Das größte besetzte Gebäude in Calais, dass zuletzt bis zu 100 Menschen
„beherbergte“ wurde in den frühen Morgenstunden des 27. Juni geräumt.
Neben GrenzpolizistInnen waren vor allem MitarbeiterIn der Stadt bei der
Räumung beteiligt, letztere machten sich im Folgenden daran das Gebäude
zu zerstören. Anwesende AktivistInnen wurden dem Gelände verwiesen,
eine Kamera ging zu Bruch. Es gab eine Festnahme.
Die Bürgermeisterin, Natacha Bouchart kündigte die Räumung bereits einige Tage zuvor in einem Treffen mit lokalen Organisationen an, daher waren nur noch etwa 30 Menschen, die meisten von ihnen mit laufendem Asylantrag, im Gebäude. Viele der Übrigen suchten unterdessen Zuflucht im „Global House“ einem weiteren, noch jungen, besetzten Haus. Während im Laufe des Tages auch die Übrigen aus dem Africa House Vertriebenen dort eintrafen, mussten sie feststellen, dass eine Privatesicherheitsfirma den Zugang versperrte und nur noch denen, die den Weg aus dem Haus heraus suchten, Platz machte. Unterstützt wurde die Sicherheitsfirma von der Polizei (PAF).
Am Abend wurde dann auch das „Global House“ geräumt, wodurch etwa 100
Menschen auf die Straße gesetzt wurden. Den Menschen blieb nichts übrig
als in bereits existierenden Jungles, in improvisierten Bettenlagern unter Brücken und auf Parkbänken zu schlafen.
Die Räumung des Africa House ist in vielerlei Hinsicht fragwürdig. Zu allererst wurde hier in einem Akt rücksichtsloser Gewaltausübung 100 Menschen das Dach über dem Kopf gestohlen. Ein Fakt, der alleinstehend schon zu verurteilen ist. Doch selbst hinter dem rechtlichen Rahmen, den die Exekutive im Normalfall doch ach so gern heranzieht kann sie sich nicht verstecken. Demnach müssen Menschen die in Frankreich aus einem besetzen Gebäude „evakuiert“ werden sollen darüber auf offiziellem Wege informiert werden. Informationsblätter müssen im Rathaus und an dem betroffenen Gebäude angebracht werden. Informationen, wie die Entscheidung angefochten werden kann, müssen enthalten sein. Natürlich existierten in diesem Fall keinerlei dieser Papiere. Die PolizistInnen nannten nicht einmal eine rechtliche Grundlage, als sie das Gelände betraten und mit der Räumung begannen.
Das hier zelebrierte Autoritätsgehabe und Abgefeiere des unhinterfragbaren Uniformtragens stellten jüngst drei Sudanesen erfolgreich in Frage, als sie einen Freispruch vor Gericht einfuhren, nachdem sie der „illegalen Besetzung“ des Africa House angeklagt wurden.
Asylantragsstellende haben in Frankreich das Recht auf Behausung. Etwa ein Drittel derer, die im Africa House wohnten, gehörte zu ebenjener Gruppe – ein „offizielles“ Dach über dem Kopf bekam niemand von ihnen. Dies ist ein großer Rechtsbruch, der in Calais leider die Regel ist.
Als die Betroffenen während der Räumung auf ihre Rechte pochten, bekamen
sie erstmals das Angebot eine Behausung zu beziehen. Es klang jedoch
heraus, dass dies nur für kurze Dauer (in einigen Fällen nur 24h) gilt
und die Behausungen außerdem weit außerhalb von Calais sind.
Für diejenigen mit regelmäßigen Terminen bei der Asylantragsstelle in
Calais und ohne Geld für die langen Reisen, ein eher schlechtes Angebot.
Nichtsdestotrotz, ist es ein erstes Angebot und vielleicht ein Signal, dass die Stadt mit steigender öffentlicher Aufmerksamkeit, kalte Füße bekommt und zumindest kleine humanitäre Kompromisse eingeht. Die meisten der auf die Straße gesetzten Menschen haben jedoch keinerlei Papiere, ihnen wurde kein Angebot gemacht.
Gegen die wachsende Repression formiert sich auch wachsender Widerstand.
Ein Dossier, dass Rechtsbrüche der Polizei in Calais dokumentiert,
wurde am Montag in Paris dem „Mediateur de la Republique“ vorgestellt
und sorgte für große mediale Aufmerksamkeit. Außerdem sind weiterhin No
Border AktivistInnen vor Ort, und streuen Sand in das Getriebe der
Repression.
Es bleibt dabei:
Bewegungsfreiheit für alle, mit oder ohne Papieren!
Die Häuser denen, die drin wohnen!
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