Hausbesetzter haben sich in London das luxuriöse Anwesen von Gaddafi-Spössling Saif unter den Nagel gerissen. Sie wollen dafür sorgen, dass die Villa an das libysche Volk zurückgeht.
Im Millionärsviertel des Londoner Stadtteils Hampstead späht das 
alteingesessene Bürgertum nervös durch die Gardinen. So mancher hat 
Schlimmes kommen sehen, seit der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi 
seinem Sprössling Saif im Sommer vor zwei Jahren eine Villa dort auf den
 grünen Hügeln über London kaufte. Als damals Leibwächter die Übernahme 
des Hauses mit großem Tamtam organisierten, klagten einige Nachbarn 
schon, dass man sich einen potenziellen Unruheherd eingehandelt habe. 
Andere fanden, dass der betreffenden Straße nichts Besseres hätte 
passieren können. "Die Zahl der Einbrüche hier dürfte jedenfalls schnell
 sinken," freute sich einer. Doch ausgerechnet in die mit vielerlei 
Alarmanlagen und Überwachungskameras ausgestattete Gaddafi-Villa ist 
nun, am helllichten Tage, eingebrochen worden – wiewohl es keine Diebe 
waren, sondern Squatters, Hausbesetzer, die sich Zugang zu der Festung 
verschafften.
Nachdem von der Luxusbehausung vorige Woche im Zusammenhang mit Saif 
Gaddafis Zeit in London überall die Rede war, und Fotos des Gebäudes in 
den Zeitungen erschienen, hatte sich ein buntes Grüppchen Demonstranten 
unter dem Schlagwort "Topple the Tyrants" (Stürzt die Tyrannen) nach "zu
 den Gaddafis", aufgemacht. "Als wir davon hörten, dass einer der 
brutalsten Diktatoren der Welt in Nord-London ein Haus besitzt, schien 
es das Naheliegende, dieses Haus fürs libysche Volk in Beschlag zu 
nehmen", erklärt ein Sprecher der Gruppe, der sich Montgomery Jones 
nennt. "Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass von Gaddafi gestohlener
 Besitz ans libysche Volk zurückgeht – und nicht in den Taschen 
irgendwelcher Regierungen oder Großunternehmen verschwindet."
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Die Zwölf-Zimmer-Villa, die auch über ein Schwimmbad sowie über Sauna 
und eigenes Kino verfügt, war von den Gaddafis gekauft worden, als Saif 
seine Studien an der London School of Economics mit einem inzwischen 
heiß umstrittenen Doktortitel und diversen Finanzdeals mit der Uni 
abgeschlossen hatte. Der Kauf erfolgte im selben Monat, in dem Saif 
Gaddafi den aus schottischer Haft entlassenen Lockerbie-Bomber 
Abdelbaset Al Megrahi in triumphierender Gebärde nach Tripoli 
begleitete.
Ob Saif überhaupt jemals das Gebäude benutzte, das fast 13 Millionen 
Euro gekostet haben soll, weiß keiner der Nachbarn. Seit einiger Zeit 
stand es zum Verkauf, und in den vergangenen Wochen wurde es zur 
Vermietung angeboten. Statt eines gut betuchten Mieters kam nun aber der
 Hausbesetzertrupp. Der machte es sich auf den Plüschsofas gemütlich, 
hängte Revolutionsslogans aus den Fenstern und lud Besetzer anderer 
Quartiere zur freien Benutzung der Duschen ein: Nicht jedes besetzte 
Haus in Nord-London verfügt schließlich über den Luxus fließend 
Warmwasser.
Einiges an Spott zogen sich die Besetzer, wegen ihrer anfänglichen 
Heimlichtuerei und Abschottung zu. Zeitweise mussten sich Neuankömmlinge
 auf eine Warteliste setzen lassen, bevor sie das Haus betreten durften.
 Wer das korrekte Losungswort nicht wusste, musste leider draußen 
bleiben – den Besetzern zufolge eine Vorsichtsmaßnahme, um sich Polizei 
und Gaddafi-Sympathisanten vom Hals zu halten. Nur die wenigsten der 
Besetzer waren freilich selbst Libyer, wie Reporter schnell 
herausfanden. Etliche, wüssten gerade mal, dass Libyen irgendwo in 
Afrika liege, heißt es. Der Anführer der Truppe trage jede Menge 
"interessanter Ringe im Gesicht" und werde von den anderen Aussie, der 
Australier, genannt, berichtete der Daily Telegraph.
Vielen der nun endgültig ihres Friedens beraubten Anwohner wäre es am 
liebsten, wenn Scotland Yard der Hausbesetzung ein Ende bereitete. Die 
Polizei allerdings betrachtet die Besetzung nicht als kriminellen Akt, 
sondern als Frage eines Zivilstreits. Die Gaddafis müssten vor Gericht 
ziehen, um sich die erneute Verfügung über ihr Haus zu sichern. Unter 
den gegenwärtigen Umständen aber, und nach Sperrung all ihrer Guthaben 
auf der Insel durch die britische Regierung, können sich Gaddafi und 
sein Sohn für einen solchen Schritt wenig Erfolg ausrechnen.
			
				
			
				 
					
				
				
							


Bericht auf london.indymedia.org
Ein Indymedia-Bericht dazu findet sich hier:
http://london.indymedia.org/articles/7766