Bautzen: „Alles für Volk, Rasse und Nation!“

Bautzen: „Alles für Volk, Rasse und Nation!“
Erstveröffentlicht: 
08.10.2016

Hätte man auf einer Zeitreise am 7. Oktober 2016 am Kornmarkt in Bautzen Station gemacht, man hätte nicht sicher sein können, ob man nicht versehentlich in den 1930er Jahre gelandet wäre. Der letzte Redner der Demonstration von „Die Sachsen Demonstrationen“  David Köckert hetzte vor 300 Gleichgesinnten im Duktus des Reichspropagandaministers Göbbels. Die wenigen Parolen der antifaschistischen Gegenkundgebung vermochten es nicht, die Hassrede spürbar zu stören.

 

In Dresden, da seien „mal wieder Starkpigmentierte überfallen worden“ und die „Schweinepresse“ würde nun rechte dafür verantwortlich machen. „Mitleid“ würden sich mit den Angegriffenen „heucheln“, aber „wo bleibt das Mitleid für Deutsche?“. Immer wieder addressiert Köckert die „schmierige Presse“ und verspricht: „Wenn es zu einer Revolution kommt, dann wird die nicht wie 89 werden, dann werdet ihr zu Rechenschaft gezogen!“. Dann erzählt Köckert noch einiges vom „Weltbrandstifter Nr. 1“, den „Yankees“ und anderen Feinden des deutschen Volkes.

 

Zuvor waren die 300 Bürger*innen und Nazis in einem kurzen Aufzug um den Block gezogen. Die Parolen waren die klassischen, aus dem Spektrum der „Autonomen Nationalisten“ bekannten. „Nationaler Sozialismus jetzt!“, „Frei, sozial und national“, „Kriminelle Ausländer raus!“ und auch die völlig unverblümte Variante „Alles für Volk, Rasse und Nation“. Daneben war hin und wieder auch die bei *gIdA-Demos beliebte Parole „Wir sind das Volk“ zu hören.

 

Der Grund warum die Demonstration stattfand war, dass man Druck auf die Stadt ausüben wollte, die Bautzener Innenstadt „ausländerfrei“ zu halten. Das hatte bislang auch einigermaßen gut funktioniert. Nachdem 100 Nazis und Rassist*innen vor dreieinhalb Wochen auf 20 unbegleitete minderjährige Geflüchtete losgegangen waren, hatten die Geflüchteten eine Ausgangssperre erhalten. Bürgermeister Alexander Ahrens (parteilos, nominiert von SPD und Die Linke) hatte den NS-Organisationen StreamBZ, Nationale Front Bautzen und Rechtes Kollektiv ein Gesprächsangebot unterbreitet. Zu dem Gespräch war es jedoch nie gekommen. Wahrscheinlich hatte Ahrens eingesehen, dass er es mit der negativ-PR für seine Stadt nicht übertreiben muss. Eine öffentliche Distanzierung, Entschuldigung oder Rücknahme dieser Entscheidung hate allerdings nicht stattgefunden. Somit hatte man es am 7. Oktober mit selbstbewussten Nazis zu tun, die Rückenwind verspürten.

 

Das Selbstbewusstsein der Bautzener Nazis zeigte sich auch im Umgang mit der „Lügenpresse“. Noch vor der ersten Rede wurde ein Journalist von Teils vermummten Nazis angegriffen und dessen Kameraobjektiv zerstört. Die Polizei schritt erst ein, als es bereits zu spät war und reagierte auch nicht mit Maßnahmen auf diese Straftat. Auch die Vermummung diverser Versammlungsteilnehmer wurde die ganze Zeit über von den Einsatzkräften toleriert. Auch größere Gruppen von Nazis wurden von der Polizei in alle Richtungen frei von der Kundgebung gelassen, was darin endete, dass eine Gruppe Nazis von hinten an die antifaschistische Kundgebung herankam und erst auf den letzten Metern von Einsatzkräften und Antifaschist*innen gestoppt werden konnte.

 

Der Lautsprecherwagen der rechten Kundgebung wurde von ThügIdA zur Verfügung gestellt. Der erste Redner stammte genauso wie der letzte, Köckert, aus dem ThügIdA-Dunstkreis. Alexander Kurth (DIE RECHTE, Leipzig). Kurth schwadronierte über „Systemkanaillen“, die „Lügenpresse“ und „Schmierfinken“ und forderte: „Wir wollen endlich wieder Politiker haben, die nicht von der Hochfinanz abhängig sind!“. Am 3. Oktober in Dresden sei den „Volksverrätern“ gezeigt worden, „wo der Hammer hängt.“ Nach Kurth sprach Julia aus Meerane. Ihre Rede handelte von der Angst der deutschen Frauen vor „ausländischen“ Männern. Sie warnte jedoch auch davor, sich „von falschen Feministinnen blenden“ zu lassen. Denn: „Wir sind nicht untergeordnet, wir sind nicht gleichgestellt, wir sind deutsche Frauen!“. Nach Julia trat der Nazi-Rapper A3STUS auf, der bekannt geworden war, weil er ein Musikvideo auf dem Berliner Holocaust-Mahnmal produziert hatte.

 

Die Protagonist*innen der lokalen Nazi-Szene trauten sich anscheinend nicht ans Mikrofon. Benjamin Moses von Stream BZ zumindest stand eher am Rand der Kundgebung herum. Die 300 Teilnehmer*innen setzten sich größtenteils aus angereisten Nazis zusammen. Darunter der NPD-Landesvorsitzende Jens Baur. Auch Mitglieder der bundesweiten Nazi-Bruderschaft „Brigade 8“ waren anwesend. Dennoch waren einige eher „zivilgesellschaftlich“ aussehende Menschen Teil der Nazi-Kundgebung. Das Medieninteresse schien groß zu sein, zahlreiche Fotograf*innen und Kamerateams waren anwesend. Darunter unter anderem der MDR und die BILD-Zeitung. Insofern und in Anbetracht der Vorgeschichte lässt sich davon ausgehen, dass auch offene NS-Veranstaltungen in Teilen Deutschland einen großen Resonanzraum haben.

 

Antifaschistische Gruppen hatten zu einer Gegenkundgebung mobilisiert, die direkt gegenüber der rechten Kundgebung platziert war. Lediglich 150 Menschen hatten sich bei der Antifa-Kundgebung eingefunden. Ohne Lautsprecherwagen und mit nur wenigen gerufenen Parolen gelang es den Antifaschist*innen nicht, die echte Kundgebung zu stören. Da der Termin bereits seit der rassistischen Hetzjagd im September bekannt war, ist die geringe Beteiligung an der Antifa-Kundgebung verwunderlich. Dennoch ist positiv hervorzuheben, dass es überhaupt linke Gegenaktivitäten gegeben hat, was viel zu oft in Sachsen nicht der Fall ist.

 

Mehr Fotos

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Die Nazis haben bei ihrer Demonstration am 7. Oktober, dem Tag der Republik, auch die DDR-Hymne über ihren Lautsprecher abgespielt.

 

https://www.youtube.com/watch?v=dpVX5eXv7SA