Solidarity without limits – Nationalismus ist keine Alternative - Am 3. Oktober will sich die deutsche Nation wieder selbst feiern. Dieses Jahr findet das zentrale Event der Einheitsfeierlichkeiten unter dem Motto „Brücken bauen“ in Dresden statt. Brücken sind eine gute Sache. Sie machen eine sichere Reise möglich. Man könnte viele Brücken bauen, z.B. über das Mittelmeer, und damit das Leben von zehntausenden Flüchtenden und Migrant*innen retten.
Darüber nachzudenken, wie alle Menschen sicher das Mittelmeer überqueren könnten, wäre besonders am 3. Oktober, dem 3. Jahrestag des Bootsunglücks von Lampedusa, ein Anfang, um mit der europäischen Abschottungspolitik Schluss zu machen. Aber in Dresden wird es nicht darum gehen. Stattdessen soll mit dem üblichen Tam-Tam die vermeintliche Einheit von Kultur, Tradition, Staat und Bevölkerung herbeigefeiert werden. In der Realität sieht das ganz anders aus: Die deutsche Gesellschaft polarisiert sich, in Staat und Gesellschaft erfahren autoritäre und ausgrenzende Tendenzen Aufwind und die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander. Alles gute Gründe am Wochenende des 3. Oktobers die Einheitsfeiern in Dresden kritisch zu begleiten. Denn das Gastgeberland Sachsen lädt offiziell zum „Tanz“.
Dresden: Die Hauptstadt der Vergangenheitsüberwältigung
Sachsen wurde durch Pegida, Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte und
den immer wieder wütenden rechten Mob zum Sinnbild des Rechtsrucks in
Deutschland. Und noch viel mehr: Die Landeshauptstadt Dresden ist zum
Symbol und Ausgangspunkt der Restauration des neuen deutschen
Nationalismus geworden: Von den „Jubelsachsen“ beim ersten Besuch Helmut
Kohls, über das revisionistische Gedenken an die Bombardierung der
Stadt am 13. Februar — was dem Otto-Normal-Deutschen endlich wieder die
Berechtigung gab, sich als Opfer des II. Weltkriegs zu fühlen —, bis hin
zum Hofieren des rechten Mobs durch Dialog-Foren der Landesregierung
zum gegenseitigen Streicheln der Ressentiments zwischen Regierung und
Bürger*innen. Mit erneuertem nationalen Selbstbewusstsein agiert die
Bundesregierung als Befehlshaberin Europas in der Krise, während die
Bevölkerung endlich wieder Nationalstolz zeigen und nationale
Souveränität fordern kann.
Die Krise und der Rechtsruck
Der Aufschwung des Rechtspopulismus in Sachsen und Deutschland reiht
sich jedoch lediglich in eine gesamteuropäische nationalistische
Entwicklung ein, die ihren neuerlichen Ausgangspunkt im Ausbruch der
Wirtschafts- und EU-Krise 2007 fand und seitdem nicht aufhört. In dieser
Krise wurde Deutschland zum Taktgeber des sozialen Kahlschlags und
Leistungszwangs, bestehend aus Privatisierung und Angriffen auf die
Rechte der Lohnabhängigen. Vorbilder für die Austeritätspolitik gegen
Griechenland sind Hartz-IV und die mit der Wende beginnende Abwicklung
der DDR und anderer Länder Osteuropas, in denen die ehemals staatlich
gesteuerte Wirtschaft im Schnellverfahren dem kapitalistischen Markt
unterworfen wurde. Damals dienten die Maßnahmen der Integration in den
neoliberalen Wirtschaftsstandort Deutschland. Heute soll der deutsche
Standort Europa heißen. Auf dem Weg zu einem Europa unter deutscher
Hegemonie war selbst die parlamentarische Demokratie immer wieder eine
Hürde — und wurde in den Ländern Südeuropas durch die Troika mehrfach
überrollt. Jede noch so kleine Alternative zum Sparkurs wurde somit im
Keim erstickt. In diesem Fahrwasser häufen sich — wenig verwunderlich —
die Erfolge von völkischen Parteien und Bewegungen. Denn die allerorten
von den Regierenden gepflegten Ressentiments vertreten doch letztlich
die Profis der Abschottung, Armut und Ausgrenzung noch glaubwürdiger.
Die (hetero-)sexistischen und rassistischen Feindbilder überschlagen
sich, die soziale Kälte nimmt zu und die Wohlstandschauvinist*innen
unterschiedlicher politischer Lager geben sich weiter die
(rechts-)populistische Klinke in die Hand.
Crisis is coming home
Deutschland ist bisher als Gewinner aus der Wirtschaftskrise
hervorgegangen und konnte die Lasten des eigenen Erfolgs auf andere
Regionen, Lohnabhängige und prekäre Klassen abwälzen. Die vielfältigen
Widersprüche und das Elend des kapitalistischen Normalvollzugs und
seiner Staatsapparate treten jedoch wieder so offen zu Tage wie seit
langem nicht mehr. Und zunehmend befinden sich die elitäre
parlamentarische Demokratie und die technokratisch-neoliberale EU in
einer Legitimationskrise, die nicht nur hierzulande vor allem von der
politisch Rechten genutzt wird. Inmitten der Krise der
Repräsentativdemokratie, brutaler Verarmung selbst in den
kapitalistischen Zentren, aggressiver Abschottung an den Grenzen und
völkischer Stimmungsmache „tanzt“ die versammelte Gemeinde der
neoliberalen Nationalist*innen, um die Alternativlosigkeit zu feiern.
Nebenan wüten völkische Nationalist*innen und propagieren ihre
„Alternative“ zum Standortnationalismus.
Das schreit nach radikaler Kritik! Nationalismus ist keine Alternative!
Sachsen lädt ein: Let‘s crash their party! Grenzenlose Solidarität statt
nationalem Korsett! Bringen wir die Verhältnisse zum Tanzen!
Termine
2. Oktober:
- Vorabend-Demonstration gegen die Einheitsfeierlichkeiten in Dresden
3. Oktober:
- Kundgebung in Solidarität mit allen Geflüchteten
- Dezentrale Aktionen gegen die Einheitsfeierlichkeiten in Dresden
September und Oktober:
- gemeinsame Veranstaltungsreihe des Bündnis „Solidarity without limits“
Website: 3oct.net
Twitter: twitter.com/swl_nika
habt ihr mal von auschwitz gehört?
deutschland ist mehr als standortnationalismus.
Kreuzberg fährt nach Dresden ...
... Auf ein vaterlandsverräterisches Wochenende!