Die Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremisten in Bremen verschärfen sich. In den vergangenen Monaten hat es mehrere Übergriffe auf Angehörige der sogenannten Misch-Szene aus gewaltaffinen Fußball-Fans und Rechtsextremisten gegeben, sagt Nils Matthiesen, Sprecher der Polizei Bremen. Staatsschutz und Staatsanwaltschaft ermitteln, auch in Bremen-Nord.
Zumindest einer der Fälle ist öffentlich geworden: Am 6. April wurde ein Wortführer der rechtsradikalen Szene Bremens in der Martinistraße von drei Männern überfallen und niedergeschlagen. Auf einen neu entflammten Konflikt zwischen linker und rechter Szene deutet auch die Schändung des Mahnmals am Bunkers Valentin hin. Der Vorfall ist nun fast einen Monat her. Unbekannte verbrannten Kränze und Blumen, die Verbände von Überlebenden und Angehörigen von Opfern dort niedergelegt hatten. Und die Täter hinterließen noch andere Spuren: Sie sprühten mit einer Schablone einen Spruch auf, der sich gegen die Antifa richtete.
Derzeit gibt es keinen Hinweis, dass die Übergriffe in der jüngsten Zeit im direkten Zusammenhang mit der Schändung des Bunkers stehen, sagt Matthiesen. Eine Verbindung nach Bremen-Nord gibt es nun jedoch.
Fritjof Balz vom Staatsschutz gewarnt
Fritjof Balz, Mitglied des Blumenthaler Beirats, bekam vor etwa einer Woche einen Anruf des Staatsschutzes – eine Warnung. Auf der Homepage einer linksextremen Gruppe sei sein Name in einer Liste aufgetaucht. Gegen mehrere Personen aus dieser Liste habe es schon Übergriffe gegeben. Ein 38-Jähriger sei Ende Mai in der Neustadt attackiert worden. Vermummte sollen den Mann am Nachmittag mit Pfefferspray und einem Teleskopschlagstock attackiert haben.
Alle auf der Homepage aufgelisteten Personen seien Teilnehmer einer Spendenaktion für Obdachlose des Hogesa-Ablegers „Gemeinsam stark Deutschland“ (GSD) in Bremen, habe der Staatsschutz erklärt – wie Balz selbst. „Die GSD hat gefragt, ob sie auf meinen sozialen Netzwerken für die Aktion werben kann. Ich habe an die gute Sache gedacht. Mir war es egal, wer sie macht.“ Er sei zur Veranstaltung am Hauptbahnhof gefahren, um sich von der Aktion zu überzeugen und mit den Obdachlosen zu sprechen. Mit dem Verein habe er nichts zu tun. Dennoch habe sein Besuch der Aktion, den Bilder im Netz bezeugen, zum „Eklat“ geführt, wie er sagt. Die Antifa habe die Fotos benutzt, um ihn als Nazi und Rechtspopulisten darzustellen. „Das ist völliger Blödsinn.“ Angst habe er aufgrund der Warnung des Staatsschutzes nicht. „Sonst haben solche Gruppen gewonnen. Ich werde mich dem nicht beugen.“ Nach Übergriffen auf seine Garage während des Wahlkampfs im letzten Jahr habe er an seinem Haus „Sicherungsmaßnahmen getroffen“. Und außerdem betreibe er seit Jahren Kampfsport.
Verfassungsschutz: „Wir müssen aufpassen, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen ihnen nicht hochschaukeln.“
Als extremistisch schätzt Stefan Ravens vom Bremer Verfassungsschutz den Anschlag auf das Mahnmal am Bunker Valentin auf jeden Fall ein. Der Schriftzug ist ihm bisher in Bremen jedoch noch nicht aufgefallen, sagt der Leiter der Abteilung Rechtsextremismus. Er warnt davor, die Konflikte zwischen links- und rechtsextremistischen Gruppen zu unterschätzen: „Wir müssen aufpassen, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen ihnen nicht hochschaukeln.“
Der von den Tätern aufgesprühte Spruch zitiert ein Lied der Bremer Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“. In ihrem Shop verkauft die Gruppe Pullover, T-Shirts und Aufkleber mit dem Aufdruck des Spruchs. Die von den Tätern benutzte Schablone ist jedoch nicht identisch mit diesem Motiv. Der Bremer Verfassungsschutz bezeichnet „Kategorie C“ in ihrem Verfassungsschutzbericht für 2014 als rechtsextremistische Hooligan-Band.
Ute Reimers-Bruns, Vorsitzende der Blumenthaler SPD, beunruhigt der Vorfall am Bunker Valentin. „Schmierereien sind der erste Schritt zu einer anderen Politik. Das sind Banden, die jetzt noch im Dunkeln agieren, davor müssen wir uns schützen.“
Rechte Tendenzen in Farge
Sie könne sich vorstellen, dass rechte Tendenzen die Mitte in Farge längst erreicht haben. „Woher sollen sonst die ganzen Stimmen bei der Wahl herkommen?“, sagt sie und spielt damit auf das gute Abschneiden des Kandidaten Fritjof Balz bei der Beiratswahl in Blumenthal an. Sie erinnert auch an die mittlerweile aufgelösten Farge Ultras. Sie seien immer noch vor Ort. „Sie tragen vielleicht die T-Shirts nicht mehr, aber es sind die selben Gesichter. Sie machen weiter mit ihrer Propaganda.“
Reimers-Bruns plädiert dafür, sich sachlich auseinanderzusetzen und Sprüche nicht nur als Stammtischparolen abzutun. „Im Verborgenen könnte die rechte Bewegung eine große Masse werden – ohne dass man es merkt. Die Gesellschaft muss sich gegenüber anderen bekennen und im Alltag Haltung zeigen. Die Menschen können sich nicht raushalten.“
„Es gibt hier ein Problem“, sagt Kyra Behrje, Mitbegründerin des linken Treffs „Katzensprung“, über Bremen-Nord. Über die Schändung des Mahnmals sei sie erschrocken, verwundert aber nicht. Jeden Montag lädt ihr Projekt zum Austausch ein. „Katzensprung“ setze sich seit eineinhalb Jahren für eine antifaschistische Vernetzung ein und wolle politisch informieren. Als die SPD dazu einlud, einen neuen Kranz am Mahnmal niederzulegen, kamen Behrje und andere Mitglieder der Gruppe. „Wir wollen ein Zeichen gegen Faschismus setzen und den Anschlag auf das Mahnmal verurteilen. Es ist ein Versuch der Einschüchterung gegen alle, die Nein sagen zu Rechtsextremismus.“
Ob sich rechtes Gedankengut in Blumenthal ausgebreitete habe? „Auf jeden Fall“, sagt Behrje. Da müsse man sich nur die Beiratssitzungen im vergangenen Jahr anschauen, als es um das Thema Flüchtlinge gegangen sei. „Jemand sagte, der Bunker Valentin sei doch groß genug für die Unterbringung der Flüchtlinge. Der halbe Saal hat geklatscht.“ Ein anderer habe gesagt: „Es wird Zeit, dass es hier endlich auch brennt.“
Reinhold Koch (Grüne), Mitglied des Blumenthaler Beirats, hat eine Resolution zur Schändung des Mahnmals formuliert und legt sie dem Beirat zur Abstimmung vor. „Wer die Orte des NS-Schreckens angreift, der will die Schreckensherrschaft der Nazis verdrehen und verharmlosen und tötet die Wahrheit.“ Er verwies auch auf den Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft an der Kreinsloger/Ermlandstraße. „Die Anschläge zeigen: Wir müssen noch viel mehr tun.“
Anschläge auf Gedenkstätten immer häufiger
Der Bunker Valentin ist nicht die einzige deutsche Gedenkstätte, die in jüngster Zeit geschändet wurde. Die Freiluftausstellung der Gedenkstätte des ehemaligen KZ-Außenlagers Jamlitz-Lieberose in Brandenburg ist Mitte Mai in kurzer Zeit zweimal beschädigt worden. Die Eingangstafel wurde durch eine Explosion vollständig zerstört. Wenige Tage zuvor hatten Unbekannte zwei Informationstafel zerstört.
In der Gedenkstätte Buchenwald sollen zwei Männer den Hitlergruß gezeigt haben und Bilder dieser Szene bei Twitter eingestellt haben. Nach Angaben der Stiftung Buchenwald verdoppelte sich die Anzahl der rechtsextremistischen Straftaten 2015 auf 20. In diesem Jahr erstattete die Stiftung bereits sieben Anzeigen.
„Ich finde es in dieser Massivität erstaunlich. Die beiden jüngsten Schändungen haben eine Dimension, von der ich lange Jahre nichts gehört habe“, sagt Marcus Meyer, Leiter des Denkorts Bunker Valentin. Einen direkten Zusammenhang zum Übergriff auf das Mahnmal „Vernichtung durch Arbeit“ könne man nicht herstellen. „Natürlich hat das etwas mit der lokalen Szene zu tun. Hier springen noch die Farge-Ultras rum und zugleich ist die Antifa präsent.“
Die Schändung des Mahnmals am Bunker scheine dabei genau geplant gewesen zu sein. Die Täter hätten vermutlich von den Kränzen gewusst und Brandbeschleuniger dabei gehabt. „Wer schleppt Grillanzünder mit sich herum?“, fragt Meyer. Ob die Täter die Blumen bewusst verbrannten, wegen der damit verbundenen Assoziation, könne man nicht sagen. „Es kann auch stumpfe Zerstörungswut sein und muss nicht intendiert gewesen sein.“ Diesen Teil der Schändung findet Meyer besonders schlimm: „Die Tafel zu beschmieren ist bösartig, mit so etwas muss man aber immer rechnen. Aber die Kränze abzufackeln zielt direkt auf die Opfer und ihre Angehörigen und ist noch mal eine andere Qualität.“
Thomas Lutz von der Dokumentationsstätte „Topographie des Terrors“ in Berlin spricht von relativ wenigen Fällen in Deutschland. Doch sie könnten in einem größeren Zusammenhang stehen: „Die Gedenkstätten sind ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn es insgesamt eine Zunahme rechtsextremer Gewalt gibt, dann äußert sie sich auch dort stärker.“
was bisher geschah