Am 9. Januar 2017, wie an vielen anderen Montagen auch, fand eine Kundgebung der rechtspopulistischen bis rechtsextremen PEGIDA-Bewegung in Braunschweig (BraGIDA) statt. Auf dem Platz der deutschen Einheit befand sich unter ca. 20 anderen Bragida-Teilnehmer*innen auch der stadtbekannte/sich bekennende Neonazi Timo Steinmann.
Timo Steinmann (der übrigens zu diesem Zeitpunkt laut Ermittlungsakte 
angetrunken war) beschuldigte im Laufe der Demonstration eine 
Gegendemonstrantin ihn ins Gesicht gespuckt zu haben und danach vor ihm 
geflohen zu sein. Aus diesem Grund wurde die von Steinmann beschuldigte 
dann von PK Klinkert und PKin Schnars „zu Fuß verfolgt“. Auf Höhe des 
Schloss Carree wurde die Gegendemonstrantin von PK Klinkert 
festgehalten. Es trafen dann noch weitere Polizist*innen ein (PKin 
Schnars, PKin Gummar, PK Vollmers, PK Schrader, PKin Böker, PKin Roßberg
 und PK Kleinsorge).  So steht es zumindest im Strafbefehl.
Was 
nicht im Strafbefehl steht, ist die unverhältnismäßige Gewalt seitens 
der Polizei gegenüber der beschuldigten Gegendemonstrantin.
Auf Höhe 
des Schlosscarrees passierte nämlich Folgendes: PK Klinkert schleuderte 
die Demonstrantin, hier Ännlin genannt, gegen einen der Betonpfeiler, 
die den Weg zum Schlosscarree umschließen, um sie nochmal mit Schwung 
und mit dem Ausruf „Boom“ mit dem Kopf gegen die daneben stehende Wand 
zu schleudern. Dabei wurde ihre Hand verstaucht. Dass sie am Kopf
 unverletzt blieb ist ein Glück, denn aufgrund der Tatsache, dass die 
Betroffene ein gerinnungshemmendes Medikament nimmt, was sie zur 
künstlichen Bluterin macht, ist die Gefahr einer inneren Blutung bei 
einer solchen Behandlung um einiges erhöht.
Laut Strafbefehl wurde 
Ännlin von PKin Gummar durchsucht, während PK Schrader und PK Vollmers 
sie an beiden Armen festhielten. Dabei soll sie laut Strafbefehl mit den
 Ellenbogen nach den Polizeibeamt*innen geschlagen haben. Was nicht im Strafbefehl steht, ist die Tatsache, dass PKin Gummar Ännlin sexuell belästigte,
 indem sie ihr bei der sogenannten „Durchsuchung“ zwischen die Beine 
fasste. Später in den Ermittlungsakten war zu erfahren, dass gegen PKin 
Gummar ein Ermittlungsverfahren wegen sexueller Belästigung eröffnet 
wurde. Wie der aktuelle Stand in diesem Verfahren ist ließ sich in den 
Akten jedoch nicht herausfinden. Auf jede körperliche Regung Ännlins, 
z.B. als ihr die Beine wegknickten, wurde mit weiterer Gewalt 
geantwortet, sodass sie sich auf einmal von mehreren Polizeibeamt*innen 
auf den Boden gedrückt wiederfand, um ihr Handschellen anzulegen. Auch 
von dieser Prozedur erhielt sie Hämatome und Prellungen. Sätze, die 
deutlicher nicht hätten sein können wie „Aua, ihr tut mir weh“ wurden 
von der Polizei ignoriert oder als Wirken ihrer Methoden gedeutet und 
somit als gutes Zeichen gewertet. Obwohl Ännlin mit Handschellen 
gefesselt war, sie gleichzeitig von mehreren Polzeibeamt*innen 
festgehalten wurde, wendeten sie immer weiter Schmerzgriffe an. So 
verdrehten ihr die Polizist*innen die Hände, sodass an der rechten Hand 
die locker sitzende Handfessel mit der Kante ans Gelenk drückte und 
weitere Hämatome verursachte. Die linke Hand wurde trotz Verstauchung 
(wie später die Chirurgie feststellte) auch immer wieder schmerzhaft 
verdreht.
Nach der Beschreibung des angeblichen Verlaufes am 
Schloss-Carree endet die Schilderung des Strafbefehls. Tatsächlich war 
die Strapaze für Ännlin aber noch nicht beendet. Statt sie nach 
erfolgreicher Personalienaufnahme gehen zu lassen, wurde sie -erneut 
unter schmerzhaften Griffen- in ein Polizeiauto verfrachtet und zur 
Polizeistation in der Münzstraße gefahren, wo sie unter ständiger 
Beobachtung von mehreren Polizist*innen in eine Zelle eingesperrt wurde,
 wo sie noch einige Zeit (ca. 10 Minuten – was sich in so einer 
Situation viel länger anfühlen kann) in Handschellen blieb.
Als ihr 
die Handschellen abgenommen wurden, verlangte die Polizei von ihr sich 
komplett auszuziehen. Nach dieser Maßnahme wurden ihr Schuhe sowie ihre 
Jacke weggenommen, sodass sie die restliche Zeit in der Zelle fror, was 
sie den anwesenden Polizist*innen mitteilte. Die sahen allerdings 
keinerlei Notwendigkeit Ännlins Grundbedürfnis nach warmer Kleidung 
nachzukommen. Nach ein bis eineinhalb Stunden Frieren und Machtlosigkeit
 wurde sie aus der Zelle und der Station entlassen.
Auch wenn ab da 
die akute Situation beendet war/ist, bleibt doch ein länger währender 
Eindruck dieser entmachtenden, erniedrigenden Situation bestehen. 
Dazu kommt ein bitterer Nachgeschmack: Denn
 nach vollzogener Körperverletzung und sexueller Belästigung seitens der
 Polizeibeamt*innen an der nun Angeklagten Ännlin, bezichtigt die 
Polizei sowie die Staatsanwaltschaft Braunschweig sie des „Widerstands 
gegen Vollstreckungsbeamte“ und der „versuchten Körperverletzung“.
Derzeit
 ist noch nicht einmal geklärt, ob dieses „Anspucken“ des Neonazis Timo 
Steinman überhaupt stattgefunden hat, da sich die Beschuldigungen des 
Strafbefehls auf die angeblich stattgefundenen „Straftaten“ gegenüber 
den Polizist*innen beschränken. Wo bleibt also die Grundlage dieses 
gewalttätigen Polizeieinsatzes, dem allem Anschein nach noch nicht 
einmal eine wirkliche „Straftat“ vorausgegangen ist? Doch egal was an 
diesem Abend genau geschehen ist, eine Rechtfertigung für das Verhalten -
 der von einem besoffenen Neonazi losgeschickten Polizist*innen - gibt 
es nicht.
Kommt bitte zum Prozess der Angeklagten und unterstützt sie mit eurer Solidarität!
Der Prozess findet am Mittwoch, den 13. September 2017 im Amtsgericht Braunschweig statt:
Raum E 07 um 11 Uhr vormittags!
Adresse des Amtsgerichts: 
An der Martinikirche 8
38100 Braunschweig
Aufgrund unvollständiger Akteneinsicht hat Ännlins Anwältin einen Aussetzungsantrag gestellt, dem stattgegeben wurde.
Wieso unvollständig?
Es
 fehlen die Akten zum Ermittlungsverfahren zu der angeblich 
vorausgegangenen „Straftat“ des „Anspuckens“ (was „Körperverletzung“ 
gewesen sein soll) und zum Ermittlungsverfahren gegen PKin Gummar wegen 
sexueller Belästigung zum Nachteil Ännlins.
Diese beiden Akten könnten jeweils entlastende Hinweise für Ännlin enthalten.
Obwohl
 die Staatsanwaltschaft Braunschweig diese Akten zur Bearbeitung von 
Ännlins Fall bereits eingesehen hatte, werden sie der Verteidigung 
Ännlins bisher ferngehalten.
Die Akten sind aber wichtig weil sie mit dem Verfahren gegen Ännlin in direkter Verknüpfung stehen.
Eine fundierte Verteidigung kann nur dann gewährleistet sein, wenn vollständige Akteneinsicht besteht.


Soli
Solidarische Grüße an die betroffene Demonstrantin! Man hört und erlebt ständig Schikanen von Seiten der Polizei. Davon darf man sich aber nicht unterkriegen lassen. Ich hoffe die Demonstrantin geht weiter gegen Bragida auf die Straße.
Durchsuchungen sind
Durchsuchungen sind für mich immer sexuelle Belästigungen und sollten auch so genannt werden. Ich will schon selber entscheiden wer mich wo anfassen darf und wer nicht. Es regt mich so auf wenn fremde Personen, nur weil sie eine Uniform tragen, machen und tun dürfen was sie wollen. Die dürfen uns schubsen, begrabschen, beleidigen, einsperren und schlagen und das meistens ohne Konsequenzen. Ich hoffe das ändert sich irgendwann und wir gewöhnen uns nicht daran und sagen: "Ja das ist schon schlimm, aber ist halt so. Das ist immer so." Wir müssen uns immer daran erinnern: Das was die da machen ist keine einfache Polizeimaßnahme, sondern es ist Gewalt und Schikane!
Konsequenzen für die Cops!
Alles Gute für die Demonstrantin!