Wie jeden zweiten Sonntag im September findet in Berlin seit 20 Jahren traditionell der "Tag der Erinnerung und Mahnung" statt, so auch gestern, am 12. September. Im vorigen Jahr war der Veranstaltungsort noch der Bebelplatz, statt wie die letzten Jahre zuvor das Marx-Engels-Forum. Denn dort wird zur Zeit wegen der künftigen Streckenführung der U 5 vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz eifrig gebuddelt. In diesem Jahr fand der antifaschistische Gedenktag im Lustgarten bzw. auf dem Straßenabschnitt Am Lustgarten/Bodestraße gleich neben dem Alten Museum statt.
Die Erinnerung an die furchtbaren Untaten der Nazi-Diktatur sind nach 65 Jahren leider in großen Teilen der Bevölkerung weitgehend verblaßt. Und deshalb ist ständiges Mahnen an die unfaßbaren Greuel des Faschismus geradezu Pflicht ( http://www.wsg-hist.uni-linz.ac.at/Auschwitz/htmld/ILA.html ), weil rassistisches und faschistoides Gedankengut längst wieder in der sogenannten Mitte der Gesellschaft - und dort beileibe nicht nur bei den ohnehin schon immer erzreaktionären üblichen Verdächtigen - angekommen und salonfähig geworden ist. Frei nach Brecht: Der Schoß ist fruchtbar immer noch ( http://www.sopos.org/aufsaetze/429a200543a58/1.phtml ).
Anders als in 2009 hatten wir gestern herrliches Spätsommerwetter, wenn auch vielleicht mit 24° ein bißchen zu warm. Der Lustgarten vor dem Alten Museum war deshalb eine einzige große Liegewiese. Unsere Gedenk-Veranstaltung lud von 13 bis 18 Uhr mehrere Tausend BesucherInnen zum Informieren, zum Nachdenken und zum Gedankenaustauschen vor der Hauptbühne und im Zelt ein. An den vielen Ständen der verschiedendsten antifaschistischen Organisationen und Gruppen wurden außer sehr preiswerten teils antiquarischen Büchern auch diverse andere interessante Accessoires und Szeneartikel angeboten. Als sehr angenehm empfand nicht nur ich, daß die Imbißstände nicht wie in 2009 am Bebelplatz aufdringlich im Eingangsbereich plaziert waren sondern sich mittendrin eher unauffällig den Info-Ständen anpaßten. Sie waren trotzdem gut frequentiert, die Betreiber hatten mit Sicherheit keine Einnahme-Einbußen.
Neben der Haupttribüne fand unter schattigen Bäumen das Kinderfarbenfest statt, dort war auch die Kinderhüpfburg aufgebaut. Als ich gegen 17 Uhr das Zelt nahe dem Eingangsbereich betrat, wurde gerade von der Verfolgung und Ermordung der "Asozialen" in der Nazi-Diktatur berichtet und auch darüber, daß über die Greuel an dieser Gruppe der Ärmsten der Armen in der BRD und zuvor selbst in der DDR eher der Mantel des Schweigens gedeckt wurde, geschweige denn, daß die Überlebenden eine Entschädigung wie andere Opfergruppen erhielten!
Am VVN-Stand gleich neben dem Zelt war der 82jährige amerikanische Spanienkämpfer, Victor Grossman, fit wie ein Turnschuh zugange (Foto 37) und erzählte humorvoll von seiner Spanienzeit. Die Exemplare seines Buches "Madrid du Wunderbare" fanden wie von selbst reißenden Absatz, zumal Victor Grossman auf Wunsch eigenhändig signierte. Natürlich konnte auch ich nicht widerstehen und erstand ein Exemplar mit seiner persönlichen Widmung.
Weil ich schon zuvor am Stand des Freundeskreises Ernst-Thälmann-Gedenkstätte e.V. Ziegenhals ( www.etg-ziegenhals.de ) drei zeitlos ausdrucksstarke Arbeiter-Kampfplakate aus den 20er Jahren - wenn auch sehr preiswert - gekauft hatte, war mein Budget erschöpft. Aber ich hatte ja einige gute Gespräche mit MitstreiterInnen geführt, in verschiedenen Antiquariaten gestöbert, dabei ein dreibändiges Geschichtswerk über die Sowjetunion für 1,50 € gefunden, und machte mich deshalb hochzufrieden auf den Heimweg.
Meine 39 Fotoimpressionen sind unter http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/22/26872355#26872355 eingestellt. Die Fotos dürfen bei namentlicher Nennung des Knipsers und Angabe der Quelle für nichtkommerzielle Zwecke gerne heruntergeladen, gespeichert und weiterverbreitet werden.
Bernd Kudanek alias bjk
http://freies-politikforum.carookee.com
weiterführende Links:
Aktionstag gegen Rassismus, Neonazismus & Krieg: http://www.tag-der-mahnung.de/index.html
Die Broschüre "20 Jahre TdM": http://www.tag-der-mahnung.de/TdM-Zeitung.pdf
Richtigstellung
kopiert aus Ergänzungen von: http://de.indymedia.org/2010/09/289859.shtml
Victor Grossman
Von Klaus
Victor Grossman war nicht Spanienkämpfer. Er ist (wie auch in dem von ihm zu erwerbenden Buch steht) Jahrgang 1928. Er war zu Beginn des Spanischen Bürgerkrieges also gerade mal 8 Jahre alt. Demzufolge konnte er nicht aus seiner Spanienzeit berichten, wohl aber über sein ansonsten nicht minder spannendes Leben. Er "flüchtete" aus den USA der "McCarthy-Ära" in die DDR.
Das von ihm geschriebene und am dortigen Stand zu erhaltende Buch stellt persönliche Erinnerungen, Briefe und Notizen vieler Spanienkämpfer zusammen und soll die Erinnerung an diese Freiwilligen wachhalten.
@Klaus DANKE!
Von Bernd Kudanek
Asche auf mein Haupt, hab's jetzt auch im Buch gelesen. Eigentlich hätte ich gleich von selber drauf kommen müssen, weil Victor Grossman 1928er und nicht 1918er Jahrgang ist. Nochmals sorry an die Leserschaft und Danke an Klaus.