Dortmund: Den Mythos Dorstfeld brechen !

Würde man in antifaschistischen Kreisen Nordrheinwestfalens nachfragen, was denn vermeintliche Hochburgen neonazistischer Einzelpersonen bzw. Gruppierungen in der Region oder gar in ganz Deutschland seien, so bekäme man wohl in den meisten Fällen die Antwort "Dorstfeld".


Die Frage besteht nun darin, warum ausgerechnet dort die Organisationsstruktur der Nazis so ausgeprägt zu sein scheint und
was so anziehend für viele Jugendliche ist, sich den Kreisen des "Nationalen Widerstandes Dortmund" (NWDO) anzuschließen. Eine derartige Fragestellung und die damit verbunde Untersuchung bzw. Bewältigung des Problemes sucht man bisher im Grunde vergebens, obwohl es insgesamt auch einige sehr gut recherchierte Berichte über die Dortmunder Naziszene gibt: Ein Artikel aus "Mut gegen rechte Gewalt" (Neonazis in Dortmund – Hochburg der „Autonomen Nationalisten“) beschreibt grundlegend das Phänomen der hiesigen Nazis, Olaf Sundermeyers "In den Stadien auffällig unauffällig" (NZZ Online) gibt gute und konkrete Hinweise auf die Verstrickung von Dortmunder Fussballleuten und den organisierten Nazis. In "Andere Saiten aufziehen" aus der LOTTA Nr. 35 gibt es zudem einen sehr wichtigen Recherchebericht über die Personal- und Organisationsstruktur der "Autonomen Nationalisten", außerdem informieren etwa die Antifa Union oder das Infoportal "kiezsport" in der Regel über Aktuelles aus Dortmund.

Doch wie kann man all diese gesammelten Informationen im Sinne antifaschistischer Arbeit rund um Dortmund sinnvoll nutzen?

Theorie und Recherche auf der einen, aktionsorientierte Praxis auf der anderen Seite müssen zum Grundkonsens linker und linksradikaler
Strukturen im Ruhrgebiet verschmelzen. Es genügt nicht - was ohnehin mehr als fragwürdig erscheint - sich auf die Polizei zu verlassen, was doch Woche für Woche bestätigt wird. Egal ob bei rabiaten Einsätzen gegen Fussballfans, friedliche Demonstranten (medienwirksamstes Beispiel "Stuttgart21") oder eben Antifaschisten zeigen, dass niemals Verlass auf das sogenannte "Team Green" sein kann. Dies wird durch (scheinbar) fadenscheinige Parolen - beispielsweise auf Transparenten - gegen den Staat oder durch allseits
beliebte ACAB-Rufe so oder so ad absurdum geführt. Von daher ist jegliche Kooperationen oder gar das ernsthafte Verlangen nach "Hilfe" durch die  Polizei langfristig in keinem Falle tragbar. Aufgrunddessen darf man sich auch nicht darüber beschweren, dass die Polizei etwa Anti-Antifa-Fotografen bei Demonstrationen (z.B. 18.12.2010 Dortmund) nicht ,entfernt': Ihr Interesse ist das des Staates, welchem es ersteinmal egal ist, dass sich Rechte und Linke nicht ,leidenkönnen'.

Zudem muss man sich die Frage stellen, weshalb das Personenpotenzial der
Dortmunder Nazis scheinbar stetig steigt und wo die Anziehungskraft dessen liegt.
Der Großteil der deutschen Jugendlichen zwischen 13 und 18 sowie die Gruppe der 19- bis etwa
30jährigen im Ruhrgebiet bedienen sich am ganz klassischen Klischee "der Antifa".
Für viele eben dieser Zielgruppe steht "die" Antifa erstmal für alles, was sie selbst
nicht sind und nicht sein wollen. So werden mit dem Terminus "Antifa" im Ruhrgebiet fälschlicherweise oftmals "Zecken", Punks, linksintellektuelle; am besten noch langhaarige Studenten, vermeintliche Ausländerbanden oder irgendwelche ,verweichlichte' Skater oder Pseudorevolutionäre verbunden.

Diese Klischees und die damit durchweg negativ verbunde Grundhaltung gegenüber allem, was
irgendwie als "links" erscheint, zieht sich dabei nicht nur durch die Strömungen "normaler"
Jugendlicher, für welche Suff und Schule das einzig Wichtige im Leben zu sein scheint, sondern
auch vor allem durch die der Nazis. Gepaart mit latentem oder schon ausgeprägterem Ausländerhass,
der sich im Ruhrgebiet gerade gegen "die Kanacken" richtet, entsteht so schon ein gewisser Grundkonsens deutscher
Jugendlicher. Anders also als in den linken Hochburgen Hamburg oder Berlin, steht alles das, was als
links oder gar "linksextrem" gehalten wird, für eine "anormale" und daher nicht tragbare Lebenseinstellung.
Outet sich etwa ein Schüler im Unterricht als eindeutig links, so sind Pöbeleien a lâ "Scheiss Kommunist"
und klassische DDR-Vergleiche nicht allzu fern. Jugendliche, die gar die Linkspartei oder beispielsweise
die Soziale Liste bei Kommunalwahlen wählen, gelten gesellschaftlich als "undemokratisch" und "linksextrem".

Das Image "der Neonazis" ist dabei bei mehrheitsgesellschaftlichen "normalen" Jugendlichen und vor allem bei
organisierten sowie erlebnisorientierten "Ruhrpottlern", wie Teilen der Ultras und Hools, oder spezifisch rechtsoffenen Deutschen ein anderes.
Während speziell die Antifaszene im Ruhrgebeit/NRW von vielen dieser Leute grundlegend nicht ernst- oder wahrgenommen, und auf oben genannte billige Klischees zurückgegriffen wird, so werden Nazis oftmals mit rebellischen, kraftsporttreibenden, nahezu übermächtigen glatzköpfigen oder "autonomen" konsequenten Schlägern verbunden. Dieses als ,kraftvoll' angesehene Phänomen der medial verbreiteten "gewaltbereiten Neonazis" wirkt daher mehr als magisch für Großteile von erlebnisorientierten Jugendlichen, die Ähnliches etwa auch bei vielen Ultragruppen oder in Jugendgangs zu finden versuchen. Notiert der gemeine (rechtsoffene) Erlebnisorientierte dann die (pseudo)militanten Aktionen der Dortmunder ANs oder jüngst den Angriff auf die Hirsch-Q der "Skinheadfronft Dorstfeld", so merkt er, dass bei den extremen Rechten im östlichen Ruhrgebiet scheinbar "was geht".
So ist die (vermeintliche) Vernetzung zwischen der Ackertruppe "Northside" (NS), den ach so unpolitischen "Desperados" (DES) und Teilen der ANs auch kein Wunder. All diese Leute gehören zu den Erlebnisorientierten Dortmunds, sie teilen die antikommunistischen und xenophoben Ressentiments und beanspruchen daher mittlerweile endgültig Dortmund bzw. das östliche Ruhrgebiet (klassische BVB- oder AN-Gebiete wie eben Dortmund, Lünen, Castrop-Rauxel, Kamen, Hamm oder Unna) als "ihr" Revier.

Obwohl das Ruhrgebiet bekanntermaßen der größte Ballungsraum der BRD ist, so sind die Antifastrukturen und eine
gewisse linke Grundkultur vergleichsweise eher kleingehalten. Aus Hamburg und Berlin hört und liest man nahzu wöchentlich von militanten Aktionen linksradikaler Kräfte. Dort ist das Abbrennen von Autos, die öffentliche Schaustellung linker Klamotten (siehe etwa Telly Tellz in "Mischlingskind"), gewaltorientierte Aktionen gegen Nazis und Staat (etwa gezielter Angriff in St.Pauli auf Polizeiwache mit Krähenfüßen etc.) oder kraftvolle Großdemonstrationen (am bekanntesten dabei wohl die 1. Mai-Randale) Gang und Gebe.
Diese konsequente Antifastruktur lässt sich dagegen in den meisten Bereichen des Ruhrgebiets nicht finden.
Der Respekt vor der Polizei, vor vermeintlichen "Nazischlägern" oder die Angst vor Repression überwiegen bei vielen derer, die sich allgeimein als links oder gar Antifa bezeichnen würden. Anders also als in St.Pauli,Connewitz oder Kreuzberg gibt es vor allem in Dortmund kein übergroßes prinzipielles Antifapotenzial - eine positive Beziehung oder Solidarität vieler Jugendlicher zu "der" Antifa existiert vergleichbar nicht. Lediglich die Nordstadt wird von außerstädtischen und lokalen Antifas noch als alternativer Stadtteil wahrgenommen. Trotz mehrerer gezielter Attacken etwa auf die Szenekneipe Hirsch-Q kommen zur darauf bezogenen wichtigen Demo des DAB "nur" etwa 300 meist junge (lokale) Antifas. Um angeblich umherschwirrende Nazikleingruppen und rechte Fotografen kümmern sich nur wenige aktionsorientiere Demoteilnehmer. Statt selbstständig aktiv zu werden und ebenfalls militante linke Aktionen durchzuführen, bemängelt man eher das Zuspätkommen der Polizei an der Hirsch-Q, skandiert allein Parolen oder wundert sich über  die brutale Entschlossenheit der unvermummten rechtsextremen Skinheadangreifer.
Dabei wird außer Acht gelassen, dass sich eben diese , sowie der Rest der Naziszene, genau für solche Angriffe und die damit verbunde "typische Antifaheulerei" feiern und feiern lassen. Dabei sind die Objekte des NWDOs in der vermeintlichen Nazihochburg Dorstfeld allseits bekannt. Die Gegend um die Thusneldastraße, den S-Bahnhof und um das "NZ" sind alles andere als ,heilige' und unbetretbare "No-Go-Areas". So sind mittlerweile etwa Autobesatzungen oder sportliche Kleingruppen, die vereinzelt nach Nazis spähen keine Seltenheit mehr. Gleichsam werden Aufkleber und Plakate schneller entfernt als den pseudoautonomen Jungnazis lieb ist, Autos fangen schneller Feuer als sie glauben (September 09) und vereinzelte "NZ"-Besucher können auf der Straße ebenfalls nett begrüßt werden (einige Tage vor AKT 2010).
Auch wenn von all den gezielten Aktionen nichts oder nur wenig von Seiten der Nazis oder der Presse medial erwähnt wird, so fanden sie statt und müssen in Zukunft regelmäßig stattfinden.
Die Dortmunder Nazigruppen müssen wissen, dass Gewalt Gegengewalt erzeugt, und es nicht so ruhig in Dorstfeld und Umgebung bleiben darf. Der Großteil der jugendlichen ANs um Giemsch, Brück und co weiß sich nämlich auch nicht anders zu helfen als mit Kameras, Flexfitkappen, Sambaschuhen und Pfefferspray.

So muss nun spätestens nach dem aktuellen Skinheadangriff sowie der AN-Attacke vor ein paar Monaten auf die Hirsch-Q eine neue bzw. konsequentere autonome Struktur entstehen. Es reicht daher nicht, sich hin und wieder auf Antifademos zu zeigen, um dann wieder im Black-Block-Outfit nach Hause zu fahren oder sich Foto- und Videoberichte aus Athen,Berlin,Paris oder Rom anzusehen, ohne selbst aktiv zu werden. Aufgrunddessen muss antifaschistische Kritik in Dortmund vor allem praktischer werden. Regelmäßige Demos wie etwa die für den ermordeten Punk Schmuddel sind essentiell; doch muss antifaschistische Kultur im Ruhrgebiet noch mehr und mehr praktiziert werden. So sind beispielsweise die inhaltlichen innerlinken Auseinandersetzung bei den Antikriegstagsgegenveranstaltungen (s4 und DSSQ) zwar richtig und wichtig, dürfen jedoch nicht zum Scheitern eines breiten (überregionalen) Antifabündnis führen. Es darf in Anbetracht einer der größten Nazievents Deutschlands nicht zu persönlich oder pseudopolitisch motivierten innerlinken Streitigkeiten kommen - dies wirkt für die rechtsextreme Szene sowie für die Polizei wie der sprichwörtliche Sechser im Lotto.

Ziel der linken und autonomen Kräfte im Ruhrgebiet daher muss sein, andere subkulturelle Jugendbewegungen ,für sich zu gewinnen'.
Man muss den Dialog bzw. die Nähe zu unorganisierten Linken, engagierten Fussballfans und Ultras, Graffiticrews, Schülern, Studenten und Migranten suchen, um so antifaschistische Intervention voranzubringen. Viele dieser Jugendlichen haben die selben sozialen Probleme wie Antifas auch und sind somit Teil der kapitalistischen Misere in Deutschland; speziell im Ruhrgebiet.
So ist zu vermerken, dass bereits viele dieser besagten gesellschaftlichen Gruppen bei (größeren) Antifademos anzutreffen sind und dabei vermehrt aus Städten wie Mülheim, Recklinghausen, Essen, Bochum, Köln, Düsseldorf, Münster oder Duisburg anreisen. So sind dies entweder antifaschistische Einzelpersonen bzw. Antifagruppen oder im Falle der Fussballfans bundesweit antirassistische Ultras wie etwa UB' 01 (Braunschweig), Diablos (Leipzig), Infamous Youth (Bremen) oder die des FC St.Pauli (USP).


Der Begriff "Antifa" im Ruhrgebiet muss wieder gesellschaftlich und subkulturell als kraftvoll anerkannt und somit positiv besetzt werden. Man muss versuchen das (Dortmunder) Naziproblem militant und aktionsorientiert anzupacken, indem man selbst aktiv wird und sich nicht in die aussichtslose ,Opferrolle' drängen lässt. Dabei kann ein Blick Richtung Athen oder Hamburg nicht schaden.
Der erzwungene Umzug einer engagierten Familie aus Dorstfeld oder die momentane Schließung der Hirsch-Q dürfen kein Anlass sein zu glauben, man habe es mit scheinbar "unbezwingbaren" Nazihorden im Dortmunder Westen zu tun. Wenn vor kurzem während einer nicht weit entfernten Antifademo nur drei rumalbernde Jung-ANs am "Nationalen Zentrum" vor der Tür ,Wache stehen' und ansonsten abendlich gerne mal zur benachbarten Shell-Tankstelle gegangen, oder per Opel Corsa gefahren wird, deutet dies auf die schier unerträgliche Gelassenheit und Naivität, welche die Dortmunder Nazis dort mittlerweile an den Tag legen.
Auch wenn Dorstfeld also überregional bekannter und organisierter zu sein scheint ("NZ",WGs und "resistore"), so ist der Ruf des überschaubaren Staddtteils deutlich größer als die pure Realität. Zudem haben ANs und co in nahezu allen anderen Großstädten in NRW  nicht allzuviel ,zu melden' und können daher dort auch nicht vergleichsweise agieren. Dem Entsetzen der örtlichen linken Gruppen über die wiederholte Attacke auf die Hirsch-Q müssen demnach Taten folgen und ein neues Antifabestreben im Ruhrgebiet muss erlangt werden.




Den Dorstfelder Mythos brechen !

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Sehr gut geschriebener Text zum Naziproblem Dortmunds.

 

Taten müssen folgen!

 

Schlechte Kenntnis von Dorstfelder Verhältnissen!

Mangelnde Analysen der Dortmunder Gesamtsituation!

Einzige Option: Hebung des eigenen Gewaltpotentials!

 

Benotung: ungenügend!

Besser machen! gendern!

es ist ja löblich sich zur situation in dortmund gedanken zu machen. aber einerseits stimme ich vielem in der einschätzung nicht zu. die akzeptanz von nazis im pott ist doch weit übertrieben. die unerklärt bleibende ruhrgebietsspezifiztät in vollständigem gegensatz zur situation zb in hh darzustellen, ist äußert vereinfachend.

wenn mensch da was ändern, dann hilft es äußert wenig sowas wie erhöhte leistungsbereitschaft zu appellieren. zum beknackten hinweis auf griechische militanz fällt mir schon fast gar nix mehr ein. ob das überhaupt sinnvoll wäre, will ich mal klar bezweifeln. wenn widerstand entsteht dann aber nicht als abstrakte idee von etwas, was mensch gerne möchte, sondern als politischer prozess von politisch aktiven unter berücksichtigung lokaler bedingungen.