Noch einmal ein Bericht zu dem Anmelder der NPD Kundgebung am 20. August in Leipzig von Gamma: Ein wenig überraschendes Ergebnis des 18. NPD-Landesparteitags am 9. Juli in Auerbach (Erzgebirgskreis) war die Wiederwahl Holger Apfels zum Landesvorsitzenden: Von 63 Delegierten aus den sächsischen Kreisverbänden haben 55 für Apfel gestimmt. Ob die Gegenstimmen auf einen anderen Kandidaten entfielen, ist nicht bekannt – das Treffen fand wie üblich unter Ausschluss von Presse und Öffentlichkeit statt, diesmal im “Hotel Auerbach”.
Über den Verlauf und die Ergebnisse des Parteitags existieren ausschließlich Eigenberichte der Partei. Darin wird unter anderem behauptet, die Fusion mit der DVU habe dem Landesverband 43 neue Mitglieder beschert. Das ist allerdings mehr, als die ohnehin inaktive sächsische DVU zuletzt an Mitgliedern aufgewiesen hat. Zudem gilt die Fusion mit der DVU wegen juristischer Fehler und einer von der NPD manipulierten Abstimmung als rechtswidrig. Zustande gekommen ist der lang vorbereitete Zusammenschluss nicht einmal auf dem Papier.
Aufgabe des Parteitags war indes die Neuwahl des Landesvorstandes. Zu Apfels Stellvertretern wurden Mario Löffler vom gastgebenden Kreisverband Erzgebirge, Helmut Herrmann (KV Leipzig) und Maik Scheffler (KV Nordsachsen) gewählt.
Der vergebliche Versuch, die NPD von rechts zu überholen
Die Wahl Schefflers auf den Stellvertreterposten ist die eigentliche Überraschung: Der 36-jährige Neonazi aus Delitzsch ist seit mehr als einem Jahrzehnt eine Schlüsselfigur der sächsischen Kameradschaftsszene (“Kameradschaft Delitzsch”, “Kampfbund Deutscher Sozialisten”, “Nationaler Beobachter”, “Aktionsbüro Nordsachsen”) und bezeichnet sich selbst als “geistiger Vater des Freien Netzes”, einer gewaltbereiten überregionalen Neonazi-Vernetzung.
Lange Zeit trat Scheffler als NPD-Kritiker auf – weshalb er 1999 bereits nach kurzer Zeit aus der Partei aus- und erst Ende 2008 wieder eintrat. Mehrfach wurde er daher von Kameraden unter Opportunismusverdacht gestellt – weil er die Mentalität eines “Wendehalses” habe. Tatsächlich revidierte Scheffler seine Position, schwenkte mit dem “Freien Netz” auf einen NPD-freundlichen Kurs ein und leistete mit seiner überwiegend jugendlichen Gefolgschaft Wahlkampfhilfe als “Organisations- und Koordinationsleiter für Nordsachsen” – obwohl er unmittelbar davor zum Boykott der NPD aufgerufen hatte und Kameraden zum Parteiaustritt aufforderte, sollte die NPD die von ihm angeleiteten “Freien Kräfte” nicht “auf Augenhöhe” akzeptieren.
Zwischen verspätetem “Wendehals” und so genanntem “Revolutionär”
Ausgestattet mit einem neuen Parteibuch zog Scheffler 2009 dennoch für die NPD in den Delitzscher Stadtrat ein und kandidierte (erfolglos) als NPD-Direktkandidat bei der Landtagswahl im selben Jahr. Für sein Partei-Engagement wurde Scheffler reichlich belohnt: Im Oktober 2009 übernahm er den Vorsitz des Kreisverbandes Nordsachsen, wurde Beisitzer im Landesverband und bezieht mittlerweile ein Gehalt als Angestellter der Landtagsfraktion – auch wenn er mit Landtag so gut wie nie auftaucht. Daneben ist Scheffler betraut mit dem Aufbau des “Mitteldeutschen Ordnungsdienstes” (“OD Sachsen”), der im Auftrag der NPD Saalveranstaltungen und Aufmärsche gegen “politische Gegner” absichert, so auch das jüngste “Deutsche Stimme”-Pressefest. Zuletzt veranstaltete Schefflers Ordnungsdienst Ende Juni ein “Trainingslager” mit zwei Dutzend Kameraden, die überwiegend den “Jungen Nationaldemokraten” (JN) angehören und dort in paramilitärischem Stil in Kampfsport-Techniken geschult wurden.
Über die neue Zusammensetzung des Landesvorstandes sagte Holger Apfel, er sei “eine gute Mischung von jungen revolutionären Kräften, gepaart mit erfahrenen kommunalen Mandatsträgern und Landtagsabgeordneten”. Damit sei eine Wendung des “sächsischen Weges” hin zu einer “seriösen Radikalität” möglich.
Ein besonders “seriöser” Krimineller
Der “Revolutionär” Scheffler gehörte in der jüngsten Vergangenheit zu den Fürsprechern einer weiteren Radikalisierung der NPD hin zu einer NSDAP-ähnlichen “Weltanschauungspartei”. Schefflers eigene Weltanschauung liegt auf der Hand und ist, kein Wunder, gerichtsnotorisch: In seinem “Front-Versand” gab es bis 2008 u.a. T-Shirts mit Hakenkreuz-Motiven zu kaufen. Die Folge war eine Polizeirazzia und eine Verurteilung durch das Amtsgericht Leipzig. Dabei erhielt Scheffler eine moderate Geldstrafe, obwohl er bereits wegen Körperverletzung, Waffenbesitz, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung vorbestraft war. Außerdem bot er in einem Internet-Forum der Lok-Hooligan-Gruppierung “Blue Caps” unter dem Nutzername “Rechter-Rand” neben weiteren “Front-Versand”-Artikeln auch Hemden mit dem Aufdruck “A.J.A.B.” feil – ausgeschrieben: “All Jews Are Bastards”.
(Siehe Forums-Screenshot und “Front-Versand”-Katalog Seite 1 und Seite 2.)
Inwiefern die neue Rolle des Karrieristen Scheffler als “Nummer Zwei” des Landesverbandes konkrete Auswirkungen auf die Politik der sächsischen NPD haben wird, bleibt abzuwarten. Für die Partei hat er bereits eine Kundgebung am 20. August vor dem Leipziger Völkerschlachtdenkmal angemeldet. Und für die von ihm repräsentierten “Freien Kräfte” ist der weitere Fluss von NPD-Finanzen – letztlich also Staatsgelder – sichergestellt. Umgekehrt kann sich Holger Apfel der Schützenhilfe durch “Freie Kräfte” gewiss sein, wenn er im Oktober beim Bundesparteitag Udo Voigt den Parteivorsitz abknöpfen will.
Offen ist, ob Scheffler seiner neuen Parteiaufgabe als Apfel-Backup langfristig gewachsen sein wird: Durch Ödeme (Wasseransammlungen) in Beinen und Lunge ist er gesundheitlich angeschlagen.
Ein weiterer Bericht zum Machtkampf um die Führung der NPD:
Noch was zu Scheffler und seinem haufen
Alternative Realität: Kameraden, die es angeblich nie gegeben hat
In einem Fall veröffentlichte die berüchtigte “Kameradschaft Aachener Land” (KAL) im November 2010 eine Erklärung, laut der sie nichts mit einem gewissen Daniel Kappe zu schaffen habe. Dieser kommt ursprünglich aus Leipzig und muss sich gerade vor dem hiesigen Landgericht verantworten – für seine Mittäterschaft beim Mord an Kamal K. Die Distanzierung ist nichts wert, denn das Engagement Kappes in der KAL ist nachgewiesen, Fotobeweis inklusive.
Die Propaganda
Ein zweiter aktueller Fall ist die Ermordung eines Obdachlosen, so geschehen in der Nacht zum 27. Mai in Oschatz. Dafür sitzt Ronny Schleider als Mittäter in U-Haft. Der 27-Jährige gehört zum Umfeld der Oschatzer “Jungen Nationaldemokraten” (JN). Die hören so etwas gar nicht gern und ließen den NPD-Kreischef Maik Scheffler im Internet ausrichten (16.06.2011), die politischen Ambitionen Schleiders seien “herbeifabuliert” und eine “Propagandalüge”. In einer weiteren Erklärung des NPD-Kreisverbandes Nordsachsen (03.07.2011) heißt es:
Das ist gelogen – und selbstverständlich gibt es auch hier einen visuellen Gegenbeweis. (2.v.r.: Ronny Schleider, ganz links: Jens Gatter. Foto: Archiv)
Die Wirklichkeit
Das Bild entstand tatsächlich “in irgendwelchen nationalen Zusammenhängen”, nämlich am 18. Februar 2010 in Oschatz bei einer Nazi-Störaktion anlässlich einer Demonstration gegen Kürzungen bei der Jugendarbeit. Offenbar bezugnehmend auf den kurz zuvor blockierten Naziaufmarsch in Dresden zeigten in der nordsächsischen Kleinstadt etwas mehr als ein Dutzend NPD- und JN-Aktivisten ein Transparent und brachten zum “Schutz” ein paar Mügelner Nazis mit. Über die Aktion wurde auf Maik Schefflers Website “Aktionsbüro Nordsachsen” sogar einen Bericht der “JN Oschatz” (24.02.2010) veröffentlicht:
“Die Nationalen” – das waren in Oschatz beispielsweise der NPD-Kreisrat und Scheffler-Stellvertreter Jens Gatter, sein mittlerweile verstorbener Kreisrats-Kollege Andreas Siegel und Parteigenosse Uwe Bautze. Zu ihnen gesellten sich Aktivisten der besagten JN Oschatz. Darunter: Ronny Schleider und sein Bruder Martin. Ihr offenbar in aufwändiger Handarbeit gefertigtes Transparent war mit “NPD” und “JN” gekennzeichnet.
Umso widerlicher ist es, wenn die NPD nun vorgibt, Ronny Schleider nicht zu kennen, sondern des von ihm ermordeten André K. zu “gedenken” – am 1. Juli haben Gatter und Bautze sogar an einer Mahnwache für das Opfer teilgenommen. So machen NPD-Kader aus der Tat, die einer aus ihren Reihen begangen hat, ein Argument für ihre Partei, indem sie wie immer “eine harte Bestrafung der Täter” fordern.
Genau das ist eine klassische Propagandalüge.