Erneut haben bis zu 100.000 Menschen beim Wisconsin State Capitol am Samstag gegen das Antigewerkschaftsgesetz AB11 protestiert. Das Gesetz, das die gewerkschaftlichen Rechte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst erheblich beschneidet, wird als eine der größten Herausforderungen seit Jahrzehnten an die U.S. amerikanische organisierte ArbeiterInnenbewegung gesehen.
Ein 
Polizeisprecher schätzte die Menge auf 85.000 bis 100.000 Menschen, 
womit die Proteste in Madison diejenigen gegen den Vietnamkrieg 
übertrafen.
Die Proteste folgten am Tag nachdem der 
republikanische Gouverneur Scott Walker das Gesetz unterzeichnete und 
führten damit die Proteste der drei vorangegangenen Wochen weiter. Die 
Beschäftigten sollen künftig zwischen 17% bis 18% aus ihren Gehaltsscheck zur Krankenversicherung und Renten beitragen,
 was offener Lohnraub ist. Doch nicht genug: Die Löhne sollen für die 
nächsten drei Jahre eingefroren werden. Zukünftig sollen die Löhne zudem
 nicht den Anstieg des Verbraucherpreisindexes  übersteigen, zudem soll 
es "Volksabstimmungen" zu den Lohnforderungen geben, mit denen diese "genehmigt"
 werden sollen. Da fällt dann kaum noch ins Gewicht, dass die 
Gewerkschaftsbeiträge zukünftig erst nach Abzug der Steuern bezahlt 
werden sollen.
Das Parlament von Wisconsin verabschiedete das Gesetz, indem die Republikaner eine Protestaktion der Demokraten mit einem Trick umgingen. Diese  "flüchteten"
 für drei Wochen nach Illinois. Damit versuchten sie, die für den 
Beschluss des Gesetzes notwendige Anzahl anwesender Senatoren zu 
verhindern. Nachdem alle Haushaltsbudgetrelevanten Passagen aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurden, war das erforderliche Quorum nicht mehr nötig. 
Die
 Kämpfe in Wisconsin waren Auslöser für eine Reihe anderer Proteste in 
weiteren Bundsstaaten gegen die dortigen Haushaltsdebatten, in deren Zusammenhang dort ebenfalls die Rechte der Gewerkschaften eingeschränkt werden sollen.
Die Republikaner begründen AB11 damit, dass es "keine Alternative" dazu gäbe, um die Kontrolle über defizitäre Haushalte zurückzugewinnen. Dabei diffamieren sie seit Jahren die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die "viel zu hoch bezahlt" seien und ein "besseres Leben"
 als die in der Privatindustrie Beschäftigten führen würden. Die 
Demokraten, deren Position von den Gewerkschaftsführungen unterstützt 
werden, greifen die Republikaner wegen deren gewerkschaftsfeindlichen 
Vorschläge an. In einer Reihe von anderen US-Bundesstaaten
 mit republikanischen Gouverneuren, darunter Indiana, Ohio, Iowa, 
Michigan und Florida wurden ähnliche Gesetze eingeführt bzw. sind diese 
geplant. Da die Gewerkschaften die größten Beitragszahler der 
Demokratischen Partei sind müssen deren politische Positionen auch in 
Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen 2012 gesehen werden.
Die
 Konfrontation mit den Gewerkschaften konnte die größte Kraftprobe mit 
der Arbeiterklasse werden, seit Präsident Ronald Reagan vor fast 30 
Jahren streikende Fluglotsen feuerte. Michael Moore formulierte in einer
 Rede vor den DemonstrantInnen den entscheidenden Vorteil der Arbeiterbewegung dabei - wenn diese das erkennt: "Sie sind die Minderheit, die Mehrheit sind wir!"
Siehe auch die Beiträge:
- Wisconsin's ArbeiterInnen zeigen inspirierende Demonstration der Stärke
- Solidarität mit den ArbeiterInnen in Wisconsin!
- Wisconsin
- den LabourNet Schwerpunkt: Massenproteste gegen Sparpläne im Öffentlichen Dienst der USA.
- Interview und weiterführende Links bei der FAU-IAA Amerikas ArbeiterInnen wehren sich


Ich blicke noch nicht ganz durch
Also in Deutschland trage ich knapp 15.5% meines Lohnschecks an die Krankenkasse und 9,95% an die Rentenkassen. Allerdings sind beide Versicherungen (fast noch) zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer paritätisch finanziert (schwarz -gelb gibt sich an allen Fronten größte Mühe das zu ändern). Gibt es diese paritätische Versicherung jetzt auch in den USA im Zuge der Gesundheitsreform? Wenn ja verstehe ich nicht den Aufstand dagegen. Es wäre ein riesiger Fortschritt zum bisherigen System, in dem jeder nur für sich selbst kämpfen musste, statt in eine solidarische Versicherung einzuzahlen. Aber bitte klärt mich auf falls ich falsch liegen sollte.
Scott's Spaltungstaktik
Was in Wisconsin geschieht, ist der systematische Versuch, die milliardenschweren Defizite für die Rettung von Großbanken auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst abzuwälzen. Scott Walker will 300 Millionen $ auf Kosten der Beschäftigten ein"sparen" und fährt genau die Taktik der Spaltung: Er sagt, die Beschäftigten in der Privatwirtschaft haben höhere Ausgaben für Kranken- und Rentenversicherung als die im öffentlichen Dienst. Tatsache ist, dass gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte im öffentlichen Dienst in den USA zu den wenigen Gruppen gehören, die noch auf eine gute Kranken- und Rentenversicherung vertrauen können. Was ja nicht gegen sie spricht, sondern dafür, sich zu organisieren und organisiert zu wehren., denn geschenkt haben die KollegInnen das auch nicht. Auf die Profitlogik Scott Walker's einzusteigen wäre so genau der verkehrte Weg.
Konkret handelt es sich - wie im Beitrag beschrieben - um eine Erhöhung der Beiträge für Kranken- und Rentenversicherung, die im Schnitt zusammen mit den anderen Kürzungen wohl zu einer Mehrbelastung von 400 $ führen wird. Monatlich und für jedeN BeschäftigteN.