Dieser Text ist eine Zusammenfassung über das §129 StGB Verfahren und das Brandanschlagsverfahren in Dresden. Hier werden die Ermittlungsmethoden speziell auf den Fall des Brandanschlages auf Die Bundeswehr tiefgründig geschildert.
Am 14. April 2009 erfolgte der bis jetzt
größte und teuerste Angriff auf Bundeswehrinfrastruktur in Deutschland
seit dem Bestehen der BRD. Dabei brannten in der Alberstadtkaserne in
Dresden 40 Militärfahrzeuge ab, in dem ein Sachschaden von 3 Millionen
Euro entstanden sein soll.
Darauf folgten mehrere Ermittlungen und Razzien in Sachsen und Brandenburg.
Einen Monat nach der Nacht des Geschehens durchsuchten die Cops das
erste Mal die Wohnung eines in diesem Zusammenhang beschuldigten. Dieser
hatte sich verdächtig gemacht, indem er die Feuerwehr rief, als er
einen Brandgeruch in seiner Wohnung feststellte. Er wurde beschuldigt,
Beteiligter des Brandanschlages auf die Albertstadtkaserne zu sein, er
wurde ED (Erkennungsdienstliche Behandlung) behandelt und musste seine
DNA abgeben. Als Grund wurde angegeben, dass er sich auch im
Alternativen Zentrum die „Conni“ aufhalten würde, was laut den Cops ein
Szenetreffpunkt für Linke sei. Die Cops packten daraufhin die volle
Palette an Ermittlungsmethoden aus. Zum Beispiel wurde der Deutsche
Wetterdienst angefragt ob der Geruch in 1,7 km Entfernung überhaupt
mitbekommen werden konnte. Es wurde ein psychologisches Gutachten vom
BKA erstellt anhand des Anrufes der bei der Rettungsstelle einging. Nach
langen Ermittlungen gegen die Person, wurde das Verfahren gegen ihn
schlussendlich eingestellt. Es folgte eine trügerische Ruhephase, in der
allerdings im Hintergrund „weiter ermittelt“ wurde.
Am 15. März und 19. April im Jahr 2012 wurde in Finsterwalde die Wohnung
der Eltern von zwei AnarchistInnen durchsucht. Die
Durchsuchungsbeschlüsse waren identisch, bis auf die Ergänzung, dass
eben erneut durchsucht werden müsse. Mündlich wurde den Eltern
mitgeteilt, dass ein Telefonat ausschlaggebend gewesen sei, da sich ein
Elternteil am Telefon in etwa so äußerte:
„Bei der letzten Durchsuchung haben sie nicht das gefunden wonach sie gesucht haben.“
Die Cops drohten den Eltern, die Wohnung komplett auseinander zunehmen,
was auch geschah. Sie bestellten eine Umzugsfirma, die alles in Kartons
verpackte und anfing Möbel zu demontieren. Außerdem wurde probiert, die
Eltern gegeneinander auszuspielen, einzuschüchtern und mit Knast zu
drohen, wenn sie nicht sagen würden wo sich die Beweismittel befinden.
Sie haben sich jedoch nicht darauf eingelassen, was den Cops wohl die
Motivation nahm. Daraufhin wurde die Durchsuchung beendet.
Eine der beiden des Anschlages auf den Bundeswehrfuhrpark beschuldigten
Personen aus Finsterwalde war auch beschuldigt im sog.
„Antifasportgruppenverfahren“ nach §129 StGB in Dresden, weshalb wir
nochmal einen kleinen Exkurs zurück in der Zeitleiste unternehmen
müssen.
Am Abend des 19. Februars 2011 stürmten etwa 120 Cops mit Hilfe des SEK
das „Haus der Begegnung“, in dem anlässlich des an diesem Tag
stattgefundenen Nazigroßaufmarschversuchs ein Pressezentrum des Bündnis
„Dresden Nazifrei“ eingerichtet wurde. Teilweise widerrechtlich
miteinbezogen in die Durchsuchung wurden auch die Vereinsräume des
„Roten Baum e.V.“, eine Anwaltskanzlei, eine Privatwohnung und ein
Parteibüro der Dresdener „Linken“. Es gab mehrere verletzte Personen. Es
wurden Kettensägen eingesetzt um die Türen zu öffnen, weshalb ein hoher
Schaden entstand. Begründet wurde die Durchsuchung damit, dass durch
Kräfte der Ermittlungsgruppe „Terrasse“ seit den Morgenstunden ein
Funktelefonanschluss überwacht wurde, welches die Lenkzentrale für die
Organisation sei, von der teilweise schwerwiegende Straftaten
(Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung) im Zuge des
Demonstrationsgeschehens in Dresden ausgegangen sein sollen.
Der Hinweis, welche Nummer zu überwachen sei, kam durch ein sog.
Behördenzeugnis vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen. Dadurch
wird ersichtlich inwieweit die Razzien vom 19.02.2011 vom VS forciert
wurden.
Die Durchsuchung wurde von der Richterin Kessler zunächst nur mündlich genehmigt.
Alle Personen, die sich in dem Gebäudekomplex aufhielten, egal ob sie im
Pressezentrum arbeiteten oder sich bei den dort eingerichteten
DemosanitäterInnen einen Tee holten, wurden mit dem Vorwurf der
gefährlichen Körperverletzung, Sachbeschädigung und des besonders
schwerem Landfriedensbruch im Kontext einer „kriminellen Vereinigung“
konfrontiert und auf die Wache zur ED-Behandlung transportiert.
Was an diesem Tag noch bekannt wurde, ist, dass das Wohnprojekt „Praxis“
in Dresden Löbtau mit auf der Durchsuchungsliste der Staatsanwaltschaft
stand, die Behörden jedoch davon absahen, da ca. 250 Neonazis am Mittag
das Projekt mit Steinen angriffen. Das hätte negative Presse bedeuten
können und so ist die Razzia nicht zustande gekommen.
Gegen alle 21 Personen die im Zuge der Razzia am 19.02.2011 von
Repression betroffen waren, wurde das Verfahren nach §129 im Juli 2012
eingestellt.
Am 12. April 2011 ab ca. 4:00 Uhr durchsuchten dann nach eigenen Angaben
400 Cops medienwirksam 22 Wohnungen und Arbeitsräume von 14
Beschuldigten. Diese breit angelegte Aktion betraf Genoss*innen in
Dresden, Leipzig, Machern, Grimma, Niesky, Senftenberg und Finsterwalde.
Durch die Beschlüsse wurde sichtbar, dass es neben den
Demonstrationsgeschehen am 19.02.2011 auch um Körperverletzungen an
Nazis und um eine gewisse Ebene von Alltagsmilitanz ging. So wurden bei
den Razzien, schwarze Klamotten, politische Symbole, „Pläne“ und
„Anweisungen“, „waffentaugliche“ Gegenstände, Broschüren, Bücher, Flyer,
Plakate und Computer sowie sämtliche greifbare Speichermedien
(Festplatten, CDs, USB usw.) beschlagnahmt. Alle anwesenden
Beschuldigten mussten zusätzlich zur ED-Behandlung ihre DNA abgeben,
wofür auch richterliche Beschlüsse vorlagen. In den frühen Morgenstunden
des 3. Mai 2011 startete das LKA und der extra anwesende Staatsanwalt
Wagner eine neue Razzia. Mit Hilfe der BFE (Beweissicherungs- und
Festnahmeeinheit) wurde das Wohnprojekt „Praxis“ in Dresden etwa 5
Stunden lang durchsucht. Das Wohnprojekt sollte eigentlich schon am 12.
April mit durchsucht werden, jedoch wurde bei einer Observation einen
Abend zuvor ein „reges Treiben“ (sic) im Haus festgestellt, worin sie
die Absicht hinein interpretierten, dass es sich um die Beseitigung von
Beweismitteln handle. Daraufhin suchten die Cops einen Maulwurf in den
eigenen Reihen, so die Presse. Die Dresdener BFE führte zur
„Eigensicherung“ Schilder und HK-5 Maschinenpistolen mit, mit denen sie
versuchten , die angetroffenen Menschen einzuschüchtern, indem sie z.B.
drohten, Haustiere zu erschießen.
Auf dem Grundstück und im Haus gefundene Steine, die von den Neonazis am
19.02.2011 in Richtung Praxis geworfen wurden, erklärte das LKA in der
Presse zu extra gesammelten Wurfgeschossen, die von den BewohnerInnen im
Haus verteilt worden wären. Ziemlich schnell wurde klar, dass die
Aktenzeichen übereinstimmend waren zu den Razzien am 12. April 2011.
Am 22. September 2014 wurde gegen alle 22 Personen das Verfahren nach §129 in Dresden eingestellt.
Nun kommen wir zurück zum Ermittlungsverfahren in Bezug auf den Anschlag auf den Bundeswehrfuhrpark am 14. April 2009.
Nachdem die Beschuldigten endlich Zugang zu den Akten hatten, konnte
damit angefangen werden, diese auszuwerten. Das ergab natürlich einen
Einblick in die Ermittlungsmethoden der Cops.
Dort konnten sie ihrer Phantasie mal richtig freien Lauf lassen. Die
sächsischen Behörden, allen voran die Richter*innen des Amtsgerichtes,
die sowieso alles unterschreiben was sie auf den Tisch bekommen.
Es wurden insgesamt 1,2 Millionen Datensätze in EFAS
(Fallbearbeitungssoftware- und Analysesystem der sächsischen Cops) und
234 Verbindungsdatensätze gespeichert.
Es wurden mindestens 4 Monate lang Handy‘s, Festnetzanschluss, E-mail‘s
und Internet von den Beschuldigten und deren Familien überwacht. Dazu
stellten die Cops Anfragen an die Bundesnetzagentur, um festzustellen,
wem welches Telefon bzw. Handy gehört.
Die Wohnungen von zwei Personen wurden mindestens 5 Monate lang
observiert. Nach den Hausdurchsuchungen haben die Observationen massiv
zugenommen, bei den Eltern der Beschuldigten wurde z.B. eine Kamera vor
der Wohnung installiert, die erst nach der Einstellung des Verfahrens
wieder entfernt wurde.
Die Beschlüsse waren für einen Monat gültig und wurden immer wieder
verlängert; ähnlich war das auch bei der Telekommunikationsüberwachung
(TKÜ).
Bei einem Zeugen der in der Nacht von den Cops beim Prisnitzgrund
aufgegriffen wurde, wurde das Heftchen „Was tun wenns Brennt“ von der
Roten Hilfe gefunden. Dazu wurde ausführlich recherchiert, aus diesem
Grund wurde er Beschuldigter.
Außerdem haben die Cops Auskünfte über Konten bei den entsprechenden Banken der Beschuldigten beschafft.
Bei den Ermittlungsvorgängen ist ersichtlich wie viele Behörden an
diesem Fall zusammengearbeitet haben. Anscheinend wurde das
Trennungsgebot (von Geheimdienst und Polizeibehörden) missachtet.
Bekannt ist dass der MAD (Militärische Abschirmdienst) ausschließlich
gegen Bundeswehrangehörige, externe Firmen und den Wachschutz ermittelt
hat. Das gesamte Bildmaterial von Schaulustigen und Tankstellen wurden
beschlagnahmt. Das LKA Berlin hat bei der Funkzellenauswertung
mitgeholfen. Es wurde nach Zusammenhängen mit anderen Brandanschlägen in
Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein gesucht. Diese „Arbeit“ hat
das BKA übernommen. Sämtliche Halter von Autos wurden ermittelt. Es gab
Geschwindigkeitskontrollen bei Taxen, ÖPNV (Öffentlicher
Personennahverkehr) und Sicherheitsfirmen.
Das BKA Meckenheim hat eine ausführliche Internetrecherche betrieben.
Insgesamt wurden 3280 Personen ermittelt, die als ZeugInnen in Frage
kommen, darunter Spaziergänger*innen und Sportler*innen. Das
BekennerInnenschreiben „Initiative für ein neues Blaues Wunder“ das an
unterschiedliche Medien per Post gesendet wurde, wurde von einem
Gutachter des BKA analysiert. Es ergaben sich insgesamt 95 Unterspuren,
jedoch nicht ein positiver Treffer. Bei der USBV (Unkonventionelle
Spreng- und Brandvorrichtung) konnten auch Spuren gefunden werden.
Von acht Brandsätzen wurden sieben erfolgreich gezündet. An einem
Brandsatz konnten drei unterschiedliche männliche DNA Spuren und zwei
Fingerabdrücke gefunden werden. Eine weibliche DNA wurde an einem Zaun
sichergestellt. Des weiteren konnte in dem am Tatort angrenzenden Wald
eine DNA in Arbeitshandschuhen festgestellt werden. Zeugen hatten ein
Auto mit Berliner Kennzeichen gesehen, woraufhin es eine Anfrage an das
Kraftfahrtbundesamt gab. Von 1900 Autos kamen 325 in Frage, daraufhin
gab es 43 Alibiüberprüfungen – jedoch gab es auch dort keine Ergebnisse.
Bauanleitungen von den Zeitschriften „Radikal“ Nr. 157 und der
„Interim“ wurden überprüft und vor allem wurde sich mit dem Artikel
„Nobelkarrossentod“ auseinandergesetzt.
Vor ein paar Jahren wurde eine Person festgenommen, die aussagte, sie
hasse das deutsche Militär und hätte deshalb die Offiziersschule des
Heeres angezündet. Nach längeren Ermittlungen wurde den Behörden
bewusst, dass es keinen Zusammenhang gibt und die Person als Täter
ausgeschlossen werden kann.
Es kamen Brandmittelspührhunde und Bergungstechnik zum Einsatz. Auch
Interpol wurde auf Vergleichs-DNA angefragt und es gab einen positiven
Treffer. Jedoch ist aus den Akten nicht ersichtlich, ob es sich um eine
weibliche oder männliche DNA handele oder in welchem Zusammenhang diese
schon mal festgestellt worden wäre.
Des weiteren sind sämtlich Besucherlisten vom Hauptstaatsarchiv
kontrolliert worden. Im November 2012 gab es zwei Aufforderungen DNA
abzugeben, da diese Personen engen Kontakt zu den Beschuldigten in
Finsterwalde hätten. Jedoch bekam das LKA nur einen richterlichen
Beschluss für eine Person, von der die DNA in einem Krankenhaus
Zwangsweise von einem Arzt abgenommen wurde.
Im Zusammenhang mit diesem Ermittlungsverfahren wurde die
„Ermittlungsgruppe Albertstadt“ vom LKA Sachsen gegründet. Besetzt wurde
diese Ermittlungsgruppe mit denselben Cops, die für das sog.
„Sportgruppenverfahren“ nach §129 StGB zuständig waren.
Nach jahrelangen Ermittlungen wurden die Verfahren gegen vier
Beschuldigte im Oktober 2015 schließlich eingestellt. Die Behörden
probierten in diesen Jahren, die Linke Szene in Dresden und Umland mit
Repression zu überschütten. Sie schnüffelten herum, probierten
Freund*innen und Familien gegeneinander auszuspielen, observierten
Betroffene und deren Umfeld, hörten jahrelang Telefone ab – sie legten
die gesamte Szene lahm. Der Repressionsdruck gegen die GenossInnen vor
Ort erschwert den Widerstand gegen die gesellschaftlichen Zustände
erheblich, was Widerstand mit sich bringt. Nichts desto trotz muss man
sich bewusst werden, dass die Repression alle treffen kann, ob man sich
dem Staat entgegenstellt oder nicht – ob auf Demonstrationen,
politischen Veranstaltungen, im Kampf gegen Faschismus, Diebstähle,
Schwarzfahren und all das was Ausbeutung und Herrschaft hervorruft.
Revolutionäre Ideen sollten durch die Praxis überprüft werden.
Für das Ende der Herrschaft des Menschen durch den Menschen.
Für die Anarchie
Weitere Artikel und Meldungen auf der Webseite: gefangenen.info
Frage
Es gab Geschwindigkeitskontrollen bei Taxen, ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr) und Sicherheitsfirmen.
Wie ist das zu verstehen?
LKA Berlin
Wie genau war das LKA Berlin eingebunden?
Danke!
Sehr wichtig solche Artikel die über Repressionsstrategien am Beispiel aufklären.
Offene Fragen:
Wie sind die Bullen überhaupt auf die beiden Menschen aus Finsterwalde gekommen? Wäre ja interessant worauf die solchen Anfangsverdacht bauen.
Außerdem mit welchen Anschlägen in Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein wurden die Daten verglichen?