schlag auf den Rücken gespürt habe, schob dies aber auf die Panzerung und die chaotische Situation. Aus den Augenwinkeln habe er die Ingewahrsamnahme bemerkt und dann, weil er seine beiden Kollegen bei der Wegbringung des Angeklagten absicherte, bis zu dessen Fixierung am Boden nichts mehr vom Geschehen gesehen. Er habe dann einige Zeit mit ihm im Einsatzfahrzeug verbracht.
Weder Sch. noch R. konnten auf detaillierte Fragen des Anwalts des Angeklagten zum „Tathergang“ befriedigende Antworten geben. Das Geschehen sei schon fast ein Jahr her, das sei eine lange Zeit, etc., p.p. Die belastenden Indizien hatten sie exakt und „ohne Zweifel“ parat.
Der Angeklagte beschränkte seine Aussage zuerst auf die Angaben zur Person, machte im Anschluss an die Zeugenbefragungen aber eine Einlassung. Er beschrieb wie er gegen Demonstrant_innen aggressive Beamte mehrfach fragte, was das soll und wie sie ihn mehrfach weg stießen. Er beschrieb seine Verhaftung, die von den Beamten angewandte massive körperliche Gewalt, wie sie ihn am Kragen packten, schmerzhafte Haltegriffe einsetzten und ihn schließlich auf ein Rasenstück zerrten, dort zu Boden stießen und drückten, seine Arme verdrehten und ihm Einweghandschellen anlegten. Ein deutliches Hämatom an der rechten Schläfe blieb zurück.
Die Beweise der Anklage waren, neben den Aussagen der Beamten, Fotos aus zwei Polizeivideos, die den Vorgang in Momentaufnahmen zeigten. Der Anwalt fragte die Richterin verwundert, warum denn die gesamten Videos nicht als Beweisstücke vorhanden seien und wer denn die Auswahl der Fotos nach welchen Kriterien getroffen habe. Er konnte anhand der Fotos den Aussagen der Beamten nicht folgen.
Die politische Dimension des Falls wollte die Richterin nicht diskutieren: Sie würgte mehrere Versuche des Anwaltes ab, das wichtige, politische Engagement des Angeklagten und den notwendigen Widerstand gegen Naziaufmärsche in die Waagschale zu werfen.
Letztendlich wurde dem Angeklagten das Mitführen, nicht das Anwenden oder Einsetzen, einer Motorradhaube und eines als Schlüsselanhänger verwendeten Palmsticks zum „Verhängnis“.
So verurteilte ihn Richterin Will nach Rücksprache mit dem nicht anwesenden Staatsanwalt (er wurde durch eine Referendarin vertreten), dem Anwalt und einem kurzen „In-sich-Gehen“ nach Paragraf 59a wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zur Zahlung von 30 Tagessätzen à 10 € auf ein Jahr Bewährung. Das nennt sich dann Verwarnung mit Strafvorbehalt. Der Vorwurf der Körperverletzung wurde fallen gelassen.
Staatsanwalt Gebauer lehnte übrigens die Einstellung des Verfahrens ab.
Dieses Urteil wurde ca. fünf Wochen vor der diesjährigen Nazi-Veranstaltung in Offenburg am 22.10.2011 gefällt.
Wir lassen Menschen, die der Justiz in die Hände fallen nicht alleine. Unterstützung im Vorfeld, vor Gericht und finanziell ist praktische Solidarität, die den Angeklagten in dieser angespannten, unsicheren Situation helfen. Niemand ist alleine.
Wir lassen uns davon nicht kirre machen: Antifaschismus ist eine Notwendigkeit.
Wie Richterin Will in einem völlig verdrehten Zusammenhang in der Urteilsbegründung bemerkte: Wehret den Anfängen!
Am 22.10.2011 alle nach Offenburg!
Kein Fußbreit den Faschisten und Faschistinnen! With all means nesessary!
finanzielle Hilfe
Erst wenn..., dann...
Danke nach Köln.
Er muss sie erst bezahlen, wenn er innerhalb des Bewährungsjahres gegen seine Auflagen verstößt. Was er zu zahlen hat, sind die Gerichtskosten. Wieviel die sein werden, erfahren wir erst noch. Im Moment übernehmen lokale Strukturen diese Kosten.