Es ist die Nacht auf Pfingstsonntag, den 11. Juni im Jahr 2000. Zwei 16-jährige Neonazis aus Wolfen verpassen ihren Zug und lernen einen 24-jährigen Neonazi aus Bad Liebenwerda kennen, der ebenfalls seinen Zug verpasst hatte. Gemeinsam beschließen die drei Angetrunkenen grölend durch die Stadt zu ziehen. Dabei schreien sie Parolen wie „hier marschiert der nationale Widerstand“, „Sieg Heil!“ und dergleichen durch die fast menschenleeren Straßen in Dessau (Sachsen-Anhalt).
Wenig später, gegen 1:45 Uhr treffen sie auf ihr Opfer, den gebürtigen 
Mosambikaner Alberto Adriano. Für die drei Neonazis damals Grund genug 
diesen zu beschimpfen und zu schlagen. Als Adriano zu Boden geht, treten
 die Täter – einer von ihnen mit Stahlkappenschuhen – minutenlang, 
vorwiegend auf seinen Kopf ein. Selbst als sich Adriano nicht mehr regt,
 lassen sie nur kurz von ihm ab. Sie kehren zu ihrem Opfer zurück, 
stehlen ihm seine Armbanduhr, treten wieder minutenlang unter 
rassistischen Beschimpfungen wie „du Negerschwein!“ auf ihn ein und 
entkleiden den bewusstlosen Mann.
Da Anwohner die Polizei alarmieren, können die drei Neonazis wenig 
später festgenommen werden. Noch in der gleichen Nacht kommen alle drei 
in Untersuchungshaft.
Alberto Adriano wird am 14. Juni 2000 aufgrund seiner schweren 
Kopfverletzungen für hirntot erklärt. Der Fleischer, der mit 
Unterbrechungen seit 1980 in Deutschland lebte, hinterlässt eine Frau 
und drei Kinder.
Als die Tat bekannt wird, mobilisieren Antifa und das „Bündnis gegen 
Rechtsextremismus“ (BgR) zu einem gemeinsamen Trauermarsch. Fünf Tage 
nach der Tat und zwei Tage nach Bekanntwerden des Todes von Alberto 
folgen dem Aufruf ca. 5000 Menschen. Im Anschluss bringen weit mehr als 
1000 Antifaschist_innen in einer kraftvollen Demonstration ihre Wut zum 
Ausdruck.
10 Wochen nach dem Mord begann am 22. August 2000 in Halle der Prozess gegen die 3 Mörder Adrianos. Am 30. August 2000 werden alle drei Täter wegen gemeinschaftlichem Mord verurteilt. Die beiden 16-jährigen Frank Miethbauer und Christian Richter erhalten Haftstrafen von 9 Jahren, der 24-jährige Enrico Hilprecht erhält eine lebenslange Freiheitsstrafe. Alle 3 gaben als Motiv für den Mord an Alberto Adriano „Fremdenhass“ an.
10 Jahre später…..
10 Jahre nach dem Mord an Alberto Adriano hat sich nicht viel 
geändert. Migrant_innen, Antifaschist_innen, Homosexuelle, Obdachlose 
und Andersdenkende sehen sich immer noch Angriffen durch Neonazis und 
Rassisten ausgesetzt. In einem gesellschaftlichen Klima bestehend aus 
Alltagsrassismus, Antisemitismus und Homophobie, staatlich betriebener 
„Ausländerpolitik“ (die nichts anderes als institutioneller Rassismus 
ist), zwingt man Migrant_innen dazu, unter katastrophalen 
Lebensbedingungen in Lagern zu wohnen. So werden sie in die ständige 
Angst der Abschiebung in ihre vermeintlichen „Herkunftsländer“ versetzt,
 es werden Arbeitsverbote sowie Residenzpflicht verhängt und damit die 
sowieso schon mehr als prekäre Lebenssituation noch mehr verschlechtert,
 statt es ihnen möglich zu machen, ihre Lebensbedingungen selbst 
bestimmen zu können. Dazu kommen ständige Schikanen durch 
Ausländerbehörden oder rassistische Polizeikontrollen.
Die mediale Berichterstattung tut ihr Übriges. Durch Meldungen von 
„Türkenbanden“, „Drogen dealenden Schwarzafrikanern“ oder „Tätern mit 
osteuropäischem Akzent“ werden die in der deutschen 
Mehrheitsgesellschaft vorhandenen, rassistischen Vorurteile weiter 
geschürt und so der Weg für weitere Repressionen gegen Flüchtlinge 
geebnet.
Dessauer Zustände – Oury Jalloh und andere Polizeiskandale
Am 7. Januar 2005, also viereinhalb Jahre nach dem Mord an Alberto 
Adriano, wird der 36-jährige Oury Jalloh von der Dessauer Polizei in 
“Schutzhaft” genommen. Der Asylbewerber aus Sierra Leone wird in einer 
Gewahrsamszelle an Händen und Füßen „fixiert”. Nachdem in der Zelle ein 
Brand ausbricht, können anrückende Rettungskräfte nur noch Ourys Tod 
feststellen.
Nach offizieller Darstellung soll der medikamentös ruhiggestellte und 
fixierte Jalloh seine feuerfeste Matratze selbst beschädigt und 
angezündet haben. Das nötige Feuerzeug hätte einer der eingesetzten 
Beamten, Hans-Ulrich M. (42) bei der vorgeschriebenen Durchsuchung 
übersehen. Ein anderer Beamter, Andreas Sch. (44), soll mehrfach den 
Feueralarm ignoriert und die Gegensprechanlage abgeschaltet haben. Als 
dann doch reagiert wurde, wäre Jalloh nicht mehr zu retten gewesen. Er 
sei an einem Hitzeschock gestorben.
Bei vielen Menschen herrsch(t)en erhebliche Zweifel an dieser Version. 
Immerhin gab es im Herbst 2002 schon einmal einen Todesfall im 
Polizeirevier Dessau. Damals war der betrunkene, 36-jährige Mario B. in 
einem Park ausgeraubt und schwer zusammengeschlagen worden. Der Mann 
starb ein paar Stunden später in Polizeigewahrsam an den Folgen eines 
Schädelbruchs. Sowohl der Arzt Andreas B. als auch der diensthabende 
Polizeibeamte, die sich für die Gewahrsamszelle statt für eine 
Einweisung ins Klinikum entschieden hatten, sind auch am „Fall Jalloh“ 
beteiligt.
Verschiedene Akteure wie die „Initiative Oury Jalloh“ thematisieren den 
ungeklärten Tod Jallohs immer wieder. Deutsche und internationale Medien
 greifen dies auf. Trotzdem dauert es mehr als zwei Jahre, bis am 
27.03.2007 vor dem Landgericht Dessau der Prozess gegen den damaligen 
Dienstgruppenleiter Andreas Sch. wegen Körperverletzung mit Todesfolge 
und einen weiteren Dessauer Polizisten wegen fahrlässiger Tötung 
(Feuerzeug) eröffnet wird.
Der von Widersprüchen geprägte Prozess wird fast zwei Jahre und 59 
Prozesstage dauern. Am 8. Dezember 2008 wird der Vorsitzende Richter 
Manfred Steinhoff sagen: “Das Gericht hätte trotz intensiver Bemühungen 
den Fall nicht aufklären können”. Und weiter: „Das Ganze hat mit 
Rechtsstaat nichts mehr zu tun.“ Die beiden Angeklagten werden 
freigesprochen.
Am 7. Januar 2010, dem fünften Todestag von Jalloh entscheidet der 
Bundesgerichtshof, dass der Fall vor dem Magdeburger Landgericht neu 
verhandelt werden muss, da bei der Dessauer Polizei mangelnde 
Aufklärungsbereitschaft vorliege.
In der Zwischenzeit bekommen Jallohs Freunde in Dessau die Dankbarkeit 
der Polizei zu spüren. So dringen Polizeibeamte mitte Dezember letzten 
Jahres ohne Durchsuchungsbefehl in das „Telecafé“ von Mouctah Bah in der
 Dessauer Innenstadt ein. Sie durchsuchen vier Stunden lang alle 
Anwesenden, darunter ein Kleinkind. Die Betroffenen müssen sich 
beleidigen lassen und teilweise sogar entkleiden. Drei Tage zuvor hatte 
Bah die Carl-von-Ossietsky-Medaille bekommen – für sein Engagement zur 
Aufklärung des Todes von Jalloh.
Wie weit der Korpsgeist bei der Dessauer Polizei geht, zeigte sich auch,
 als im Mai 2007 drei Staatsschutzbeamte, darunter der Leiter des 
Kommissariats, in andere Aufgabenbereiche versetzt wurden. Sie hatten 
sich gegen einen Vorgesetzten gewehrt. Der damalige leitende 
Polizeidirektor, Hans-Christoph Glombitza, soll auf steigende Fallzahlen
 im Bereich rechtsmotivierter Kriminalität reagiert haben, indem er 
ihnen nahelegte, man müsse „nicht alles sehen.“ Dass Glombitza dann noch
 das Anti-Rechts-Landesprogramm „Hingucken“ als „nur für die Galerie“ 
betitelte, erscheint bei diesen Zuständen fast als Treppenwitz der 
Provinzgeschichte.
Nazis verbieten? Antifa statt Verbote!
Immer wieder wird nach rechtsmotivierten Angriffen der Ruf nach 
härteren Strafen oder Verboten neonazistischer Organisationen, wie bspw.
 der NPD laut. Doch es ist nicht damit getan, Nazis in Knäste zu sperren
 oder sie zu verbieten. Knäste, sowie andere Formen von Zwangsanstalten 
dienen nur der vermeintlichen „Resozialisierung“, Isolation und 
Verdrängung gesamtgesellschaftlicher Probleme. Eine befreite 
Gesellschaft braucht keine Knäste.
Inzwischen sind zwei der drei Mörder Adrianos wieder frei und gehen 
ihrem „normalen“ Alltag nach. Sie haben sich bis heute nicht von ihrer 
Tat oder der Naziszene distanziert. Der dritte Mörder, Enrico Hilprecht,
 kann geradezu als Paradebeispiel für das Scheitern des Konzeptes Knast 
nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ gelten. Er gibt aus der 
Haft in Brandenburg/Havel das Neonazi-Knastfanzine „JVA-Report“ heraus. 
Das in Zusammenarbeit mit „Kameraden“ aus mehreren Bundesländern 
produzierte Heft veröffentlicht regelmäßig „Haftberichte“ anderer 
inhaftierter Neonazis aus der BRD und anderen Ländern, sowie die jeweils
 aktuelle „Gefangenenliste“ der „Hilfsgemeinschaft für nationale 
Gefangene“ (HNG).
Was es braucht, sind also zuallererst nicht staatliche, repressive 
Maßnahmen, sondern eine schonungslose Analyse der gesellschaftlichen 
Zustände und einen darauf aufbauenden, offensiven Umgang damit. Denn 
solange antisemitische, rassistische, xenophobe und sexistische, kurz 
menschenverachtende Denkmuster tief in der Mitte der Gesellschaft 
verankert sind, bieten sich immer wieder Anknüpfungspunkte für alte und 
„neue“ Nazis.
Aus antifaschistischer Sicht ist es daher notwendig, nicht nur Nazis und
 ihre Sympathisanten zu bekämpfen, sondern auch ihren Nährboden 
aufzuzeigen und anzugreifen. Wenn heute mit Hilfe des 
„Extremismus“-Begriffes antifaschistische Sitzblockaden in die selbe 
Schublade gepackt werden wie rassistische Hetztiraden und wenn die 
„Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der 
Antifaschist_innen“ (VVN – BdA) vom selben „Verfassungsschutz“ 
beobachtet wird wie Nazis, die den Holocaust leugnen oder gar 
verherrlichen, zeigt das, wie weit die deutsche Gesellschaft von einem 
ehrlichen Umgang mit sich selbst entfernt ist.
Angesichts der Verhältnisse ist klarer denn je:
Wir haben keinen Bock darauf, diese Zustände schweigend hinzunehmen.
Wir wollen dem rassistischen Alltag dort entgegen treten, wo er täglich 
spürbare Realität ist: auf den Straßen, in den Schulen, Ämtern, der 
Polizei, eben in dieser Gesellschaft.
Deswegen rufen wir zu einer bundesweiten, antifaschistischen 
Demonstration in Gedenken an Alberto Adriano und alle anderen Opfer 
rassistischer Gewalt auf.
Lasst uns ein deutliches Zeichen setzen
gegen Rassismus,
gegen jeden „Extremismus“-Begriff,
gegen den rechten Grundkonsens,
gegen Nazistrukturen,
und für ein konsequentes antifaschistisches Handeln in Dessau und 
anderswo!
Denn Antifaschismus ist nicht kriminell sondern notwendig!
Demonstration am 12.06.10   Treffpunkt: 13:00 Uhr HBF Dessau
Außerdem finden noch andere Veranstaltungen zum 10. Todestag 
Adrianos statt:
11. Juni 2010   ab 09.00 Uhr
TAGUNG IM STADTPARK
ausführliche Informationen hier… 
(http://www.projektgegenpart.org/images/bilder/Startseite/programm_tagung...)
Anmeldeformular hier.. (http://www.projektgegenpart.org/images/bilder/Startseite/formular_anmeld...).
11. Juni 2010
ab 14.00 Uhr
GEDENKSTUNDE IM STADTPARK
alle Infos hier… 
(http://www.projektgegenpart.org/images/bilder/Startseite/programm_tagung...)
12. Juni 2010
ab 14.00 Uhr
BENEFIZ-KONZERT IM STADTPARK
ausführliche Informationen hier… 
(http://www.projektgegenpart.org/images/bilder/Startseite/info_benefizkon...)


Infos zur Demo und den aufrufenden Gruppen
Infos zur Demo und den aufrufenden Gruppen gibts unter www.afa06.blogsport.de oder www.NoNazisDessau.blogsport.de!!!
Bin dabei!
Sehr guter Text! Ich werde kommen!