Am späten Nachmittag des 1. August 2011 besetzte das Kollektiv Les Habitantes die leerstehende Liegenschaft an der Seevorstadt 75 in Biel.
Menschen, die sich weder dem Profit noch dem aktuellen Mainstream verschrieben haben und sich auch nicht durch Leistungsdruck vereinzeln und gegeneinander ausspielen lassen, beanspruchen den Platz, den sie hier vorfinden. Les Habitantes scheut keine Mühe, um die Seevorstadt 75 wieder bewohnbar zu machen. Leerstand ist kein Zustand.
Während dieses Haus seit über zwei Jahren leer steht, suchen zahlreiche Menschen Raum, um zu gestalten, zu lernen, sich selbst zu verwirklichen, zu leben.
Weil Les Habitantes mit den bürokratischen Spielregeln und ihren Ausreden, aber auch mit den Absichten der Immobilienspekulanten vertraut ist, haben sie bezüglich ihres Einzuges auch nicht um Erlaubnis gefragt. Der Raum existiert und er existierte unbenutzt. Wider dem aktuellen Trend in der Stadtentwicklung lassen Les Habitantes es sich nicht nehmen, die Stadt nicht nur als passive Konsumenten zu bevölkern, sondern sie als aktiven Teil mitzugestalten und zu verändern.
Les Habitantes ist ein Kollektiv aus gut zwölf Menschen. Sie kommen von überall her, sind verschiedenen Alters und engagieren sich in den unterschiedlichsten Projekten. Gemeinsam haben sie die Vision von gemeinschaftlichem Wohnen. Es reicht ihnen nicht, die Waschküche zu teilen und es reicht ihnen nicht, sich am Feierabend auf ein Bier zu treffen. Gemeinschaftliches Miteinander ist ein Lebensstil, der in keine Blockwohnung passt. Die Häuser werden heute so gebaut, um der zunehmenden Vereinsamung in der Gesellschaft gerecht zu werden. Dagegen setzt sich Les Habitantes zur Wehr.
Les Habitantes ist nicht damit einverstanden, dass die Woche fünf Tage hat, die einem nicht gehören. Die Zeit nimmt sich Les Habitantes dort zurück, wo sie einem gestohlen wird, um sie dort einzusetzen, wo ihre Talente, Begabungen, Sehnsüchte und Interessen liegen. So entsteht Vielfalt. So entsteht eine Alternative zum Diktat der pseudoindividualistischen Konsumgesellschaft. So entstehen Räume für alle. Les Habitantes besetzt nicht um leer Stehendes zu privatisieren, sondern um es zu kollektivieren.
Les Habitantes setzen auf gegenseitige Hilfe statt auf Institutionen und Organisationen, die nur verhindern, dass man sich selbst organisiert. In einer Welt, in der die Katastrophe nicht das ist, was kommt, sondern das, was da ist, ergreifen sie die Initiative.
NOCH ZU WARTEN IST WAHNSINN
Freundlichst – Les Habitantes
Projekte:
Folgende Projekte bringen wir an diesem Ort unter:
Gross-WG
Zusammenleben bedeutet für uns nicht nur die Waschküche zu teilen. Gemeinschaft ist die Basis für unseren Alltag. Dieser Lebensstil passt nicht in eine Blockwohnung, wir brauchen mehr Platz, als die modernen Neubauten vorsehen. Die wurden auch nicht unter Berücksichtigung unserer Bedürfnisse gebaut, sondern um der zunehmenden Vereinzelung in der Gesellschaft gerecht zu werden.
Offene Ateliers
Wir sind viele Menschen, die verschiedene Talente ausleben und verschiedene Techniken beherrschen. Dadurch das wir diese teilen, entsteht eine enorme Vielfalt an Werkzeugen, Material und Know-How. In offenen Ateliers können diese auch Aussenstehenden zugänglich gemacht werden. Wir besetzen nicht, um Leerstehendes zu privatisieren, sondern um es zu kollektivieren.
Redaktionsbüro
Seit 3 Jahren publiziert eine Gruppe von Leuten aus Biel und anderen Städten die zweisprachige Zeitschrift LaBlatt'. Durch Spenden und Solianlässe finanziert, wird die Zeitschrift gratis verteilt und an AbonenntInnen im In- und Ausland verschickt. Mit dem bevorstehenden Abriss des Gebäudes am Fabrikgässli 3b im Herbst wird dieses Projekt obdachlos.
Sprachkurse
Seit anfang 2011 gibt es in Biel gratis Sprachkurse für die Sprachen Deutsch und Französisch. Sie werden hauptsächlich von ca. 50 MigrantInnen genutzt, die keinen anderen Zugang zu Bildung haben, aber dringend eine lokale Sprache lernen müssen, um ihren Alltag organisieren zu können. Zur Zeit befindet sich das Kurslokal an der Neuengasse 9. Das Gebäude soll ebenfalls im Herbst 2011 abgerissen werden.
Bibliothek
An der Neuengasse 9 ist auch eine Bibliothek mit mehreren hundert Büchern untergebracht. Die Bücher kamen durch jahrelanges sammeln, Spenden und Käufe zusammen. Da sie nicht in einer Privatwohnung verstauben sollen, braucht auch die Bibliothek ein neues zu Hause, welches vielen Menschen offen stehen soll.
Gemeinschaftsgarten
Die Erde ist eine lebende Gemeinschaft, in der alles existenziell miteinander verbunden ist. Auch in der Stadt ist es möglich brachliegende Grünflächen zu bewirtschaften. Dazu ist es eine grosse Bereicherung, sich verlorenes Wissen und Erfahrungen wieder anzueignen und im „Kleinen“ mehr Unabhängigkeit zu erreichen.
Gratisladen
In einem Gratisladen befinden sich Kleider, Maschinen, Geschirr, Schmuck, Schuhe, Spielzeug und vieles mehr. Wer etwas benötigt, kann dies einfach mitnehmen. Indem Menschen Dinge bringen die sie nicht mehr benötigen, aber noch brauchbar sind, entziehen sie diese auch dem Konsumkreislauf des Marktes.
Schweiz: Obskurer Tätigkeitsbericht