Wir haben analysiert, gemahnt, vorhergesagt. Wir haben gewarnt, wir haben lange gewartet. Wir haben gehofft, gefordert, wir haben demonstriert. Es wird Zeit, dafür zu sorgen, dass das nicht eintritt, was wir alle nicht anders erwartet haben. Es wird höchste Zeit, nicht länger in eine andere Richtung zu zeigen, sondern sie selbst zu ändern.
Rot-Grüne Reformsalven und schnee-weißes Pulver
Was 
die Kohlregierung in vielen kleinen Schritten vorantrieb, die 
Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, trieb
 die rot-grüne Regierung ab 2002 mit Kanonenschlägen auf die Spitze. 
Agenda 2010 nannten sie ihr Reformwerk, was nichts anderes hieß, als die
 Sozialsysteme zu sprengen, das Lohn- und Rentenniveau drastisch zu 
senken, prekäre Arbeit zum Kern dieses Systems zu machen und 
Flexibilisierung zur erschöpfenden Norm eines Arbeitsalltags:
* 
Bereits 1998 belief sich die Summe, die im Sozialbereich ›eingespart‹ 
wurde, auf rund 100 Milliarden Mark: »Regierungsamtlich steht fest, daß 
kein anderes Land in Europa die sozialen Streichungen in den 90er Jahren
 so weit getrieben hat wie Deutschland.« (FR vom 30.7.1998)
* »In
 Deutschland sind die Reallöhne in den vergangenen zehn Jahren (zwischen
 1995- 2004) um 0,9 Prozent zurückgegangen. Damit liegt die 
Bundesrepublik an letzter Stelle der 15 alten EU-Länder.« (FR vom 
16.6.2005)
* »Billiglohnland BRD: Die Nettolöhne und -gehälter sind 
2006 auf den niedrigsten Stand seit 20 Jahren gesunken.« (Junge Welt vom
 27.9.2007)
* »Der Niedriglohn-Sektor in Deutschland wuchs so rasch 
wie in kaum einem anderen Land. 2008 waren fast 23 Prozent der 
Beschäftigten Geringverdiener, die weniger als 8,90 Euro pro Stunde 
erhielten (…).« (FR vom 8.2.2010)
* 
»Zwischen 1991 und 2004 schrumpfte die Zahl der Vollzeitbeschäftigten um
 fast sechs Millionen oder rund 20 Prozent auf 23,75 Millionen. Dagegen 
verdoppelte sich die Zahl der Arbeitnehmer in Teilzeit einschließlich 
der nur geringfügig Beschäftigten auf 11 Millionen.« (FAZ vom 
19.07.2005)
* Die gesetzlich garantierten Rentenleistungen (bezogen 
auf das Jahr 2030) sind seit 1993 um ca. 40 Prozent gekürzt worden - 
durch Verlängerung der Lebensarbeitszeit, neue Berechnungsmodis 
etc..(vgl. FR vom 11.8.2003)
Was 
für die Mehrheit der Menschen in Deutschland einen ruinösen Wettlauf 
nach unten bedeutete, sollte für Konzerne und Finanzunternehmen eine bis
 dato nie da gewesene Jagd auf Renditen, Märkte und billiges 
›Humankapital‹ (Unternehmerdeutsch für verwertbare Menschen) einläuten. 
Dank niedriger Löhne, massiver Steigerungen der Produktivität und 
einschneidender Senkungen so genannten ›Lohnnebenkosten‹ 
(Krankenkassenbeiträge) avancierten die deutsche Industrie zum 
›Exportweltmeister‹ und die deutsche Bundesregierung zum Liga-Chef 
innerhalb der EU.
Parallel dazu öffnete man die Schleusen für 
das Finanzkapital (durch so genannten Finanzmarktreformen), deregulierte
 bis zum Geht-nicht-mehr, bis allen Akteuren vor lauter ›Outperformance‹
 nicht mehr gerade aus schauen konnten.
Als 2007 die ersten Stimmen mahnend vor einem drohenden Finanzcrash warnten, lachte man sich tot und feierte weiter, mit traumhaften Renditen, Bonizahlungen und After-Work-Partys. Selbst für Gewerkschaftsfunktionäre war genug übrig: Man bespaßte sie, flog Prostituierte ein und machte mit Sonderzahlungen aus ›schwarzen Kassen‹ aus Interessenvertretern der Lohnabhängigen Partygäste auf einem Luxusliner.
Niemand
 wollte sich die Kurs- und Profitrallye madig machen lassen, niemand 
wollte zuerst aussteigen, auch wenn die Wand, auf die man zufuhr, 
deutlich zu sehen war. Wer zuerst bremst, hat verloren, war die Devise. 
Und die zweite lautete: Wenn es jemand erwischt, dann nicht uns. ›To big
 to fail‹ nennt sich dieser Safebag der Global Players, für den sie 
nicht einen Cent bezahlen würden.
Kassensturz
Dann
 brachen die ersten Banken wie Kartenhäuser zusammen und die 
Business-Class zeigte so lange aufeinander, bis es niemand mehr war, der
 dafür Verantwortung war. Das Wort vom ›anonymen Systemfehler‹ wurde der
 Schlüssel zur Generalamnestie. Die Schreihälse der Selbstheilungskräfte
 des Marktes, dessen ›unsichtbare Hand‹ alles regelt, verstummten und 
die staatlichen Adjutanten verwandelten sich über Nacht in 
Krankenschwestern milliardenschwerer Unternehmen. Die erste Notoperation
 war fällig: Der Staat übernahm mit mehr als 500 Milliarden Euro die 
Rettung des privaten Bankensektors.
Mit 
der Verstaatlichung der Krise war die nächste vorprogrammiert. Viele 
Staaten verschuldeten sich in einem Maße wie gewöhnlich nur in 
Kriegszeiten. Darauf folgte die ›Griechenland-Krise‹, die Krise für das 
vermeintlich einzig schwache Glied in der Euro-Kette. Wieder wurden 
allein von der deutschen Bundesregierung über 25 Milliarden Euro 
bereitgestellt, um einen drohenden Staatsbankrott, ein 
Auseinanderbrechen der Euro-Zone abzuwenden. Ein Rettungspaket, mit der 
Lüge geschnürt, Griechenland sei einzigartig, und dem rassistischen 
Ressentiment gewürzt, die ›Griechen‹ hätten über ihre Verhältnisse 
gelebt.
Kaum war die Griechenland-Hilfe beschlossen, wurde klar, 
dass sich hinter dem Baum der Wald versteckte. Die dritte Phase der 
kapitalistischen Krise war eingeläutet: die Europäisierung von 
Milliarden-Verlusten von Banken und Privatunternehmen. In einer Nacht- 
und Nebelaktion, in der sich auch noch das Parlament selbst entmachtete,
 wurde der nächste Rettungsring ins offene Meer geworfen. Über 750 
Milliarden sollen die tödliche Konkurrenz der EU-Staaten am Leben 
erhalten.
Nun werden die Billionen an Euros, die im Euroraum zum 
Überleben von Banken und Konzernen eingesetzt wurden, aus denen 
herausgepresst, die in der Logik dieses Wirtschaftssystems kein 
›systemisches Risiko‹ also keine Gefahr darstellen: Arbeitslose, 
Lohnabhängige, Geringverdienende, das ›letzte Drittel‹. Es folgt nun die
 Sozialisierung der Krise. In fast allen Euro-Ländern werden Schock- und
 Verarmungsprogramme beschlossen.
In 
Griechenland kam es zu mehreren befristeten Generalstreiks. In Italien, 
Spanien und Portugal werden die Möglichkeiten dazu ausgelotet. In 
Deutschland spricht der DGB-Chef Sommer davon, die Betriebe zu 
mobilisieren.
›Wir bezahlen nicht für eure Krise‹
Als 
der Vorschlag kam, im März 2009 zu Großdemonstrationen unter dem Motto 
›Wir bezahlen nicht für eure Krise‹ aufzurufen, lehnte die 
Gewerkschaftsspitze eine Unterstützung mit der Begründung ab, das sei 
alles viel zu früh. Die Gewerkschaftsbasis und viele linke Gruppierungen
 riefen dennoch dazu auf: Was für die Gewerkschaftsspitze viel zu früh 
war, war für über 40.000 Menschen gerade richtig: Auf der Demonstration 
in Frankfurt beteiligten sich ca. 20.000 Menschen, in Berlin wollen die 
VeranstalterInnen noch mehr gezählt haben. Inhaltlich reichte das 
Spektrum von einer sympathischen Verweigerungshaltung bis zur 
grundsätzlichen Systemkritik. Praktisch und realpolitisch herrschte 
danach in allen politischen Spektren bleierne Stille. Man überließ den 
Herrschenden das Tempo, die Richtung, die Schlagzeilen und wartete in 
banger Ohnmacht auf das, was kommen musste.
Ein 
Jahr später, am 12.6.2010 fanden unter demselben Motto zwei 
Großdemonstrationen in Stuttgart und Berlin statt. Bei vorsichtiger 
Schätzung waren zusammen ca. 40.000 Menschen auf der Strasse, etwa 
genauso viele wie im Jahr zuvor. Bei nüchterner Analyse kein Erfolg, 
sondern Ausdruck politischen Stillstandes, was die Zahl der 
TeilnehmerInnen, vor allem aber, was die Ziele solcher Demonstrationen 
anbelangt. Vor einem Jahr ahnte man, wer für die Kapitalverbrechen in 
Billionen Höhe zahlen wird. Das Verarmungsprogramm für das ›letzte 
Drittel‹ lag in der Luft, jedoch noch nicht auf dem Tisch. Während die 
politische Klasse ihnen Fahrplan einhielt und ihrem Credo folgt: ›Wir 
lassen immer andere für unsere Krise bluten‹, drehten sich die 
Demonstrationen im Kreis gemachter Erfahrungen. Denn das Motto ›Wir 
bezahlen nicht für eure Krise‹ wird nicht durch seine Wiederholung 
eingelöst, sondern durch politische und praktische Konsequenzen, die 
daraus gezogen werden. Alle wissen und spüren es: Man kann noch Hundert 
Mal auf die Strasse gehen kann, Warnungen und Drohungen ausstoßen, ohne 
am Lauf der Dinge etwas zu ändern, solange man dieses 
Verarmungsprogrammen kritisiert und im wirklichen Leben ausbadet.
›Die
 Geschichte wiederholt sich nicht und wenn als Farce‹.
Das 
gilt nicht nur für die politische Klasse, also auch für jede Art der 
Opposition. Bei aller Sympathie für Menschen, die zum ersten Mal auf 
einer Demonstration waren, hat diese Wiederholung etwas Komödiantisches:
 Das Verarmungsprogramm steht und absolviert ungestört seinen 
parlamentarischen Weg, während man trotzig und wirklichkeitsfremd durch 
die Strassen ruft: Wir bezahlen nicht für eure Krise. Dabei spielt es 
überhaupt keine Rolle, ob man der Symbolik einen zivilgesellschaftlichen
 oder revolutionären Charakter gibt. Beide gehen wirkungslos denselben 
Weg, von A nach B, ohne eine Praxis, eine Handlungsmöglichkeit 
aufzuzeigen, die nicht nur etwas (ganz) Anderes fordert, sondern selbst 
etwas (ganz) Anderes tut.
Auf 
diesen wie auf den Demonstrationen ein Jahr zuvor wurden viele 
Forderungen aufgestellt und adressiert. Damals standen sie 
richtungweisend im Raum und zur Auswahl. Heute stehen sie genau so 
zahlreich, genau wahllos nebeneinander. Mit welchen Forderungen will man
 die Businessräume der Adressaten betreten – nicht symbolisch, sondern 
geschäftsschädigend, störend?
Welche
 Ziele kann man mit wem und mit welchen Mitteln durchsetzen? Wie muss 
ein Konzept aussehen, dass die Angst vieler berücksichtigt, ohne vor ihr
 zu kapitulieren?
Zwischen den ersten Demonstrationen und heute 
liegt zeitlich über ein ganzes Jahr. Praktisch, politisch, strategisch 
ist man auf der Nulllinie stehen geblieben.
Man 
muss kein ›Berufsdemonstrant‹ sein, um zu wissen, dass Forderungen nicht
 eingelöst werden, in dem man sie wiederholt, sondern indem man die 
politisch Verantwortlichen dazu zwingt, ihnen nachzugeben.
›Es 
geht auch anders‹ stand auf vielen Transparenten der Demonstration in 
Stuttgart. Wer würde das bestreiten? Nicht diese Feststellung ist 
falsch, sondern die fortgesetzte Untätigkeit, dafür zu sorgen, dass das 
›Andere‹ auch passiert, aus dem Himmel der Andeutungen herabsteigt, um 
es in einer gemeinsamen Praxis sicht- und erlebbar zu machen.
Weder
 die Demonstration in Berlin noch in Stuttgart hatten das Ziel, über die
 Demonstration von zaghaften bis wilden Absichten hinauszugehen. Sie 
waren im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt. In Stuttgart konnte 
der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Claus Schmiedel, die Bühne 
›entern‹, obwohl die SPD aus gutem Grund nicht Teil des Bündnisses war. 
Es folgten wütende Proteste, nicht nur aus dem ›revolutionären Block‹, 
sondern gerade auch aus dem breiten Spektrum der ›Stuttgart-21‹ 
GegnerInnen, die seit Monaten gegen ein haarsträubendes, korruptes 
Prestigeprojekt protestieren, das weiteres öffentliches Eigentum 
privaten Investoren zum Schnäppchenpreis überlassen will.
Mit 
Rufen wie ›Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten. Wer war mit dabei – 
die grüne Partei‹ oder ›Hartz IV – das wart ihr‹ und Rufen gegen 
›Stuttgart21‹ wurde seine Rede gestört. Und als auch noch Tomaten und 
Eier flogen, wurden BFE-Einheiten auf die Bühne geholt, als hätten sich 
die Macher der Satire-Sendung ›Neues aus der Anstalt‹ all das 
ausgedacht.
Nicht die Eier und Tomaten, die diese Politik trafen, 
sind der Skandal, sondern die Tatsache, dass ein SPD-Politiker reden 
konnte, der die Politik der Agenda 2010 konsequent bis in die letzte 
Haarspitze dieser Gesellschaft treibt. Ein Politiker, der nicht die 
Privatisierung des Staates und die wachsende gesellschaftliche Verarmung
 kritisiert, sondern dass all dies - auf Bundesebene - nicht von der SPD
 fortgesetzt wird.
Vielleicht hat einigen dieses Spektakel 
gefallen, vielleicht haben sich viele über diese Abrechnung gefreut. 
Auch wenn das der Stimmung und Schadenfreude möglicherweise gut getan 
hat, bleibt etwas ganz entscheidendes auf der Strecke: Diese 
Demonstration ist in ihrer Grundausrichtung hinter der des letzten Jahre
 zurückgefallen: Ein Bündniskonsens nämlich, der ganz praktisch und 
lebensnah davon ausgeht, dass sich SPD – Grüne und CDU-FDP als ehemalige
 und aktuelle Regierungsparteien nicht unterscheiden, sondern lediglich 
in ihrem zeitweiligen Oppositionsgehabe. Das schließt nicht die 
Mitglieder oder WählerInnen dieser Parteien aus, jedoch deren politische
 Repräsentanten – auf der Bühne.
In 
Berlin hielt dieser Bündniskonsens. Dafür dominierte wieder einmal ein 
schikanöses Polizeikonzept. Eine rot-rote Polizeistrategie, mit der 
viele gerechnet hatten, und genauso viele nicht darauf vorbereitet 
waren. Kleinere, meist unkoordinierte Versuche, sich genau das nicht 
(länger) gefallen zu lassen, mündeten in Auseinandersetzungen, die die 
Polizei vorbestimmen, im Verlauf diktieren und am Ende als 
Rechtfertigung ihres Vorgehen zweitverwerten konnte.
Es
 wird Zeit, dass sich der Wind dreht!
All 
diese Erfahrungen sind in folgenden Aktionsaufruf eingeflossen. Er ist 
ein Aufruf an alle, an GewerkschaftlerInnen, an Lohnabhängige, 
Arbeitslose, RentnerInnen, außerparlamentarische Gruppen und 
Organisationen, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Der Aufruf leugnet nicht 
die verschiedenen politischen Positionen und Differenzen. Er will sie 
nicht gegeneinander in Stellung bringen, sondern fruchtbar machen. Der 
Aktionsaufruf versucht, die Gemeinsamkeiten verbindlich und bindend zu 
machen. Die politischen Unterschiede werden in diesem gesellschaftlichen
 Prozess sicht- und streitbar bleiben, als Aufruf zur gemeinsamen, 
öffentlichen Debatte.
»Aufstand. Jetzt.« Frankfurter Rundschau (2010)
Bundesweiter Aufruf: ›Die Verursacher und Profiteure der Krise blockieren‹
»Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.« Multimilliardär Warren E. Buffet, 2005.
Klassenkrieg - das wollten die meisten nicht hören und nicht verstehen. Aber sie bekamen es zu spüren. Wie in anderen Ländern Europas wurden Löhne und Renten gekürzt, Leih- und Zeitarbeit systematisiert, der Niedriglohnsektor, das Prinzip ›Armut durch Arbeit‹ ausgeweitet, Arbeitszeiten verlängert, das Leben zusammengestaucht.
Die Gewinne explodierten, die Renditen in der Wirtschaft stiegen auf 15 – 20 Prozent. In der Finanzbranche wusste man selbst dies zu steigern. Profite von 50 bis 150 Prozent innerhalb von Minuten waren keine Seltenheit. Es herrschte Partystimmung im Business- und Wellness-Bereich.
Dann brachen die ersten Banken wie Kartenhäuser zusammen, ein weltweiter Kreislaufkollaps des Kapitalismus drohte. Die Schreihälse der ›Selbstheilungskräfte des Marktes‹ verstummten und der Staat übernahm mit mehr als 500 Milliarden Euro die Rettung des privaten Bankensektors.
Nun werden die Billionen an Euros, die im Euroraum zum Überleben von Banken und Konzernen eingesetzt wurden, aus den Lohnabhängigen und Arbeitslosen herausgepresst. In fast allen Euro-Ländern werden Schock- und Verarmungsprogramme beschlossen. Denn zumindest die Herrschenden sind sich einig: Wir zahlen nicht für unsere Krise, solange diejenigen stillhalten, die für uns immer bluten müssen.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung will den Staatshaushalt in den nächsten drei Jahren um ca. 80 Milliarden Euro kürzen. 37 Prozent der geplanten ›Einsparungen‹ betreffen den Sozialbereich. Niemand braucht darüber diskutieren, ob das sozial ausgewogen ist. Es gibt nichts mehr zu analysieren, es gibt nichts mehr zu erklären. Hören wir also endlich auf, uns mit Klagen über soziale Kälte und sozialem Kahlschlag heißer zu reden und folgenlose Drohungen auszustoßen. Es ist Zeit, Taten folgen zu lassen!
Für den 12. Juni wurde unter dem bekannten Motto ›Wir zahlen nicht für eure Krise‹ abermals zu Großdemonstrationen in Berlin und Stuttgart aufgerufen. Die tatsächliche Mobilisierungskraft, die Zerwürfnisse innerhalb der Bündnisse und deren Verlauf waren eher von politischer Stagnation, als von Ermutung und greifbaren Perspektiven geprägt.Alle wissen, dass die Parole ›Wir zahlen nicht für eure Krise‹ längst von der Realität überholt ist. Wenn wir mit diesem kleinsten gemeinsamen Nenner ernst machen wollen, dann müssen wir mehr tun, als mit vielen Menschen auf die Strasse zu gehen. Wir müssen die Richtung ändern, wir müssen die Symbolik hinter uns lassen, wir müssen dafür sorgen, dass die Angst die Seite wechselt. Es ist höchste Zeit, dass sich der Wind dreht, damit das Feuer nicht länger die Hütten niederbrennt, sondern die Paläste der Brandleger heimsucht.
Gründe gibt es mehr als genug. Und an Aufrufen mangelt es ebenfalls nicht. Nehmen wir z.B. diesen: »Aufstand. Jetzt! Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht wir? Die erste Bürgerpflicht nach Vorlage des schwarz-gelben Spardiktats heißt: Aufstand jetzt! (…) Es richtet sich in aller erster Linie gegen die sozial Schwachen. Die eh am wenigsten haben, sollen am meisten verzichten. Da mögen Merkel und Westerwelle von Fairness und Ausgleich reden, was sie wollen. Fakt ist: Sie lügen. Und noch schlimmer: Sie wissen das.« (FR vom 8.6.2010)
Sparen wir uns also die Zeit ellenlanger Erklärungen. Worauf es jetzt ankommt, dieser Wut eine Richtung, einen Ort, eine Chance zu geben – damit die Wut uns nicht auffrisst und die individuelle Ohnmacht nicht länger unseren Alltag bestimmt.
›Wir sind nicht länger eure Geldautomaten‹
Als gemeinsame Aktion einer bundesweiten Kampagne schlagen wir vor, die Zentralen von zwei ›systemischen Banken‹ der Deutschen Bank und der Commerzbank in Frankfurt für einen Arbeitstag zu blockieren. Ziel ist es, den Geschäftsbetrieb zu stoppen, die Business-Party für einen Tag auf den Kopf, also auf die Füße zu stellen. Unsere Forderung ist schlicht: Ihr zahlt die Billionen Euro, die euer Finanzkrieg gekostet hat. Wir werden euch nicht in Ruhe lassen, wir werden wiederkommen, an vielen Orten, zu den unpassendsten Gelegenheiten und Zeiten.
Mit einem bundesweiten Aufruf ist weder alles gesagt, noch alles getan. Es ist ein Anfang gemacht, ein Signal gesetzt, mit dem Ziel, dass in der Folge in allen Städten, in jeder Woche an einem Tag eine Bank mit ›systemischen Risiko‹ belagert wird. Der Weg ist lang und offen, er führt über Banken, über ihre Beteiligungen an Konzernen, bis hin zu den politischen ›Beraterstäben‹, den Headquarters der Regierung.
Dazu brauchen wir ein gemeinsames Startsignal; einen langen Atem und ein Konzept, das möglichst vielen eine Teilnahme ermöglicht. Wir brauchen ein Konzept, das zwischen folgenlosen, störungsfreien Demonstrationen und Fantasien vom Aufstand oder Generalstreik einen Weg beschreibt und beschreitet.
Wir sind überzeugt davon, dass es hier in Deutschland weder an Analysen noch an Forderungen fehlt, die entweder den Kapitalismus ›zügeln‹ oder aber überwinden wollen. Über die Richtigkeit der Analysen und Forderungen wird aber nicht auf dem Papier oder in Konferenzen entschieden, sondern in einem gesellschaftlichen Prozess, der möglichst viele Menschen zu Handelnden macht. Gelänge es uns, in einem großen Bündnis die Zeichen umzukehren, jenen endlich Angst zu machen, die seit Jahren mit unserer Angst spielen und von ihr leben, dann hätten wir noch genug Zeit, über die nächsten Schritte zu beraten und zu entscheiden. Im Rahmen unseres Aktionskonzepts schlagen wir folgende zentralen Forderungen vor:
* Sofortige Einführung einer Finanztransaktionssteuer
* Besteuerung aller Vermögen über 1 Million mit 5%
* Sofortige Umsetzung der Forderung nach 500,- Euro Hartz IV-Eckregelsatz, 10 Euro Mindestlohn und einer 30-Stunden Arbeitswoche bei vollem Lohnausgleich
Als Aktionskonsens schlagen wir vor, uns am Dresdner Konzept gegen den Neonaziaufmarsch im Januar 2010 zu orientieren. Eine gute Basis, in der Entschlossenheit und Breite, Radikalität und Masse nicht gegeneinander stehen, sondern miteinander verzahnt werden. Ein Konzept, das für viele in Heiligendamm 2007 spürbar, in Dresden 2010 erfolgreich war und bei den angekündigten Castor-Transporten 2010 für eine neue Qualität des Widerstands sorgen wird.
Als Termin für eine zentrale Aktion in Frankfurt schlagen wir euch den Herbst 2010 vor. Wir bitten euch, uns noch vor den Sommerferien eure Zustimmung/Ablehnung zukommen zu lassen. Eine Zustimmung, die den Weg betrifft, nicht die Details, die wir gemeinsam besprechen müssen.
Mit dem entsprechenden Votum werden wir zu einer Aktionskonferenz für Samstag, 11. September 2010 nach Frankfurt einladen.
Gruppen, Organisationen, Einzelpersonen, die diesen Aufruf unterstützen, bitten wir um eine Nachricht an folgende Adresse: ag_georg.buechner@yahoo.de
Auf dass sich der Wind dreht.« (Aktionsgruppe Georg Büchner & Co. Juni 2010)
Die Kugel rollt durch den Raum. Es ist zu hoffen, dass möglichst viele sie aufgreifen. Die Richtung, die die Kugel nehmen soll, ist beschrieben, über das Gewicht und die Wurfweite entscheiden alle Beteiligte.
Wer noch einmal in Ruhe einen Blick auf die angerissen letzten 20 Jahre werfen will und auch der Frage nachgehen will, wie viel Reform, wie viel Radikalität und wie viel Utopie ein Kampf braucht und aushält, dem sei folgender Text ans antagonistische Herz gelegt:
http://wolfwetzel.wordpress.com/2009/03/25/alles-geht-kaputt-alles-geht-kaputt-und-ich-lache-2/


...
Danke!
Nur schade dass es nicht ausreicht dass Menschen sich mal selbst verändern und zb. endlich ihren Arsch hier her bewegen um einen aus der Scheisse zu holen, klare Signale geben damit sie aus der Scheisse geholt werden dürfen, dann zu einem halten, zulassen dass mensch loyal zu ihnen ist; wir gemeinsam etwas ändern könnten oder/und aufbauen dass sich der Änderungen um uns herum stabil entgegen stellt.
So klammern sich alle an ihre starken Umfelder und ich hoffe dass sie alle mindestens einen Menschen der ihnen wichtig ist verlieren und lernen was es heißt wenn Du immer nur zuschaust, zuhörst, mitliest ohne endlich Dich her zu bewegen um einem die Hand zu reichen!
Danke für den Artikel! Schön dass es noch mehr Menschen gibt die keinen Bock mehr auf das gesellschaftliche Palaber haben! Sie schreien förmlich nach einem Krieg zwischen ihnen und uns!
Global Wave of Action
Am 17.11. findet eine globale Aktionswelle statt.