Die Bedrohung vom rechten politischen Rand wächst. Doch rot-rot-grüne Landesregierungen nehmen dem Verfassungsschutz die Kraft. Ein Kommentar.
von Frank Jansen
Die Reaktion war überfällig. Nach den tödlichen Schüssen eines „Reichsbürgers“ auf einen Polizisten in Bayern hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière das Bundesamt für Verfassungsschutz beauftragt, die Szene zu durchleuchten. Es wäre nicht verkehrt gewesen, die Reichsbürger schon früher zum „Sammelbeobachtungsobjekt“ zu erklären.
Nicht nur, weil ein Teil der Fanatiker, die Fantasiestaaten gründen und die Bundesrepublik als illegitim verschmähen, schon länger militant agiert. Die Agitation der Reichsbürger ist prinzipiell verfassungsfeindlich, weil die demokratische Grundordnung abgelehnt und bekämpft wird. Schnittmengen mit der rechtsextremen Szene sind kein Zufall. Immerhin hat de Maizière nicht weiter gewartet, sondern gehandelt.
Für den Verfassungsschutz ergeben sich nun allerdings neue Probleme. Das gilt für das Bundesamt wie auch für die Länderbehörden. Die heterogenen Milieus der mehreren tausend Reichsbürger zu beobachten, ist aufwendig. Ohnehin sind die Nachrichtendienste mit einer wachsenden Herausforderung konfrontiert. In der Bundesrepublik wuchert eine rechte Mischszene, in der Populisten zunehmend schwerer von harten Extremisten zu unterscheiden sind. Reichsbürger, Pegida, Teile der AfD, „Identitäre“, NPD, Neonazis und „besorgte Bürger“ kommen sich im Hass auf Flüchtlinge und in der Wut auf Angela Merkel näher. Da verwundert es nicht, dass in der SPD schon länger gefordert wird, der Verfassungsschutz müsse auch die AfD beobachten.
AfD drängt sich als Beobachtungsobjekt auf
Das Bundesamt und die Länderbehörden stehen vor der Aufgabe, ein größeres rechtes Spektrum als früher in den Blick zu nehmen – und stets aktuell zu differenzieren, wer ein Verfassungsfeind ist und wer (noch) nicht. Der Nachrichtendienst lehnt bislang die Beobachtung der AfD ab, doch rassistische Lautsprecher der Partei wie Björn Höcke nähern sich dem Status „Extremist“. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die Partei zumindest auf Landesebene dem Verfassungsschutz als Arbeitsobjekt nahezu aufdrängt.
Gerade linke, betont antifaschistisch auftretende Regierungen müssen sich allerdings fragen lassen, ob sie hinreichend dafür sorgen, dass der Nachrichtendienst effektiv agieren kann. Das rot-rot-grüne Kabinett in Thüringen hat dem Verfassungsschutz sämtliche V-Leute im Bereich Rechtsextremismus weggenommen. Und der designierte, gleichfarbige Senat in Berlin will den Nachrichtendienst nun ähnlich reglementieren. In der Koalitionsvereinbarung wird der Einsatz von Spitzeln „nur in begründeten Ausnahmefällen“ gestattet. Und noch gravierender: Sollte sich bei einem bedrohlichen „Sachverhalt“ die Zuständigkeit von Polizei oder Staatsanwaltschaft ergeben, ist der Verfassungsschutz raus. Ist SPD, Grünen und Linken bewusst, was sie da geschrieben haben?
Wird das Papier umgesetzt, darf der Nachrichtendienst selbst bei akuter Gefahr von rechtem oder salafistischem Terror weder Beobachtung noch Informationen beisteuern. Das dürften Dschihadisten, Neonazis und auch gewaltbereite Reichsbürger begrüßen. Ausgerechnet in Berlin, das Extremisten als symbolträchtiger Ort für Aktionen aller Art erscheint.
Richtige Entscheidung von Rot-rot-grün
Der Verfassungsschutz hat beispielsweise bei den Morden des NSU nicht nur in vielen Punkten versagt, sondern auch die Arbeit der Bullen (!) behindert. Der Autor des Artikels vergisst, dass der VS nicht die einzige Institution ist, die Nazis im Blick behalten kann.