-- Versuch einer Einordnung der Anschläge der letzten Monate v.a. in Deutschland und Frankreich und der Reaktionen darauf --
Bei Würzburg hat ein junger Afghane in einem Zug ein paar chinesische Touris mit einer Axt verletzt, um sich für die Tötung eines Freundes bei einem Nato-Angriff zu rächen. Ähnlich zielgerichtet ging der islamistische Amok-Lastwagenfahrer von Nizza vor, der am 14.7. über 80 Leute totgefahren oder erschossen hat, der hat nämlich auch ca. 30 Moslems erwischt – das könnte beim Einlass ins Paradies noch Ärger geben. Dafür hat er gezeigt, dass der ganze Sicherheitswahn nix bringt – Nizza hat eine schwer bewaffnete Stadtpolizei und ist mit Kameras zugeschissen wie kaum eine andere französische Stadt. Trotzdem war der Anschlag ein prima Vorwand, den Ausnahmezustand nochmal zu verschärfen und gleich um sechs Monate zu verlängern statt wie vorgesehen um drei. Außerdem gibt's Hausarrest jetzt auch ohne richterliche Bestätigung, und für Hausdurchsuchungen ist selbige weiterhin nicht nötig.
Weniger Aufsehen erregen Massenmorde, wenn sie weiter weg passieren, wie das Daesch-Attentat von Bagdad am 3.7. mit 300 Toten oder die 200 toten ZivilistInnen bei der Bombardierung des syrischen Dorfs Tuchar durch die internationale Militärallianz in der Nacht auf den 19., was für ein paar Leute immerhin Anlass war, am 23.7. in Paris unter dem Motto "ihre Bomben – unsere Toten" gegen Krieg und Kriegszustand zu demonstrieren.
In Reutlingen rufen Neonazis nach einem Beziehungsdrama, bei dem ein syrischer Flüchtling seine polnische Freundin mit einem Dönermesser aus dem Laden, in dem beide arbeiteten, getötet hat, zu einem Trauermarsch auf – natürlich ohne die Beziehung und den polnischen Pass zu erwähnen, so dass der Eindruck entsteht, Flüchtlinge würden willkürlich Einheimische massakrieren...
Einen erfolgreichen Selbstmordanschlag führte im Eingangsbereich eines Festivals in Ansbach am 24.7. ein syrischer Flüchtling durch – er sprengte sich in die Luft und war tot, wobei er noch zahlreiche weitere Menschen verletzte; inzwischen sind zum Glück alle wieder aus dem Krankenhaus raus. Zuvor hatte er offenbar schon mehrere vergebliche Selbstmordversuche unternommen. Und jetzt könnt Ihr glauben was Ihr wollt, denn es gibt zahlreiche Varianten. Daesch, das selbsternannte Kalifat, verkündet, der Mann sei seit Jahren sein Soldat und habe bei mehreren Syrienaufenthalten im dortigen Krieg mitgekämpft; andererseits heißt es, ihm hätte (wegen des Dublin-Abkommens) die Abschiebung nach Bulgarien gedroht, außerdem seien seine Frau und sein kleines Kind im Krieg umgekommen, darum sei er verzweifelt, depressiv und selbstmordgefährdet gewesen – laut einem Gutachten sogar bereit, einen spektakulären Selbstmord zu inszenieren. Er war deswegen in Lindau bei exilio in Therapie, die wurde aber unterbrochen, weil die Ämter die Kosten nicht tragen wollten – jetzt könnt Ihr wahlweise auf exilio schimpfen, das eine offensichtlich nötige Therapie unterbricht und zu wenig Alarm bei den Ämter gemacht hat, oder auf die Ämter, die exilio boykottieren, psychisch kranken Flüchtlingen Hilfe verweigern und versuchen, ihn zur "freiwilligen" Ausreise nach Bulgarien zu treiben, um sich seine stationäre psychiatrische Unterbringung zu sparen.
In München erschoss am 22.7. ein junger deutsch-iranischer Doppelbürger neun Leute und sich selber; weil irgendwie das Gerücht aufkam, es seien drei Attentäter gewesen, wurde aus Angst vor den beiden anderen anschließend noch die halbe Stadt bis zum nächsten Morgen lahmgelegt. Pegida jubelte schon und auch mancher CSUler freute sich, jetzt sei endlich das Ende der Willkommenskultur gekommen. Nur hatte der Täter mit Flüchtlingen überhaupt nichts zu tun, stattdessen mehrten sich die Hinweise, dass es sich um einen der ihren handelte. Zunächst sorgte für Verwunderung, dass sieben der neun Todesopfer Moslems waren. Bei einer Hausdurchsuchung stellte sich heraus, dass der Täter sich intensiv mit dem Thema Amoklauf beschäftigt hatte und eins seiner Vorbilder der Spinner war, der genau fünf Jahre zuvor die Islamisierung Norwegens durch die Tötung mehrerer Dutzend sozialdemokratischer Jugendlicher zu stoppen versucht hatte. Angeblich war er auch noch stolz darauf, am gleichen Tag Geburtstag zu haben wie der Gröfaz und als Iraner der arischen Rasse anzugehören, wogegen er Menschen türkischer und arabischer Abstammung hasste – das waren auch seine Opfer. Die Polizei meint, die Tat sei trotzdem nicht rechtsextrem oder rassistisch motiviert. Nun, das hat sie ja bei den NSU-Morden auch nicht gemeint, aber wir sind mal gespannt auf die Ermittlungsergebnisse. Vielleicht waren's ja wirklich nur psychische Probleme und diese leidigen Killerspiele.
Am 26.7. war dann wieder Frankreich an der Reihe, in der Kirche von
St.-Étienne-de-Rouvray wurde während der Frühmesse der 85-jährige
Pfarrer von zwei Attentätern abgestochen, die dann ihrerseits von der
Polizei erschossen wurden. Die Reaktionen klangen eher nicht so, als
würden die Reagierenden glauben, der Pfarrer sei jetzt als Märtyrer ins
Paradies eingegangen, was er ja nach katholischer Lehre eigentlich
müsste, wenn er für seinen Glauben getötet wird. Ebenfalls ins Wanken
geraten sein dürfte der Glaube, es sei eine gute Idee, einen als
potenziellen islamistischen Attentäter erkannten Menschen zu Hausarrest
zu verpflichten und das mit einer elektronischen Fußfessel zu
überwachen.
Drei oder vier dieser Taten haben also wahrscheinlich einen "islamistischen" Hintergrund mit Bezug zum Daesch. Der Grund ist offensichtlich: Das "Kalifat" im Irak und Syrien ist militärisch gerade ziemlich unter Druck, Falludscha und Manbidsch hat es verloren, außerdem wurde Oberkommandeur Omar al-Schischani getötet. Die Nachschubrouten aus der Türkei sind praktisch abgeschnitten und Erdogan scheint sie aufgeben zu wollen – stattdessen versöhnt er sich mit Russland und kündigt sogar an, seine Beziehungen zum Assad-Regime zu normalisieren. Sein wichtigstes Anliegen in Syrien ist ja nach wie vor die Niederschlagung der kurdisch dominierten Revolution in Rojava, und vom Daesch ist das in absehbarer Zeit nicht mehr zu erwarten.
Daesch muss jetzt einerseits seinen Fans beweisen, dass er noch
handlungsfähig ist, und andererseits dringend mehr Leute rekrutieren.
Beides funktioniert mit Attentaten. Die perfide Rechnung: Anschläge in
europäischen Ländern werden rassistische Reaktionen provozieren, sowohl
in Form direkter Faschogewalt auf der Straße als auch von Seiten des
Staates mit Asylrechtsverschärfungen und neuen Schikanen gegen
Flüchtlinge, was denen wiederum das Gefühl geben soll, die europäische
Gesellschaft sei ihr Feind und sie müssten was dagegen tun; nebenbei
kann es dem Daesch nur recht sein, wenn denen, die vor ihm fliehen, auch
in den Aufnahmeländern das Leben zur Hölle gemacht wird. Pegida und die
europäische Rechte versuchen ja schon länger, dem Daesch zu geben, was
er braucht, waren damit aber bisher relativ erfolglos; in einer
Situation, wo sich alle vor "islamistischen" Anschlägen fürchten, ist
eine offen islamophobe Politik aber immer leichter durchzusetzen. Umso
wichtiger, dass wir kapieren, dass es nicht darum geht, entweder
Flüchtlinge oder "unsere eigenen Leute" zu schützen, sondern darum, die
Menschlichkeit an sich zu bewahren! Fünfzehn Jahre "Krieg gegen den
Terror" haben dazu geführt, dass aus ein paar hundert
steinzeitislamistischen Knallköpfen ein paar -zigtausend geworden sind;
es wäre vielleicht mal an der Zeit, Ziele und Methoden unserer
"Sicherheitspolitik" kritisch zu überdenken.
Pegida läuft amok?
Was hat der Titel mit dem Text zu tun? Ich würde den Text als "Hausarbeitsspam" klassifizieren: nichtssagend, überflüssig, harmlos.
ich verstehe die diskusssionskultur hier nicht
ein mensch macht sich die mühe, einen text zu schreiben.
dieser bericht besteht aus einer aufzählung mehr oder weniger bekannter fakten. dadruch entsteht soetwas wie ein stimmungsbild, wo auch der titel dann dazupasst.
das muss mensch nicht gut heisse, aber deswegen gleich rumzutrollen... na, ich weiß nicht?
an den/die autor/in: danke für mühe!
Die kapitalistische Gesellschaftsordnung kritisch zu überdenken
wäre eigentlich überfällig, aber weder ihr, noch weite Teile der Linken haben diesbezüglich der Bevölkerung etwas anzubieten. Resultat ist die aktuelle Situation.
Was, bitte
hat der Kapitalismus mit Erdowahns Machtgier und den religiösen Extremisten des IS zu tun?
Gar nichts!
Kapitalismus braucht keine Kriege, Kapitalismus braucht keine Spaltung der Gesellschaften und Kapitalismus mitsamt seiner nur zum Schutz vor bösen Mächten aufgestellte und benutzte Militärmaschinerie hat rein gar nichts mit dem Erstarken von Extremisten aller Art zu tun. Der Kapitalismus hat auch keine Propagandamedien, die die Hirne der Schafe in die Richtung lenken, so zu denken...
Denk mal drüber nach!
Linker oder eher nicht?
Das ist schwierig, wenn man einem Linken erklären muss, das im Zeitalter des hauptsächlichen Widerspruchs von Kapital und Arbeit alles eben mit dieser herrschenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung zusammenhängt.
Obwohl mein Wissen dahingehend durchaus auch etwas beschränkt ist, sind mir diese Grundwahrheiten doch durchaus geläufig.
Erdogan ist ja auch nicht nur mal so für sich machtgierig, sondern repräsentiert seine Klasse. Religiöse Extremisten haben nicht unwesentlich deshalb erheblichen Zulauf, weil verbrecherische Kapitalisten/Imperialisten die Lebensgrundlagen so vieler Völker zerstören bzw. auch „nur“ deren Entwicklungen nicht zulassen.
Vielleicht reicht das als Aufhänger für eine Klärung dieser Frage.
Zur "Therapie" des Selbstmordattentäters von Ansbach
Erwähnenswert wäre vielleicht noch, daß die "Therapie" nicht durch Fachleute durchgeführt wurde, sondern von einem Esoteriker mit Heilpraktikerschein. Dieser nutzte hinterher auch die nicht vorhandene Schweigepflicht, um für sich kräftig die Werbetrommel zu rühren und zu konstatieren, er hätte es ja vorher gewusst. Und unternahm - genau - nichts.
Re: Zur "Therapie" des Selbstmordattentäters von Ansbach
Stimmt nicht ganz: Bevor er zu Exilio kam, war er stationär in der Psychiatrie. Dass er da wieder reingehört hätte, ergab sich eigentlich aus dem Exilio-Gutachten, aber die Behörden haben sich große Mühe gegeben, selbiges zu ignorieren bzw. relativieren, weil es ja auch ein Abschiebehindernis gewesen wäre.