Nachbereitungstext der Antifaschistischen Koordination Köln und Umland (AKKU) zu den Aktivitäten gegen den Rassist_innenmarsch am 7.5.2011 in Köln.
Nach den Anti-Islamisierungskongressen I und II versuchte die rassistische „Bürgerbewegung Pro Köln/NRW“ mit dem „Marsch für die Freiheit“ am 7. Mai 2011 die dritte Großveranstaltung in Köln durchzuführen. Statt der anfangs angekündigten 2500 Teilnehmer kamen gerade mal 320 in die Domstadt. Durch Blockaden gelang es Antifaschist_innen den Aufmarsch der Rechten erheblich zu verzögern, die Route des ursprünglich geplanten Demonstrationszuges wurde verkürzt. War der 7. Mai 2001 ein Erfolg für die antifaschistische Bewegung? Der Versuch einer Bewertung…
Mobilisierung
Die Mobilisierung des „Bündnis gegen pro Köln/pro NRW” (BgpK) lief im 
Vergleich zu den Anti-Islamisierungskongressen I und II (AIK I und AIK 
II) zunächst sehr schleppend an. Das Spektrum der beteiligten Gruppen 
war weitestgehend auf Köln und Umgebung beschränkt. Die notwendigen 
Arbeiten (Plakate, Flyer, Mobiveranstaltungen etc.) wurden von einigen 
Wenigen getragen. Die Ursachen für eine unzureichende Begeisterung, für 
antifaschistischen Widerstand gegen den Aufmarsch von pro und Konsorten 
am 7. Mai zu werben sind vielfältiger Natur. Mögliche Gründe könnten 
sein:
- Abnutzungserscheinungen: Beim dritten Mal scheint es schwer zu sein, 
die Aktivitäten der extremen Rechten zu skandalisieren. Es tritt ein 
gewisser Gewöhnungseffekt und Müdigkeit (nach dem Motto „Nicht schon 
wieder“) ein
- Schwerpunktverschiebungen: Der Erfolg beim AIK I hat zwar das 
antifaschistische Selbstbewußtsein gestärkt, konnte aber die guten 
Wahlergebnisse von “pro Köln/pro NRW” 2009 nicht verhindern. So wurde 
klar, dass nicht nur öffentliche Auftritte im Blick sein dürfen, sondern
 der Akzent noch stärker auf den Wahlkampf von “pro” gelegt werden muss.
- Unsicherheiten im Umgang: Im Gegensatz zum AIK I war bereits im 
Vorfeld klar, dass “pro” keine Massenbewegung auf die Straße bekommen 
würde. So mag bei manchen die Überlegung im Raum gestanden haben, dass 
mit einer breiten Mobilisierung, der Rechtsaußentruppe zu viel 
Aufmerksamkeit zukommen würde.
Auch die Pressereaktionen auf das BgpK waren verhalten. Dies ist aber 
auch auf mangelnde Aktivitäten aus dem Bündnis heraus zurückzuführen.
KSSQ oder „Keiner stellt sich quer“
Während in Dresden, Stolberg und Bremen der DGB und die Linkspartei 
längst erkannt haben, dass reine Symbolpolitik gegen Rechts nichts 
bewirkt, ticken die Uhren in Köln wohl etwas anders. Unter Führung des 
neuen Kölner DGB Chefs Andreas Kossiski verzichtete das von Parteien, 
Kirchen und Gewerkschaften getragene Bündnis „Köln stellt sich quer“ 
bewusst darauf, die räumliche Nähe zu dem Rassist_innenmarsch zu suchen.
 „Wir wollen kein Chaos“ so Kossiski in der Kölnischen Rundschau. Das 
Bündnis wolle einerseits Flagge zeigen, andererseits die Teilnehmer des 
„Freiheitsmarsches“ mit Nichtachtung strafen, ließ man im Vorfeld 
verlauten. „Fenster und Gardinen schließen, nicht hingucken und nicht 
hinhören“, so die ausgegebene Parole. Deutlicher kann die Abkehr vom 
eigenen Motto („Köln stellt sich quer“) kaum formuliert werden. 
Konsequenterweise rief man zu einem ökomenischen Gottesdienst und einer 
Menschenkette auf. Der Hang zur Hybris wurde dadurch getrübt, dass nicht
 mehr als 600 Menschen dem Aufruf zum Beten und Rumstehen gegen Rechts 
folgen wollten. Die im KSSQ-Bündnis organisierten Gruppen, allen voran 
die Kölner Linkspartei, werden sich für die Zukunft fragen müssen, was 
ihnen wichtiger ist: Die Anerkennung der mächtigen und einflussreichen 
Player in dieser Stadt (Oberbürgermeister, Kirchenvertreter etc.) zu 
erlangen und es dafür bei bloßen Lippenbekenntnissen zu belassen oder 
Teil einer ernsthaften antifaschistischen Intervention zu sein, deren 
Ziel es ist Nazi- und Rassist_innenaufmärsche zu verhindern oder 
zumindest zu stören.
Der Tag selber
… die Anreise
Das Konzept vom BgpK sah vor, sich an zwei Stellen zu sammeln um von 
dort gegen den rechten Aufmarsch vorgehen zu können. Durch das 
kurzfristige Bekanntwerden der Anreisepläne wurde sich spontan dazu 
entschieden, die Anreise der “Pros” zu verhindern. So machten sich 
verschiedene Gruppen zu den Treffpunkten in Leverkusen-Opladen und zum 
Flughafen Köln/Bonn auf.
Am Flughafen konnte die Polizei leider jeglichen Protest unterbinden. 
Dem Bündnis war es nicht gelungen schneller, früher und besser 
koordiniert zum Flughafen zu mobilisieren. Zur Verhinderung der Abreise 
der Rechten hätte es zudem mehr Menschen bedurft.
In Opladen jedoch gelang es entschlossenen AntifaschistInnen aus 
verschiedenen Spektren durch eine Gleisblockade die Abfahrt von ca. 100 
Personen um den “Pro”-Chef Markus Beisicht erheblich zu verzögern. Der 
Polizeiapparat zeigte sich zu schwerfällig, um auf diese Situation zu 
reagieren. Erst nach fast zwei Stunden wurden die Rechten mit Bussen 
nach Köln-Deutz transportiert, wo die anderen Teilnehmer_innen am 
„Marsch für die Freiheit“ schon ungeduldig warteten. Die 
Blockierer_innen wurden erkennungsdienstlich (ED) behandelt und 
anschließend frei gelassen. Ihnen droht laut Polizei ein Bußgeld. 
Trotzdem war diese Aktion die erfolgreichste des Tages. Sie zeigt, dass 
Antifaschismus bei schnellem und entschlossenem Agieren erfolgreich sein
 kann.
…währendessen in Köln
Währendessen versammelten sich in Köln an den Treffpunkten des BgpK 
Antifaschist_innen verschiedenster Spektren: linke Parteien und Gruppen,
 VVN, Gewerkschaftler_innen, Antifas, Autonome und besonders erfreulich 
viele Schüler_innen. Die genaue Anzahl lässt sich nicht ermitteln, da 
sich die Menschen zu den unterschiedlichsten Zeitpunkten an den 
unterschiedlichsten Punkten aufhielten. Am Heumarkt wurden an der 
Absperrung die mit zwei Stunden Verspätung dort eingetroffenen 
Rassist_innen durch optisches und akustisches Störfeuer begleitet. Die 
Polizei hatte – bis auf wenige Ausnahmen – die Situation voll unter 
Kontrolle. So war an eine Blockade auf der Route zwischen Deutz und 
Heumarkt (beispielsweise auf der Brücke selbst) nicht zu denken.
Blockaden auf der weiteren Route:
Der ursprüngliche Plan von „pro Köln/pro NRW“ sah vor, auf dem Heumarkt 
nur eine Zwischenkundgebung durchzuführen und dann durch das 
Griechenmarktviertel bis zum Barbarossaplatz zu ziehen. Zu diesem Zweck 
hatte die Polizei bereits am Freitag entlang der vorgesehenen 
Demostrecke Sperrgitter und Parkverbotsschilder abgestellt und am 
Samstagmorgen PKWs abgeschleppt.
Die Polizei verhinderte nur halbherzig, dass sich größere Gruppen vom 
Alter Markt/ Heumarkt in Richtung Griechenmarkt bewegten und so gelang 
es im Laufe des Vormittags mehreren Hundert Antifaschist_innen, in das 
Viertel zu kommen, sich nach einer etwas chaotischen Phase zu sammeln 
und alle relevanten Straßen, die vom Heumarkt in das Viertel führten zu 
blockieren. Erfreulicherweise beteiligten sich auch Mitglieder von 
Gewerkschaften, den Grünen, und der Linken an den Blockaden. Offenbar 
wollte dann doch nicht die gesamte Basis dieser Organisationen die reine
 Symbolpolitik von KSSQ mittragen.
Schließlich zogen es “pro Köln/pro NRW”, die FPÖ und der Vlaams Belang 
nach einer Reihe von wenig überraschenden Hetzreden vor, dann doch 
wieder über die Brücke nach Deutz zu ziehen.
Fest steht, dass ohne die zeitliche Verzögerung durch die Blockaden in 
Leverkusen-Opladen und ohne die Blockade im Griechenmarktviertel der 
Aufmarsch auf der vorgesehenen Route durch die Innenstadt stattgefunden 
hätte. Fest steht allerdings auch, dass weder die Veranstalter von “pro 
Köln/pro NRW” noch die Polizei ein ernsthaftes Interesse zeigten, den 
Marsch wie geplant durchzusetzen.
Pro: das übliche Abfeiern
Der “pro-Bewegung” war es nicht gelungen, die im Zuge der 
„Sarrazin-Debatte“ erneut offensichtlich gewordene Zustimmung zu 
rassistischen und ressentimentgeladenen Positionen in 
Teilnehmer_innenzahlen umzumünzen. So wollte neben den üblichen 
Verdächtigen, den Mitglieder der “pro-Bewegung”, des Vlaams Belang und 
einigen anderen rechten Splitterparteien niemand mitmarschieren. 
Trotzdem wurde das Spektakel ein neuer Höhepunkt des Realitätsverlustes 
bei “pro”. Die Zahlen wurden auf über 1000 Teilnehmende hochgejubelt. 
Für “pro Köln/pro NRW” war es wichtig, dass der “Marsch für die 
Freiheit” überhaupt stattfinden konnte um so Handlungsfähigkeit unter 
Beweis stellen zu können. Die Inszenierung einer Bewegung auf der Straße
 hat jedoch für “pro” keine so zentrale Bedeutung wie für die militante 
Neonaziszene. Entscheidender für “pro” ist die alltägliche 
kontinuierliche Arbeit, die Einflussnahme auf den öffentlichen Diskurs 
zum Thema Zuwanderung und Islam und Wahlerfolge. Hier fehlt es der 
antifaschistischen Bewegung weiterhin an geeigneten Gegenstrategien.
Eigene Versäumnisse
Neben den oben angerissenen Unzulänglichkeiten, ist es Antifaschist_innen nicht gelungen, den gesellschaftlichen Kontext, in dem die “pro-Bewegung” ihre rassistischen Parolen artikuliert angemessen zu kritisieren. Zwar wurde im Aufruf und auf Mobiveranstaltungen deutlich der „Extremismus“ der Mitte benannt, was über den Minimalkonsens vergangener Mobilisierungen gegen rechte Events hinausging – dennoch hätte man dem Anspruch, sich JEDEM Rechtspopulismus zu widersetzen, noch besser gerecht werden müssen. Das Ausruhen auf einer Vorabenddemo ist für uns jedoch nicht der richtige Weg. Vielmehr muss es darum gehen, Inhalte und antifaschistische Aktionen besser miteinander zu verbinden. Dresden 2011 könnte hierfür ein Beispiel sein. Denn dort gelang es die antifaschistische Massenmobilisierung inhaltlich mit einer Kritik am Opfermythos und der bürgerlichen Gedenkpraxis zu verknüpfen.
Fazit
1) Wieder einmal hat sich gezeigt, dass überraschende und entschlossen 
durchgeführte Aktionsformen wie die Gleisbesetzung in Leverkusen-Opladen
 erfolgreich sind und der Polizeiapparat nur bedingt in der Lage ist, 
drauf adäquat zu reagieren. Daher gilt es: Kreative Aktionsformen 
weiterzuentwickeln und unberechenbar zu werden.
2) Trotz der schleppenden Mobilisierung gibt es mittlerweile eine hohe 
Akzeptanz für Blockaden. Ohne diese Aktionsformen als Allheilmittel für 
alle Situationen und lokalen Gegebenheiten propagieren zu wollen, gilt 
es, darauf aufzubauen. Dabei ist es uns bewusst, dass es immer 
schwieriger wird erfolgreiche (Blockade-)Aktionen durchzuführen. Die 
Staatsmacht reagiert wie zuletzt in Dresden auch gegen diese 
nicht-eskalativen Aktionsformen zunehmend mit repressiven Maßnahmen von 
Pfefferspray bis Strafverfahren. Bei der Weiterentwicklung 
antifaschistischer Praxis gilt es auf diese Entwicklung eine Antwort zu 
finden.
3) Die totale Hinwendung von KSSQ zu einer bloßen Symbolpolitik war 
wenig erfolgreich. Sie blieb trotz medialer Schützenhilfe was die 
Mobilisierungskraft anging, deutlich hinter ihren Erwartungen zurück. 
Teilen der Basis der in KSSQ vertretenen Organisationen schlossen sich 
im Anschluss den Blockadeaktionen an oder entschieden sich schon im 
Vorfeld, der Show-Veranstaltung von KSSQ fernzubleiben und mit uns auf 
die Straße zu gehen. Den Widerspruch zwischen aktivem Widerstand und 
passivem Gewährenlassen gilt es deutlich zu formulieren.
4) Die antifaschistische Bewegung muss in Zukunft Konzepte gegen die 
kontinuierliche rassistische Wühlarbeit (Infostände, Wahlkämpfe etc.), 
der “pros” entwickeln und auch rassistische und „rechtspopulistische“ 
Kampagnen aus der Mitte und den Eliten der Gesellschaft (Stichwort 
Sarrazin) stärker in den Fokus einer antifaschistischen Intervention 
rücken.


das ist mal echt eine
sehr schicke auswertung... thumbs up!
hopefully folgen die richtigen schlüsse daraus.