Berlin - In Ginas Futternapf kommen weder Fleisch noch Wurst,
auch kein Ei. Gina bekommt nichts, was von einem anderen Tier stammt.
Die 13 Jahre alte Pudelmix-Hündin aus Neukölln futtert seit neun
Monaten strikt vegan – morgens und abends spezielle Trockennahrung.
Manchmal werden für sie auch Kartoffeln oder Nudeln gekocht und Gemüse
gegart. Jobst Eggert (38), Ginas Herrchen, ist Chefredakteur bei der
Tierrechtsorganisation Peta Deutschland und seit 18 Jahren Veganer. Auch
seine Freundin ernährt sich „weitgehend vegan“.
Hündin Gina,
die Eggert im vergangenen Jahr aus einem Brandenburger Tierheim holte,
sollte dem Beispiel folgen. „Ihr hat’s gleich geschmeckt“, sagt Eggert.
Ob dem Tier die Kost bekommt, lasse er regelmäßig vom Veterinär
checken: „Aber es sind ja alle wichtigen Nährstoffe drin.“ Alles, was
ein Hund braucht: Eiweiß, Vitamine, Kohlenhydrate, Fette, Mineralstoffe.
Gina jedenfalls sei „topfit für ihr Alter“, sagt Eggert.
Veganes Futter wird online geordert
Nach
jedem Gammelfleisch- und Futtermittelskandal steigt die Zahl der
Menschen, die Wurst und Fleisch meiden. Das Heer der Vegetarier und
Veganer wird stetig größer. In Berlin wächst die Zahl von vegetarischen
Restaurants, seit kurzem bieten auch die großen Universitäts-Mensen
vegane Küche.
Wer so isst, möchte meist, dass andere diese
Lebensweise mit ihm teilen. Auch das eigene Haustier. Für Jobst Eggert
sind es ethische Gründe, warum Gina Gemüse vorgesetzt bekommt statt
Fleisch. „Warum sollte ich sie mit anderen Tieren füttern, die in
qualvoller Massenhaltung aufgezogen werden?“ Hunde seien eigentlich
Allesfresser, pflanzliche Kost für sie nichts Fremdes.
Es gibt
zahlreiche Online-Shops, in denen veganes Futter für Haustiere geordert
werden kann, nicht ganz billig – beispielsweise Bello Dogsnacks,
vegetarische Hundeknochen Bio vegan (9,20 Euro). Bio Nassfutter Dinkel
& Zucchini kommt aus der Dose (420 Gramm 6,55 Euro). Ein
40-Liter-Sack Öko Cat, vegane Trockenmahlzeit für Katzen, kostet 29
Euro. Selbst große konventionelle Tiernahrungs-Anbieter folgen
inzwischen dem Trend und haben zumindest vegetarische Kost entwickelt
(Royal Canin vegetarian formula).
Nachfrage steigt
Mirjam
Römling, die mit „Veni, Vidi, Vegi!“ in der Pücklerstraße in Kreuzberg
nach eigener Aussage Berlins einzigen Vegan-Shop betreibt, hat
mehrere Sorten veganes Hunde- und Katzenfutter im Angebot. Sie sagt,
dass die Nachfrage steigt. „Die Leute beschäftigen sich mehr mit dem
Thema Ernährung. Auch mit der ihrer Haustiere.“
In Foren und
Blogs tauschen die Tierhalter ihre Erfahrungen aus. Bei
www.vegan-hund.de heißt es beispielsweise auf die Frage: Warum Hunde
vegan ernähren?: „Da es dem Tierrechtsgedanken völlig zuwider liefe, für
die Versorgung sog. Haustiere andere, sog. Nutztiere ermorden zu
lassen, sehen wir nur die vegane Ernährung als ethisch vertretbar an.“
Und unter http://veganismus.de wird erklärt, dass Veganismus für Hunde
nichts Unnatürliches sei. „Ebenso unnatürlich ist es, dass Hunde in
einer Wohnung leben oder eine Leine und ein Halsband tragen.“
Tierschützer skeptisch
Der
Deutsche Tierschutzbund ist skeptisch. Es sei zwar möglich, einen Hund
vegetarisch zu ernähren, sagt Sprecher Marius Tünte. Aber es entspreche
nicht seiner biologischen Prägung. Hunde seien nun Mal Carnivoren,
fleischfressende Tiere, keine Allesfresser (Omnivoren). Von der
vegetarisch/veganen Ernährung von Katzen sei gänzlich abzuraten, weil
diese die notwendige Aminosäure Taurin, die nur in tierischen Produkten
enthalten sei, über die Nahrung aufnehmen müssten. „Man sollte keine
menschlichen Verhaltensweisen auf Tiere übertragen“, sagt der
Tierschützer. „Wer nicht damit leben kann, dass Hunde und Katzen Fleisch
fressen, sollte vielleicht besser überlegen, ob er sich ein anderes
Haustier hält – ein Kaninchen beispielsweise.“
Im Bereich
Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin können sich Tierhalter
zur Ernährung von Haus- und Nutztieren beraten lassen, es wurde sogar
under der Nummer 0175/581 3667 eine Telefon-Hotline geschaltet. „Fragen
zur vegetarischen oder veganen Ernährung wurden uns bisher aber so gut
wie nie gestellt“, sagt Professor Dr. Jürgen Zentek. Theoretisch könne
man Katzen und Hunde zwar so verköstigen, doch biologisch sei das nicht
wirklich sinnvoll: „Tierisches Protein liefert nicht nur essenzielle
Nährstoffe, es ist auch wesentlich als Akzeptanzträger.“ Sprich: Es
mache Appetit.
Das muss auch Jobst Eggert für Gina eingestehen.
Finde die Hündin den einen oder anderen Dönerrest auf der Straße, sei
der ganz fix in ihrem Maul verschwunden. Herrchen sieht über solche
Ausrutscher hinweg: „Schelte kriegt sie nicht.“
Berliner Zeitung, 14.07.2011
Taurin NICHT zwingend tierisch
"...weil diese die notwendige Aminosäure Taurin, die nur in tierischen Produkten enthalten sei.."
Fail, da der überwiegende Anteil an Taurin, das bereits durch diverse Energy Drinks bekannt sein dürfte sythetisiert wird.