Flüchtlingen helfen: Das will eine Frau vom Freundeskreis Asyl. Wegen ihres Verhaltens bei einer Abschiebung stand sie nun jedoch vor Gericht.
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung: Das warf die Staatsanwaltschaft einer Giengenerin vor, die sich im Freundeskreis Asyl engagiert.
Was war geschehen? Das ist nach der gestrigen Verhandlung vor dem Amtsgericht unter Vorsitz von Richter Eberhard Bergmeister nicht eindeutig nachvollziehbar. Zu weit lagen die Schilderung der Angeklagten und der vier als Zeugen aussagenden Polizeibeamten vom Revier Giengen auseinander.
Klar ist, dass am 24. November des vergangenen Jahres in der Asylunterkunft an der Planiestraße eine Abschiebung gegen einen Gambier vollzogen werden sollte, zu der vier Polizisten, darunter eine Frau, zur Unterkunft fuhren, um den Auftrag des Regierungspräsidiums auszuführen.
„Ich habe eine Kurznachricht erhalten, dass die Polizei im Haus ist“, so die Angeklagte gestern. Ihren Schilderungen zufolge ist sie bis zu fünf mal pro Woche in der Unterkunft, im Bestreben, Hilfe für die Flüchtlinge zu leisten. Sie habe sich daraufhin auf den Weg gemacht, geklingelt und in den zweiten Stock gegangen, wo sie auf dem Flur eine Polizeibeamtin gesehen habe. Sie sei auf die Frau zugegangen und habe gefragt, was „hier los“ sei. Sie habe aber keine Antwort bekommen.
„Plötzlich ging die Tür auf und eine Frau rannte herein, hinter ihr mehrere Männer. Gefragt hat sie mich nichts“, so die spätere Aussage der Polizistin zur Situation beim Eintreffen der Angeklagten.
Diese weiter: „Ich habe mich um 180 Grad gedreht und gesehen, dass ein Polizist mit einem Handy gefilmt hat“. Der Gambier, der abgeschoben werden sollte, sei gefesselt am Boden gelegen , ein weiterer Polizist habe im ein Knie in den den Nacken gedrückt. Soweit die Schilderung der Angeklagten.
Die Polizeibeamten schilderten dies etwas anders: der Gambier sei zwar gefesselt gewesen, sei aber gestanden beziehungsweise habe gesessen.
Ein Polizist gab zu Protokoll, dass er die Situation gefilmt habe. „Als Beweis“, wie er sagte. Das Video sei aber nichts geworden.
Gleiches tat die Angeklagte. „Ich habe selbst mein Handy genommen und gefilmt“. Auf Nachfrage des Richters meinte sie, ihrem Kenntnisstand nach sei es ihr Recht zu filmen. Sie dürfe die Bilder nur nicht veröffentlichen.
„Einer der Polizisten kam auf mich zu und hat mich angeschrien, ich solle sofort das Handy ausmachen. Er hat mir dann auf die Hand geschlagen, so dass es mir aus der Hand fiel“, so die Frau. Im weiteren Verlauf sei sie von einem der Beamten zu Boden gestoßen worden. Sie habe keine Luft bekommen und gerufen: „I cannot breathe. I need help.“
„Sie hat sich theatralisch fallen lassen. Das war nur ein Schubser. Sie hat einen Riesen-Zinnober veranstaltet“, so die Aussage eines der Polizisten.
Am Boden liegend, habe sie die Polizisten als „Drecksbullen“ beschimpft, was ihr im Nachhinein leid täte, so die Angeklagte gestern.
Alle vier Beamten sprachen davon, dass auf diesen Tumult hin eine brenzlige Situation entstanden sei. Die Frau habe die Männer durch ihr Schreien angestachelt. Die Polizistin sagte aus, dass sie im Verlauf der Auseinandersetzung mehrmals von der um sich schlagenden Angeklagten getroffen worden sei.
Die Beamten hätten sich dann etwa 20 Männern gegenüber gesehen. „So eine brisante Situation habe ich noch nie erlebt“, so einer der Zeugen.
Einer der Polizisten habe mehrmals mit dem Einsatz von Reizgas gedroht. Die Frau sei dann von zwei Flüchtlingen in ein anderes Zimmer getragen worden.
Zwischenzeitlich sei Verstärkung angefordert worden und auch eingetroffen. Ohne weitere Zwischenfälle sei die Abschiebung dann vollzogen worden.
Einer der Polizisten gab an, er habe die Frau, die vorläufig festgenommen wurde, später mehrmals gefragt, ob sie ärztliche Hilfe brauche. Sie habe aber immer verneint.
„Warum haben sie die Personalien der anderen Beteiligten nicht aufgenommen?“, frage der Anwalt der Angeklagten die Polizisten. „Ich war froh, lebend heraus zu kommen“, so eine Antwort.
„Ich plädiere dafür, das Verfahren gegen die Verhängung einer Geldauflage einzustellen“, so der Rechtsanwalt. Es gebe deutliche Diskrepanzen in den Aussagen. Bei einer Fortsetzung des Verfahrens müssten „die Leute gehört werden, die noch im Haus waren“. Seine Mandantin habe sicherlich nicht alles richtig gemacht, engagiere sich aber sehr zum Wohle der Zivilgesellschaft. Darüber hinaus sei sie nicht vorbestraft.
Dem Ansinnen auf Einstellung stimmten Staatsanwaltschaft und Gericht zu. Voraussetzung ist, dass die Frau bis Ende Juli 1500 Euro an einen Hilfsfonds bezahlt.
„Die Situation ist eskaliert. Das ist normal überhaupt nicht meine Art. Ich hatte keine böse Absicht. Alle waren mit der Situation überfordert. Ich habe sicher auch viele Fehler gemacht“, so die Angeklagte abschließend.
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