Neun Nazi-Kriegsverbrecher in Verona verurteilt

Keine Ruhe den NS-Tätern

Am 6. Juli 2011 fiel das Urteil im Prozess gegen neun ehemalige Wehrmachtssoldaten der Berliner Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ vor dem Militärgericht in Verona. Die Angeklagten wurden zu lebenslangen Haftstrafen und Schadensersatzzahlungen in unbekannter Höhe an die Hinterbliebenen, die Partisan_innen-Organisation A.N.P.I., die betroffenen Kommunen, an die Provinz Modena und die Region Emilia-Romagna verurteilt. Damit endet ein langjähriger Prozess, der am 11. November 2009 mit zwölf Angeklagten begonnen hatte. In dem Verfahren ging es um Massaker an der Zivilbevölkerung, die zwischen März und Juni 1944 in der Grenzregion zwischen den Regionen Emilia-Romagna und der Toskana begangen wurden.

 

Die Verurteilten Horst Günther (84), Günther Heinroth (84), Erich Köppe (91), Alfred Gabriel Lühmann (84), Helmut Odenwald (90), Fritz Olberg (88), Ferdinand Osterhaus (92), Wilhelm Karl Stark (89) und Hans Georg Karl Winkler (88) gehörten zu verschiedenen Einheiten der Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“, die im Zeitraum zwischen März und Juni 1944 in den Bergen der Apenninen mindestens 400 Menschen ermordeten und die betroffenen Dörfer ausradierten. Unter den Opfern waren zumeist Kinder, Frauen und alte Männer. Außerdem wurden die Häuser und Felder niedergebrannt und das Vieh getötet. Ziel war, daß an den Orten der Massaker nie wieder ein Mensch würde leben können.

 

Die Division „Hermann Göring“ hat eine steile Karriere gemacht. Sie wurde als Polizeieinheit gegründet und wuchs auf Divisionsstärke ohne den Status als Truppe „mit besonderem Auftrag“ zu verlieren. Wie kein anderer Wehrmachtsverband ist die Division „Hermann Göring“ mit der Stadt Berlin verknüpft. So waren die Einheiten der Division bis 1945 in der heutigen Julius Leber Kaserne in Berlin Reinickendorf stationiert, die explizit für die „Lieblingseinheit“ des Reichsmarschall als „Soldatenstadt im Grünen“ ausgebaut wurde. Rekrutiert wurde vor allem unter Abiturienten. Die Division aus überzeugten Nationalsozialisten war eine der größten der Wehrmacht und galt als hervorragend ausgestattet.

 

Im Jahr 1933 gründete Hermann Göring die Polizeiabteilung Wecke „zur besonderen Verwendung“ (PAW z.b.V.), die in Kreuzberg unweit des Tempelhofer Feldes stationiert war. Zusammen mit der Gestapo führte die Einheit systematische Razzien und Massenverhaftungen von Kommunist_innen, Sozialdemokrat_innen und Gewerkschafter_innen in Berlin durch. Schon ein Jahr später wurde die Polizeiabteilung mit einer Einheit handverlesener Polizeischüler aus Potsdam Eiche vereinigt. Das neue Regiment „General Göring“ (RGG) wurde 1935 in die Luftwaffe eingegliedert und zog in die zwischen 1936 bis 1939 ausgebaute heutige Julius Leber Kaserne nach Berlin Reinickendorf. Bis 1943 wuchs der Wehrmachtsverband auf Divisionsstärke und wurde als Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ zunächst in Nordafrika und dann in Italien eingesetzt. Dort ermordeten Einheiten der Division mindestens 1.500 Menschen. Die Soldaten vergewaltigten und zündeten die Dörfer an. Der „besondere Auftrag“ der Spezialeinheit bestand darin Terror unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten und jedes leben zu vernichten.

 

Vor dem Militärgericht wurde die Beteiligung an Massakern in 21 Ortschaften in der Grenzregion zwischen der Emilia-Romagna und der Toskana verhandelt. In Monchio, Susano und Costringano in der Provinz Modena ermordeten am 18. März Einheiten der Fallschirm-Panzer-Aufklärungsabteilung „Hermann Göring“ 132 Menschen. In Cervarolo und Civago töteten die Soldaten am 20. März 27 Zivilist_innen. Am Monte Morello in der Provinz Florenz ermordeten Soldaten verschiedener Einheiten der Division „Hermann Göring“ bei einer Durchkämmungsaktion am 7. und 8. April in mehreren Dörfern 14 Menschen. Im Gebiet des Casentino, an den Hängen des Monte Falterona, in der südtoskanischen Provinz Arezzo wurden zwischen dem 12. und dem 17. April mindestens 200 Menschen ermordet, unter ihnen viele Kinder. In Mommio und Sassalbo in der Provinz Massa-Carrara, in der Nordtoskana, töteten mehrere Wehrmachtseinheiten, unter ihnen eine Einheit der Fallschirm-Panzer-Aufklärungsabteilung „Hermann Göring“, und faschistische Truppen in mehreren Ortschaften 22 Menschen.

 

Die Kriegsverbrecher leben trotz des Verfahrens weitestgehend ungestört in Deutschland. Die verbliebenen neun Angeklagten beteiligten sich zu keinem Zeitpunkt an dem Verfahren und blieben dem Prozess fern. Lediglich Ferdinand Osterhaus aus Osnabrück schickte zu einigen Verhandlungstagen einen eigenen Anwalt. Die deutschen Behörden allerdings machten und machen wenig Anstalten die Verurteilungen umzusetzen oder eigene Verfahren anzustrengen. Hintergrund ist hierbei, daß offenbar die Bundeswehr und ihre Veteranen aus der Wehrmacht weiterhin geschützt werden. Die Geschichte der Verdrängung, die seit der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und der sogenannten „provisorischen Archivierung“ im „Schrank der Schande“ (ital. Armadio della vergogna) in dem Ermittlungsakten zu deutsche Kriegsverbrechen in Italien von 1960 bis 1994 lagerten, setzt sich auch heute fort.

 

Doch mit der Ruhe für die Nazi-Opas ist es nun vorbei. Die nun mehr verurteilten Kriegsverbrecher und ihre Nachbarschaft wir mit den Toten aus den apenninischen Bergen konfrontiert werden. Die Nazis konnten sich zwar dem Prozess entziehen, aber die Beteiligung an den Massakern bleibt unvergessen!

 

* ora e sempre: resistenza *

 

aka berlin

 

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Weitere Informationen

 

Italien unter deutscher Besatzung link

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Initiative „Keine Ruhe“ link

Per non dimenticare – Soundtrack gegen das Vergessen link

Video zu den Massakern der Division „Hermann Göring“ link

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