Die Naziszene rekrutiert ihren Nachwuchs vor allem auf Events wie Demonstrationen oder Konzerten. Bei diesen Musikveranstaltungen treten oft Bands auf, deren Texte wegen ihrer Bezüge zum Nationalsozialismus oder ihres jugendgefährdenden Charakters indiziert sind oder die zumindest vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Daher ist Geheimhaltung ein wichtiger Aspekt der Konzerte: Die Werbung erfolgt oftmals durch Mund-zu-Mund-Propaganda, per SMS oder über private Nachrichten in sozialen Medien. Für größere Konzerte wird auch schon mal im Internet geworben, dann aber meist nur unter Angabe einer groben Region, in der das Ganze stattfinden soll – Details zum Veranstaltungsort gibt es nur nach Anmeldung oder sogar Kauf der Tickets. Selbst dann wird aber meist nicht die exakte Adresse des Veranstaltungsorts genannt, sondern nur die eines sogenannten Schleusungspunktes.
Auf Autobahnraststätten oder anderen gut erreichbaren Anlaufpunkten warten dann organisierte Neonazis auf die Anreisenden und erteilen erst nach Vorzeigen der Tickets Infos zur Weiterreise. Solch aufwändige Schutzmaßnahmen sollen bewirken, dass Repressionsorgane oder politische Gegner nicht zur Veranstaltung gelangen und u.a. die Konzerte dokumentieren können – genügend Neonazis tragen ihre Anschauung nicht offen vor sich her und möchten daher ihre Teilnahme an solchen Events vor ihren Arbeitgeber_innen, ihren Nachbar_innen o.ä. geheim halten.
Um den organisatorischen und logistischen Aufwand stemmen zu können, 
werden Netzwerke benötigt. So hat sich z.B. Mitte der 1990er Jahre der 
deutsche Ableger von „Blood & Honour“ gegründet, dessen bewaffneter 
Arm „Combat 18“ im Jahr 1999 erstmals in Deutschland aktiv wurde – 
interessanterweise in Norddeutschland, nämlich in Elmshorn, wo es zu 
Anschlägen auf Gewerkschafter_innen kam. 2003 schändete „Combat 18“ den 
jüdischen Friedhof in Neustadt i.H., woran auch Alexander Hardt 
beteiligt war. 
Im selben
 Jahr wurde schließlich die norddeutsche Zelle zerschlagen: Es kam zu 
Razzien und Festnahmen in Pinneberg und Neumünster.
 Wie viele andere Neonazis schloss sich der aus Bad Segeberg stammende 
Björn Schmidtke, bis zum bundesweiten Verbot im Jahre 2000 ein 
Führungskader der „Blood & Honour“-Sektion „Nordmark“, den 
„Bandidos“ an und leitete zeitweise deren Chapter „Northgate“ in 
Wahlstedt. Obwohl die Bundesregierung noch im Dezember 2016 offiziell 
bekannt gab, dass in Deutschland „keine Organisationen, die als 
Ersatzorganisationen [von] [...] ‚Blood & Honour Division 
Deutschland‘ fungieren“, existieren, und es in der Tat lange Zeit relativ ruhig um diese extrem rechten 
Netzwerke war, titelte das antifaschistische Magazin Lotta im Juni 2016 
„Combat 18 reloaded?“ und berichtete von einem am Rande des Tag der 
deutschen Zukunft in Dortmund stattgefundenen internationalen Treffen, 
an dem u.a. einer der Gründer von „Combat 18“ in England, William 
Browning, genannt „The Beast“, teilgenommen haben soll. Auf dem 
Aufmarsch wurden auch die aus Ostholstein stammenden Lars Bergeest und 
Marco Eckert, die trotz des Verbots die „Blood & Honour“-Strukturen 
in Schleswig-Holstein am Leben erhielten,
 gesehen. Ebenso der Neumünsteraner Ratsherr Mark Michael Proch. Im 
November wurden in Thüringen vier Objekte durchsucht, es war von Reisen 
zu „Schießtrainings ins Ausland“ die Rede. Linken-Politikerin Katharina 
König warnte: „Die führen Bombenanschläge durch und werben auch dafür.“
 Auch in Neumünster nahmen Ende letzten Jahres Hinweise auf Aktivitäten 
von „Blood & Honour“ zu, bisher in Form von plumpen Schmierereien 
und Morddrohungen.
Viele Indizien weisen nun darauf hin, dass das
 am 13.05.2017 im 20 Kilometer von Neumünster entfernten, im Kreis 
Segeberg gelegenen Wahlstedt stattgefundene Rechtsrock-Konzert mit der 
Band „Kategorie C“ die Handschrift von „Blood & Honour“ trägt. Neben
 der Organisationsstruktur spricht auch die Tatsache dafür, dass das 
Chapter der „Bandidos“, für das „Blood & Honour“-Strippenzieher 
Björn Schmidtke zeitweise als Präsident verantwortlich war und zu dem 
u.a. auch Alexander Hardt enge Verbindungen pflegt, das Clubhaus als 
Location zu Verfügung stellte. Zu den Besucher_innen zählten auch die 
erwähnten „Combat 18“-Aktivisten Marco Eckert und Lars Bergeest, ebenso 
der Nazi Sven Johansson, der früher im Umfeld von „Blood & Honour“ 
organisiert war.
Mag die Präsenz dieses Personenkreises noch 
wenig überraschend sein, ist es doch beinahe makaber, dass mit Mark 
Michael Proch auch ein Ratsherr anwesend war, also ein Mitglied der 
Neumünsteraner Ratsversammlung, die das oberste demokratische Gremium 
auf kommunaler Ebene darstellt. Sein auf den Fotos zu erkennender Blick 
bzw. die eindeutige Geste des Mittelfingers machen deutlich, dass es ihm
 wohl lieber gewesen wäre, wenn seine Präsenz unbemerkt geblieben wäre -
 insbesondere angesichts der Tatsache, dass er nicht nur normaler Gast 
des vom Organisationskreis von „Blood & Honour“ veranstalteten 
Konzerts war, sondern dass er zusammen mit Mitgliedern der „Bandidos“ am
 Schleusungspunkt an der B206 den Gästen den rechten Weg wies. 
Wir als antifaschistische Initiativen müssen vehement und entschieden folgende Punkte skandalisieren: 
Es
 ist unvereinbar, dass ein organisierter Neonazi wie Mark Michael Proch 
gleichzeitig im obersten demokratischen Gremium der Stadt Neumünster 
sitzt und gemeinsame Sache mit dem seit dem Jahr 2000 verbotenen 
Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ macht. Seine Verbindungen zu 
militanten, extrem rechten Netzwerken und der organisierten 
Rocker-Kriminalität müssen öffentlich gemacht werden, gerade auch vor 
dem Hintergrund, dass sich diese Strukturen noch enger zu verzahnen 
scheinen. 
Auf Behörden oder Repressionsorgane wie die Polizei 
können wir uns dabei nicht verlassen. Obwohl Neonazikonzerte in 
Schleswig-Holstein wieder zunehmen. Am 11. Juni 2016 fand bereits ein 
„Kategorie C“-Konzert in Koberg im Kreis Herzogtum-Lauenburg statt und auch das 
Konzert am letzten Wochenende im Internet angekündigt war, traf die 
eingesetzte Sondereinheit Rockerkriminalität erst nach 19 Uhr am 
Veranstaltungsort ein – zwei Stunden nach der Ankunft szenekundiger 
Journalist_innen, und vor allem auch erst nachdem der Großteil der Nazis
 eingetroffen war. Das SEK kontrollierte lediglich ein paar 
Nachzügler_innen, die meisten Nazis und Rocker blieben unbehelligt und 
konnten in Folge auch ungestört ihre Veranstaltung beenden. Wie kann es 
sein, dass eine vom Verfassungsschutz beobachtete Neonaziband wie 
„Kategorie C“ in Schleswig-Holstein teilweise ungestört Konzerte 
abhalten kann und es in anderen Bundesländern möglich ist, diese 
Konzerte zu verbieten? 
[2] [3] [4]
Das Verhalten der Behörden und der Polizei verwundert uns nicht
 – es schockiert uns und so liegt es wie immer an uns, die 
entscheidenden Akzente zu setzen. Proch müssen angesichts dieser 
Vorfälle seine demokratischen Ämter entzogen werden, wir müssen aber 
auch dafür Sorge tragen, dass sich Neonazi-Netzwerke wie „Blood & 
Honour“ in Schleswig-Holstein nicht neu formieren können und dass der 
Schulterschluss zur organisierten Rockerkriminalität misslingt. 
Antifaschistische Koordination Lübeck










Recherche
Artikel über oder in Verbindung mit Mark Michael Proch:
Mark Michael Proch tanzt auf allen Hochzeiten...
Zwischen Hells Angels und Bandidos
Blood & Honour als NSU-Unterstützernetzwerk
"Das Bundesinnenministerium hatte die Organisation 'Blood and Honour' im Jahr 2000 verboten. Sie soll eines der wichtigsten Unterstützernetzwerke des rechtsterroristischen NSU gewesen sein. Aktivisten von 'Blood and Honour' haben dem NSU-Trio Wohnungen zur Verfügung gestellt; einem ehemaligen Spitzenfunktionär wird vorgeworfen, mit der Beschaffung einer Waffe für den NSU beauftragt worden zu sein." (https://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2017/05/Berliner-LKA-vermittel...) Einige Zeilen weiter heißt es in dem Artikel, der Deutschland-Chef von "Blood & Honour" solle auch nach dem Verbot noch aktiv gewesen sein.
Dass Spuren des NSU nach Neumünster führen, zeigten Recherchen schon vor ein paar Jahren: Christiane Dolscheids Name stand auf der NSU-UnterstützerInnenliste (https://linksunten.indymedia.org/de/node/111927), bekannt ist ebenfalls, dass Holger G. und einer der "Uwes" am vom "Club 88" organisierten "Whitelaw"-Konzert besuchten, das von der Polizei aufgelöst wurde. Dass es eine aktive Kooperation von Ratsherr Mark Michael Proch und noch bestehenden "Blood & Honour"-Strukturen gibt, wie das Konzert in Wahlstedt gezeigt hat, wird angesichts dieser neuen Erkenntnisse noch brisanter.