Solidaritätstrakt: "Den Staat zerstören"

Solidaritätst-Akt

Übersetzung eines Artikels von https://www.lereveil.ch.
Ein Trakt der Solidarität mit den Aufständischen im Maghreb, gezeichnet Luttes Autonomes (luttesautonomes(a)yahoo.fr).

Seit mehreren Wochen erheben sich die Proletarier im Maghreb gegen unaushaltbar gewordene Lebensbedingungen und gegen den Staatsterror. Sie gehen auf die Strasse, kämpfen gegen die Bullen, greifen alle staatlichen Gebäude, Warenlager, Banken etc. an, sperren Strassen und verweigern, v.a. in Algerien, jegliche politische Einbettung, sei es durch die Opposition oder die Islamisten.

In ihrer realen Praxis stellen sich diese Bewegungen gegen den Staat, gegen das Privateigentum. In diesem Sinne sind sie ein bewundernswerter Protest gegen die Welt des Geldes, wunderbare Beispiele für einen Kampf gegen jegliche Form der Fügsamkeit, sie sind die Vorwegnahme einer kommenden, anderen Welt: die menschliche Gemeinschaft endlich versöhnt mit sich selber und befreit vom Staat, dem Geld, den Klassen.

Revoltierende und Ausgebeutete der Welt! Dieser Kampf ist der unsrige. Von Süden bis Norden, von Osten bis Westen ist dessen grundlegende Natur überall die gleiche. Arbeiter, Studenten, Arbeitslose, Junge, Alte...all diese Kategorien verschmelzen ihm Kampf gegen diese widerliche Welt, eine einzige kämpfenden Klasse formend, die nur ein zentrales Anliegen hat: die Zerstörung des Staates.

Die Antwort des Staates hat zwei Seiten: einerseits setzen die Regierungen auf Repression im grossen Stil, andererseits schlagen die politischen, gewerkschaftlichen, religiösen Oppositionen - Märtyrer spielend - den demokratischen Wechsel, den Abgang der Clique an der Macht, vor. Im einen wie im anderen Fall ist das Ziel das gleiche: das Ende der Revolte und die Fortsetzung der Herrschaft, wie auch immer dessen politische Form sein mag. Nur, wie die Form derselben auch sein mag - parlamentarisches Regime, Regime einer Einheitspartei, Autoritarismus... - der Staat bleibt immer der Staat. Seine Existenz impliziert, dass die Reichen reich bleiben, dass die Armen immer ärmer werden, dass sie malochen und in Ruhe krepieren.

Die Repression führt zu etlichen Toten, verkrüppelt, sperrt ein, foltert. Das ist das eigentümliche von Regimen, wo die politischen, gewerkschaftlichen, religiösen Opposition fehlen oder zu schwach sind, um ihre dreckige Arbeit als Trittbrettfahrer und der Befriedung der Kämpfe und Hoffnungen, die im Kampf für eine radikal andere Welt auflodern, zu verrichten. Man hört, dort sei Diktatur, während wir hier in der Demokratie seien, womit stillschweigend angenommen wird, dass uns sowas nicht geschehen könnte. Wir lebten in einer endlich befriedeten Gesellschaft, die nur von Zeit zu Zeit einige repressive Exzesse erlebte, Fehlverhalten, die Leuten "mit einem Problem" zur Last gelegt werden können und nicht einem System.

Das ist falsch: Es ist allen voran die Stärke der Revolte, die den Staat zu derartigen Massakern treibt, und nicht ein Mangel an Rechten. Es ist gelogen: Dabei wird verschwiegen, dass seit dem Indochina-Krieg die französische Polizei die meisten Polizeien der Welt ausbildet. Mag auch der Arm ein anderer sein, das Hirn ist "made in France". Sowie auch die Waffen, das Gas, die Schlagstöcke, die Panzer, die jedes Jahr für Millionen von Euros verkauft werden. Es ist illusorisch: Bis jetzt hat es der Staat hier nicht nötig, sich der offenen Repression zu bedienen. Die Gewerkschaften spielen ihre Rolle als Wächter des Kapitals nach wie vor gut, indem sie die proletarische Wut besänftigen und sie auf die Spur der Verhandlungen und des Erhaltens von Krümeln umleiten. Die politischen Parteien existieren, um die Illusionen der Beteiligung aller an der Macht aufrecht zu erhalten. Ab dem Moment jedoch, wo die Diener umgangen, verworfen...nutzlos werden, wird der Staat auch hier die gleichen offenen Terrormethoden einsetzen und den illusorischen Papierfetzen, der unsere Rechte sind, am Boden zerstampfen.

Unsere Verantwortung hier ist es, sich klar von "unserem" Staat zu distanzieren, zu zeigen, dass er aktiv an der aktuellen Repression beteiligt und sogar bereit ist, zu intervenieren, falls dort die repressiven Kräfte von Zweifeln gequält werden. Wie auch während der Revolte in Griechenland 2008: der griechische Staat beantragte polizeiliche Unterstützung beim spanischen und italienischen Staat.

Unsere Verantwortung hier ist es, die Fackel des Kampfes wieder auf zu nehmen, die wir Ende Herbst einstweilen fallen liessen. Wir haben eine Schlacht verloren, sind angeeckt an der Unnachgiebigkeit des Staates und der Logik des Kapitals. Ein Grund mehr, kräftig gegen die Verschlechterung unserer Lebensbedingungen zu reagieren, uns zu weigern, weiterhin den Kopf zu senken.

Die Proletarier im Maghreb brauchen diese Klassensolidarität! Und nicht scheue humanistische Proteste oder weinerliches Gejammer!

 

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Ich verstehe sehr gut die Hoffnungen und Wünsche, die aus den Metropolen an die Menschen im Trikont gestellt werden.

Sie sollen die Befreiung herbeiführen.

Und wenn diese rebellieren sind sie sofort die Erfüllungsgehilfen unserer Vorstellungen einer befreiten Welt.

So geiseln wir unseren Staat und Polizei durch die sozialromantische Rhetorik und universalistische Vereinfachungen.

 

All diese Rhetoriken aus Griechenland, Frankreich und Italien, die in letzter Zeit so nach Deutschland übersetzt werden sind so wunderschön, dass man sich fragt, wann jemand den Vorhang lüftet und die Ebenen aufzeigt, die zu durchschreiten so mühselig sind.

Es scheint zur Zeit aber nicht in Mode zu sein, sich mit Analyse, Selbstkritik und Basisarbeit zu beschäftigen.

Gefährliche Zeiten.

Mein Eindruck aus Aegypten ist bisher eher, dass sich die Menschen mehr politische Mitsprache und vor allem eine Verbesserung ihrer oekonomischen Situation erwarten. Ich bin zwar noch nicht lange hier aber eine anti-kapitalistische Sicht auf die politischen Eregnisse, die mit dem Sturz in Tunesien begannen, hat sich mir bisher noch nicht eroeffnet.