Blockieren wir das Arbeitsministerium – Markieren wir ihre Verarmungs- und Ausgrenzungspolitik – gegen die Mauern im Innern und die Grenzen nach Außen Zu lange waren wir nicht mehr gemeinsam auf der Straße sichtbar. Dabei findet unsere praktische Solidarität tagtäglich statt: Wir sind Teil von Willkommensinitiativen, wir organisieren Unterstützung und Aktionen an den Grenzzäunen Europas. Wir bekämpfen Freihandel, Krieg und Klimawandel, die täglich Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingen. Wir wehren uns dagegen, dass unsere Städte immer teurer werden. Wir organisieren uns gegen Niedriglöhne, die Drangsalierung durch die Jobcenter und die alle umfassende Unsicherheit im Leben und der Arbeit. Unermüdlich schreiten wir ein gegen Nazis, AfD und die Aufmärsche vermeintlich besorgter Bürger*innen“, widersetzen uns dem gesellschaftlichen Rechtsruck in Politik, Medien, auf der Straße. Das zeigt: Es gibt es, das Lager der Solidarität – überall in Europa. Und es gibt die Momente, die uns beleben, wenn wir uns gegen den autoritären Kurs der EU und der nationalen Regierungen wehren – Paris lässt grüßen!
Gemeinsam mit unseren europäischen Freund*innen kämpfen wir grenzübergreifend weiter gegen das europäische Krisenregime, ein Regime, das überall in Europa so viel Armut und Verwerfung, Unsicherheit und Angst produziert. Es ist ein Europa unter der Diktatur der schwarzen Null und der Doktrin der Abschottung gegen den Rest der Welt. Es ist ein Europa des sozialen Zerfalls und der organisierten Hoffnungslosigkeit, ein Europa, in dem der Aufstieg rechtspopulistischer wie faschistischer Parteien auch das Resultat ist von Konkurrenz und Spaltung, von vermeintlicher Alternativlosigkeit und dem Recht des Stärkeren. Die Zeit läuft auch hier: Die AfD ist zum organisatorischen Rückgrat des „rechten Blocks“ geworden, ein Block, der längst kein Randphänomen mehr ist, der sich formiert und weit in Politik und Gesellschaft reicht. Die AfD nutzt das gebrochene Glücks- und Freiheitsversprechen des Neoliberalismus, um unter dem nationalen Deckmantel die Privilegien einer kleinen, weißen, männlichen Schicht zu verteidigen. Die über Jahre autoritär durchgesetzte Basta-Politik von Verarmung und Prekarisierung ist der Nährboden dieses rechten Blocks. Kampf gegen rechts heißt deswegen immer auch, konsequent solidarisch zu sein und die Grenzen zwischen arm und reich, zwischen oben und unten, zwischen innen und außen zu überwinden. Die Kämpfe für soziale Gerechtigkeit und die Kämpfe gegen Rassismus gehören zusammen.
Wir glauben es ist dringend an der Zeit, das Lager der Solidarität im Zentrum des europäischen Kapitalismus sichtbar werden zu lassen und hier gemeinsam die vermeintliche Alternativlosigkeit der neoliberalen Mitte anzugreifen – bevor nationale „Lösungen“ in Gesetzen, in Parlamenten und auf der Straße überhand nehmen. Die Spaltungen laufen in Europa zwischen der Peripherie und dem Zentrum, zwischen oben und unten – und sie verlaufen längst auch im Herzen des Krisen- und Grenzregimes. Wir wollen diese Grenzen gemeinsam mit Vielen symbolisch und praktisch angehen, markieren und einreißen. Ein gemeinsamer Ort des Protests dafür ist das Arbeitsministerium. Denn der Versuch uns zu spalten war stets auch ein sozial- und arbeitsmarktpolitisches Projekt. Und die Architekten der europäischen Politik der Spaltung saßen und sitzen nicht zuletzt an einer Stelle, in den Ministerien für Arbeit und Soziales der Hauptstädte des globalen Nordens – und damit zentral auch in Berlin.
Die soziale Verwüstung Südeuropas hat ihren Vorläufer in der Agenda 2010 und der systematischen Unterschichtung des Arbeitsmarktes hier. Fehlende Erwerbsarbeitsplätze, zurückgehende Reallöhne, der Mangel an bezahlbaren Wohnungen, die Aussicht auf Armutsrenten, Jugendarbeitslosigkeit, unsichere Arbeitsverhältnisse – all das betrifft uns alle auf die eine oder andere Weise. Wir sind schon lange wütend auf eine Politik, die bei allem Gerede von Effizienz und Flexibilität nur eins zum Ziel hat: eine bestimmte sparsame, fleißige, gehorsame, brutale Lebensweise um jeden Preis durchzusetzen. Mit der technokratischen Rede von den Sachzwängen werden jetzt nach der Agenda 2010 hier auch die „Arbeitsmarktreformen“ in Frankreich und Südeuropa gegen den Widerstand der Menschen durchgesetzt. Diese Politik zielt auf die Errichtung von Spaltungen und Grenzen im Inneren, auf die systematische Entrechtungen und den Ausschluss von so Vielen.
In den kommenden Wochen sollen die Gesetzte für Hartz-IV Betroffene nochmal verschärft werden. Heizkosten sollen beschnitten, Freibeträge eingeschränkt werden. Die soziale Disziplinierung zeigt bei der Umsetzung von Hartz-IV ihre brutale Fratze. Wieder werden Hartz-IV Betroffene als Menschen diffamiert, die nicht genug dafür tun ihre „Hilfebedürftigkeit“ zu beenden. Und die „sozialdemokratische“ Arbeitsministerin Nahles legt gleich noch einmal nach: Sozialleistungen für europäische Binnenmigrant*innen soll es bald erst nach fünf Jahren Erwerbsarbeit in Deutschland geben. Das heißt: Wer es schafft, nimmt jede Arbeit an und ist jeder Erpressung hilflos ausgeliefert. Die Konkurrenz und der Verteilungskampf im Niedriglohnsektor werden so rassistisch aufgeladen – und gerade die Menschen, die in ihren Ländern nicht zuletzt wegen der deutschen Austeritätspolitik keine Perspektive mehr haben, werden erneut ins Aus gestellt.
Wir finden: es reicht. Es reicht mit immer neuen Politiken des Ausschlusses, der Ausgrenzung, der Verarmung und der Konkurrenz. Lasst uns die politische Konfrontation suchen – für grenzübergreifende soziale Rechte eintreten, das Lager der Solidarität sichtbar machen und sowohl dem rechten Block, wie der technokratischen Mitte eine Absage erteilen. Nehmen wir die Einladung des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“ zu einem bundesweiten Aktionswochenende gegen Rechts an. Lasst uns gemeinsam am Morgen des 2. Septembers ein deutliches Zeichen am Arbeitsministerium in Berlin setzen. Treffen wir uns im Anschluss an den Orten an denen die inneren und äußeren Grenzen verlaufen und reißen wir sie gemeinsam ein. Egal wo wir herkommen, egal wie lange wir in dieser Stadt und an diesem Fleck Erde leben: Widersetzen wir uns gemeinsam in Berlin. Am 3. September wollen wir dann ein starkes Zeichen setzen – gegen die Grenzen, gegen die rechte Hetze und gegen die sozialen Bedingungen, die diese in ganz Europa hoffähig macht.
Das könnte ein Ausgangspunkt werden für eine andere Zeitrechnung, für ein kämpferisches Jahr mindestens bis zum Herbst 2017. Lasst uns mit einem europaweiten Gipfel im Frühjahr in Berlin und eine Kampagne gegen das G20-Treffen im Sommer in Hamburg die bundesdeutsche Politik zu der grenzübergreifenden Angelegenheit machen, die sie längst ist. Lasst uns einen gesellschaftlichen Aufbruch gegen Rassismus, Nationalismus und soziale Kälte und für ein Europa für alle wagen.
Um all das vorzubereiten, laden wir euch zu einem bundesweiten Vorbereitungstreffen ein. Wir wollen die Zusammenkunft von „Welcome2Stay“ vom 10.-12 Juni in Leipzig nutzen, um von vielen anderen zu hören und mit allen Interessierten dort, das Aktionswochenende am 2./3. September zu gestalten, zu planen und umzusetzen.
- Kommt zum Treffen der Blockupy Aktions-AG am Samstag, dem 11.6. von 10 – 12 Uhr für die konkrete Planung von Aktionsideen und möglichem Blockupy-Ausdruck. Und kommt am Samstag zum Workshop „“Was tun gegen den rechten Rollback“ von 17.30 – 19.30 Uhr, in dem wir mit anderen Bündnissen über mögliche Aktivitäten gegen Rechts auch im September beraten wollen. Zum genauen Programm/Ort usw. siehe: http://welcome2stay.org/de/programm/ oder schreibt uns an: kontakt@blockupy.org
- Und kommt am 10. Juli nach Berlin zu einem nächsten bundesweiten Treffen, um vor der Sommerpause dann konkrete Verabredungen zu treffen.
Es ist Zeit.
Blockupy-Kokreis, 26.5.2016
ihr habt noch nicht geantwortet
außer unseren Freund*innen von UmsGanze...
Eine Antwort auf den KoKreis-Text
Text Auszüge:
„When shall we three meet again? In thunder, lightning, or in rain?“
„When the hurlyburly's done, When the battle's lost and won.“
„That will be ere the set of sun.“
Liebe Freund_innen des Blockupy-Bündnisses, liebes Blockupy-Bündnis, oder anders gesagt: Liebe Genoss_innen,
am 30. Mai verfasste der Blockupy-KoKreis eine Stellungnahme zu den Geschehnissen rund um den Blockupy-Protest. Eigentlich ging es dabei hauptsächlich um die Randale und den Riot in Frankfurt anlässlich der EZB-Eröffnung. Das ist das eigentliche Thema des Textes. Dazu wünschte sich der KoKreis ein wenig verklausuliert eine Auseinandersetzung:
„Wir wollen alle Teile der linken Bewegung als politische Akteure ernst nehmen, uns mit ihnen über politische und strategische Fragen auseinandersetzen und – stärker als bislang – auch Absprachen treffen. Die unverzichtbare Basis dafür ist gegenseitige Solidarität“
KoKreise sind uns ein wenig suspekt. Sie lassen hierarchische Struktur vermuten. Trotzdem wollen wir gerne antworten. Allerdings ist es uns beim Formulieren der Antwort nicht immer so einfach gefallen, den richtigen Adressaten zu finden – richtet sich unsere Antwort an den KoKreis, an das Blockupy-Bündniss, oder aber an alle, die dem Aufruf des Blockupy-Bündnisses gefolgt sind? Nach einigem hin und her haben wir uns entschieden, unsere Antwort so zu formulieren, dass sie sich zum Teil an alle, und zum Teil an den KoKreis richten wird. Denn wir denken, dass die Position des Kokreises zwar erst einmal nur die Position des KoKreises ist, der gerne weiter seinen politischen Ausbau vorantreiben will, aber dass die in dem Diskussionspapier aufgestellten Punkte möglicherweise noch mehr Menschen interessieren. Wir hoffen, dass es eine leichte Angelegenheit sein wird, diese Unterscheidung nachzuvollziehen.
Noch eines kurz vorweg: Wir sind kein KoKreis, wir sprechen für niemanden außer uns selbst, also nur für einen sehr, sehr kleinen Haufen von Leuten. Wir haben keine Repräsentant_innen und wir wollen keine haben. Wir fragen uns, für wen der KoKreis spricht. Für den KoKreis? Für tausende, die in Frankfurt auf der Straße waren? Und wenn wer für Tausende spricht, haben Tausende ihn legitimiert, für sie zu sprechen? Ihn delegiert? Gewählt? Wir jedenfalls sprechen nicht für ‚die Militanten‘, ‚die Autonomen‘ oder sonst wen, auch wenn wir uns darüber freuen, wenn wir die Ansichten des einen oder der anderen mitgetroffen haben sollten. Wir sind welche, die Freude hatten am Riot und an der umfangreichen Sachbeschädigung, an jedem brennenden Stapel Autoreifen, an jedem Angriff auf die Bullen. Und wir freuen uns schon auf den nächsten Krawall.
1. „Die großen Erzählungen“ // Der Erfolg
Ein widerständiges Großevent wie zur EZB-Einweihung in Frankfurt ist in Deutschland schon wirklich etwas Besonderes. Der deutsche Staat mit seinen repressiven Gesetzen und einer wohlgenährten Bevölkerung, die sich stets in ergebener (Un)zufriedeheit präsentiert, gilt nicht zu Unrecht als einer der krisenfesten Akteure Europas. Und auch deswegen steht für viele nun die Frage im Raum: Wie konnte Frankfurt eigentlich passieren? Und: Was ist in Frankfurt eigentlich passiert?
Einige von euch üben sich bereits in der Geschichtsschreibung, in einer Geschichtsschreibung, die die Deutungshoheit über die Ereignisse sucht. Die Frage nach Erfolg und Fehlern wird aufgeteilt. War es ein Erfolg? Für wen war es ein Erfolg? Für wen nicht? War es ‚unser Erfolg‘? Oder der der ‚anderen‘?
Wir denken, der Erfolg liegt in der Erfahrung von vielen, doch etwas machen zu können, aus der Lethargie auszubrechen, die Lüge der Ohnmacht zu überwinden, ganz gleich, auf welche Weise die Verschiedenen das geschafft haben. Diese Erfahrung konnte auf vielerlei Weise mit ganz unterschiedlichen Ansätzen gemacht werden. Ein solcher Erfolg gehört niemandem. Oder allen. Jedenfalls gehört er nicht Blockupy, nicht dem KoKreis, nicht ...UmsGanze, der IL oder der Destroika. Wenn ihr eure Aktionen als Erfolg erfahren habt, freuen wir uns mit euch. Denn auch für uns war Frankfurt ein Erfolg, und wir denken, dass unsere Erfolge sich gegenseitig bedingen. Wir finden, dass wir alle so viel geschafft haben, eben weil wir so different agierten. Der Widerstand ist – wegen uns allen – im Herzen der Bestie angekommen. Und niemand von denen, die es gerne anders hätten, kam und kommt um diese Erkenntnis herum.
2. „Alles, was uns fehlt...“// Die Solidarität
Als kleiner, aber militanter Haufen freuen wir uns über alle, die mit uns und unserer Art des politischen Ausdrucks solidarisch sind. Das passiert in diesen Zeiten zumindest in der Öffentlichkeit eher selten. Wir haben registriert, das zumindest hier und da jemand vom Blockupy-Bündnis sich nicht öffentlich zu Distanzierungen hinreißen ließ, auch wenn der persönliche Druck enorm hoch gewesen sein mag. Das hat uns gefreut. Wir denken, dass dieses Verhalten das strategisch klügste ist, denn unsere Feinde gewinnen auch deswegen oft so leicht gegen uns alle, weil sie es schaffen, uns genau an dieser Frage zu spalten. Wir denken, dass es auch für alle weiteren Auseinandersetzungen und Kämpfe genau so klug sein wird, sich nicht spalten zu lassen. Im Gegenteil: Das sich positiv aufeinander Beziehen wird uns zusätzliche Stärke verleihen, auch wenn es im ersten Moment sogar politisch falsch erscheint. Unsere Feinde jedenfalls legen sehr viel Wert darauf, uns zu spalten und wenn sie davon keinen Nutzen hätten, wäre es doch sehr merkwürdig, wenn sie so viel Energie darauf verwenden würden.
Nun ist es so, dass manche finden, dass vieles gegen unsere Aktionsformen spricht, bei denen einiges zu Bruch und manches in Flammen aufgeht. Aber auch anders herum wird ein Schuh daraus: In unseren Augen spricht auch vieles gegen manche Aktionsformen. Manche kommen uns zu harmlos vor, dem Elend der Welt nicht angemessen, manches finden wir zu wenig eingreifend, zu ‚kreativ‘, manches verantwortungslos oder zu sehr auf der Ebene des Symbolischen verbleibend. Aber wir bleiben solidarisch mit euch, mit allen, die beitragen zum Widerstand. Wir freuen uns, wenn ihr eure „kreativen und fantasievollen“ Aktionen macht, wir hassen die Bullen jedes Mal mehr, wenn sie euch angreifen und wenn wir können, hindern wir sie daran. Wir freuen uns über jede, die wir von euch auf der Straße sehen, wir freuen uns, wenn unsere Aktionen sich ergänzen und wir würden niemals auf die Idee kommen, euch irgendwo weg zu scheuchen, wenn ihr in unserer Nähe auftaucht. Erst recht würden wir nicht versuche euch festzuhalten und der Polizei auszuliefern, wenn ihr wieder einmal Säure und Pipi aus euren bunten Wasserpistolen verschießt (entschuldigung, kleiner Spaß).
Wir haben gesehen, wie ein paar von euch lustige Fotos gemacht haben, neben der ausgebrannten Bullenkarre in Frankfurt. Und dass ihr dabei so viel Spaß gehabt habt, hat wiederum auch uns Spaß gemacht. Was wir damit sagen wollen: Für uns als kleiner und nicht so wichtiger Haufen ist das mit der Solidarität gar kein Problem. Auch wenn es manchmal schwierig für uns ist, euch zu verstehen, ist es für uns so leicht, solidarisch mit euch allen zu sein. Und wir werden es bleiben, solange ihr die herrschenden Zustände bekämpft und keine Hegemonie, keine Repräsentation anstrebt, die uns dann ein- oder ausschließen soll, ohne das wir das wollen.
3. „Strom gegen Strom, Maschine mit Maschine“ // Die Distanzierung
Wir finden es gut, wenn auch ihr uns akzeptiert. Ihr müsst es nicht im Einzelnen gut finden, was wir machen, ihr müsst vor allem nicht mitmachen, wenn ihr keine Lust dazu habt, und ihr könnt uns auch gerne sagen, dass ihr dieses oder jenes Scheiße findet oder aber dieses oder jenes richtig klasse.
Was wir allerdings nicht und wirklich gar nicht mögen, ist an Aktionen gehindert zu werden, festgehalten zu werden (wer mag das denn überhaupt?), an die Bullen ausgeliefert oder verpfiffen zu werden und dergleichen mehr. Wenn das jemand macht, dann werden wir ungehalten, was wir, wenn es geht, wirklich gerne vermeiden wollen. Uns an unseren Aktionen zu hindern, uns festzuhalten, das ist die Arbeit der Polizei, und die freut sich einfach riesig, wenn wer mithilft, auch wenn sie ihren Helfer_innen danach wiederum hemmungslos auf die Fresse hauen wird, ganz unabhängig davon, was wer vorher gemacht hat, und auch unabhängig davon, wer sich von wem distanziert hat. Das alles ist den Bullen unserer Erfahrung nach scheißegal. Sie bekämpfen uns alle gleichermaßen.
Auch verbale Distanzierungen betrüben uns. Und Distanzierungen definieren wir nicht wie der KoKreis nur als Kontaktabbruch oder Denunziation gegenüber den Bullen. Wir verstehen Distanzierungen auch als das Beugen gegenüber dem öffentlichen Distanzierungsdruck. Wir verstehen Distanzierung als das Formulieren gegenseitiger Kritik über die bürgerlichen Medien. Denn wir glauben, dass dies der Strategie der Herrschenden in die Hände spielt, die so den Widerstand entlang ihrer Kategorien der Vernunft und der bürgerlich definierten Gewaltfrage sortieren können. Integrieren, entpolitisieren, abspalten, ausgrenzen, bekämpfen, herrschen. Die Spaltung des Widerstands bleibt auch heute eines der zentralsten Instrumente der Herrschaft. Und sie schadet nicht nur der einen Seite, die abgespalten werden soll. Sie schadet uns allen. Wenn der KoKreis schreibt, er hätte einiges (gegenüber den bürgerlichen Medien) als nicht verantwortbar und nicht vermittelbar kritisiert, sich aber nicht distanziert, dann ist das nur ein Spiel mit den Worten. Uns erinnert das an die rhetorischen Tricks derer, die verbergen wollen, wo sie stehen, an das, was der KoKreis die „Sprache der Herrschenden“ nennt. Uns kommt es nicht darauf an, wie wir benennen, sondern was getan wird.
Der KoKreis schreibt, er sei in der unangenehmen Situation, sich zu Aktionen äußern zu müssen, die er selbst weder geplant noch durchgeführt hat. Wir fragen uns, warum der KoKreis denkt, er müsste das? Weil danach gefragt wurde? Wer vorher den diskursiven Raum beansprucht, wer vorher vermittelt, die Bewegung zu sein, wer vorher vermittelt, der entscheidende Player mit entsprechenden Ressourcen zu sein, braucht nicht zu jammern, wenn er gefragt wird. Und selbst wenn es wem dann doch unangenehm ist, kann man immer noch sagen, fragt doch die, die es sich ausgedacht haben. Warum fällt das so schwer?
Wir wollen nicht einer Vermeidung von Kritik das Wort reden. Kritik ist uns wichtig. Wir haben alle unsere Grenzen, wir alle haben Aktionen, die wir nicht gutheißen können. Wir müssen uns immer wieder mit uns und anderen auseinandersetzen, die Starre verhindern. Diese Prozesse sind aber nicht über Verfügungen zu erreichen, nicht über erzwungene ‚Konsense‘, nicht über eine Kommunikation, die über bürgerliche Presse, Staat und Bullen geführt wird.
Wir wünschen uns Solidarität von euch, so wie ihr unsere habt, auch wenn es manchmal schwierig für euch ist, uns zu verstehen. Das, finden wir, ist gar nicht viel verlangt.
4. „An tausend Punkten“ // Zusammenhalt vs. Zusammenarbeit
Wir lesen aus dem Text, dass ihr als KoKreis ‚Kooperationsfähigkeit‘ anstrebt. Wir wissen, euer Weg ist die Bündnispolitik. Ihr wollt einen ‚bündnisfähigen und vermittelbaren linken Ungehorsam‘. Es ist nun aber so, dass wir diese Strategie nicht teilen und eine eigene Strategie besitzen. Und weil wir denken, dass es eine gute Sache ist, wenn alle ihre eigene Strategie für ihre eigene Sache verfolgen, müssen uns nicht gegenseitig überzeugen, welche die beste Strategie ist. Wahrscheinlich gibt es sie nicht. Für uns ist kein Bündnis nötig, wenn wir alle in unseren Verschiedenheiten mobilisieren.
Ihr vermittelt, dass wir mit unserer Anwesenheit und unseren Aktionen eure Aktion kaputt machen. Die These, die dabei immer wieder im Raum steht, lautet: Wo wir angreifen, wird Repression erzeugt. Aber bedenkt: Diese These macht die unsichtbar, von denen die Repression ausgeht. Sie nimmt ihnen, die sie ausführen, die Verantwortung für ihr Handeln, für ihre Gewalt. Ganz als ob hinter jedem knüppelnden Bullen eine Militante steht, die ihn überredet hat, den Knüppel zu schwingen. So werden ‚die Militanten‘ nicht nur für ihre selbstgewählte Militanz verantwortlich gemacht (was richtig ist), sondern auch für die Repression des Staates. Nun ist es aber so, dass die Repression uns immer alle treffen wird, sobald wir wirkmächtig werden, egal, wie wir uns vorher benommen haben. Ihr formuliert, dass von euch keine Eskalation ausgeht und schreibt uns zu, dass sie von uns ausgehe. Damit verkehrt ihr die Ursachen der Gewalt: Denn wir sehen es so, dass wir uns wehren gegen bereits total eskalierte Verhältnisse. Wenn jemand Gewalt ausübt und sich jemand dagegen wehrt - nun, es scheint uns so, als sei es ein wenig fehl am Platze, hier von einer Eskalation zu sprechen.
Wir denken, dass die Repression des Staates, wie wir sie in und nach Frankfurt sehen, keine Ausnahmeerscheinung ist. Sie ist meistens leise, oft erscheint sie als eine unbewachte Grenze, oft als die eigene Angst, Regeln zu brechen, oft als Linie, die jemand auf den Boden zeichnete, damit niemand sie übertritt, oft als Bulle in unseren Köpfen. Manchmal allerdings ist auch die Gewalt der Herrschenden laut, wenn ihre alleinige Androhung nicht mehr ausreicht, wenn sie gezwungen ist, offen aufzutreten, brutal, gewaltsam und sichtbar. In Frankfurt hat sie sich offenbart, sie konnte nicht leise bleiben, weil wir alle sie dazu gezwungen haben.
Wir lieben es, die Versuche herrschaftlicher Selbstregulierung zu durchbrechen. Wir lieben den Moment, in dem wir uns von dem Angebot der Unterdrückung unserer selbst zu befreien, wir lieben es, den Staat zu zwingen, die freundliche Maske der eigenen Propaganda runter zu nehmen. Denn in den Momenten, wo die Scharade beendet ist, wo das abstrakte Gewaltverhältnis zu einem konkreten wird, drückt sich ein Stück gelungener Selbstbefreiung aus. Ihr könnt die Art und Weise, wie wir das machen eine ‚identitäre Selbstversicherung‘ nennen, ihr könnt versuchen, unsere Strategien, unsere Wut, unser Handeln so zu entpolitisieren. Aber wem spielt ihr damit in die Hände? Und: Wollt ihr das?
Wir lesen aus dem Text des KoKreises die Ansprache des Vaters an das unvernünftige Kind. Das finden wir patriarchal. Wir empfinden solche Texte und solches Handeln oft als Versuche, Hegemonie über den Widerstand zu erlangen. Denkt ihr wirklich, dass die Vereinheitlichung des Widerstandes zu irgendetwas Gutem führt? Denkt ihr wirklich, dass eure Strategie die einzige ist, die funktionieren wird? Und selbst wenn ihr die Vielheit nicht liebt, sondern nur ertragt, so wisst ihr doch, dass solche wie wir immer da sein werden, dass wir uns den Beschlüssen anderer nicht beugen werden, wenn wir sie nicht teilen. Das wisst ihr doch. Wir denken, dass wir nicht alle an einem Strang ziehen müssen, um die Herrschenden zu Fall zu bringen. Es werden die vielen Stränge sein, die sie letztlich zum Straucheln bringen werden. Dafür müssen wir nicht im Vorfeld und die ganze Zeit zusammenarbeiten, aber zusammenhalten, wenn wir angegriffen werden. Denn der Angriff gilt immer uns allen.
5. „Das sind doch eher so Richtlinien“ // Konsens?!
Wir finden Konsense insgesamt nicht immer so wichtig und für uns ist ein Konsens auch kein Wert an sich. Vielmehr scheint es uns so zu sein, dass wir alle sehr unterschiedlich sind, und es wäre schon eine kuriose Sache, wenn wir es schaffen würden, in jeder Sache einen Konsens zu finden. Der Konsens als Ideal, das wirkt auf uns wie eine ‚Wahrheit in der Mitte', wo alle ein wenig von dem bekommen, was sie wollen, und dann soll sich bitte niemand mehr beschweren, weil man sich ja geeinigt hat. Und wenn schon Konsens, dann muss er von allen getroffen werden. Und zwar nicht von allen, die bei der Konsensfindung anwesend sind, sondern von allen, die von dem Ergebnis der Entscheidung betroffen sind.
Bei aller Liebe zu euch und unserem gemeinsamen Kampf, das ist bei dem Aktionskonsens, den ihr für Blockupy aufgestellt habt, nicht der Fall. Ihr habt ihn ohne uns getroffen, und ohne einen Großteil derer, die nach Frankfurt gekommen sind, und weil es der gleiche Konsens ist, der immer wieder auftaucht, ist es auch noch ein Konsens, den ihr unabhängig von aktuellen Ereignissen und Mobilisierungen getroffen habt. Wir denken, Verabredungen sind nicht so allgemein möglich, sondern sie sind immer kontextabhängig. Und der Kontext ändert sich manchmal schnell.
Jetzt kann es gut sein, dass ihr sagt, dass wir uns an der Vorbereitung hätten beteiligen können und dann hätten wir vielleicht einen neuen Konsens gefunden, eine Verabredung, mit der wir alle zufrieden mit gewesen wären. Nach langem Überlegen sind wir zu der Auffassung gekommen, dass wir mit unserer Position nicht wirklich etwas zum Konsens hätten beitragen können. Zum einen, weil wir eben nur eine kleiner und unbedeutender Haufen sind, und wenn überhaupt nur einen Konsens für und mit uns als wirklich kleine Gruppe aufstellen könnten (denn wir würden wie gesagt nicht im Traum darauf kommen, für unsere Genoss_innen ohne sie einen Konsens aufzustellen). Zum anderen, weil wir nicht daran glauben, dass ‚ein bisschen Militanz' als Konsens für euch oder uns akzeptabel ist. Denn "Wir sagen was wir machen", das verträgt sich mit Militanz leider ganz und gar nicht, weil wir eben nicht mal eben so dahin sagen können, was wir machen werden. Und auf eure Vorbereitungstreffen, da können wir zudem manchmal einfach nicht hin, weil es für uns nicht immer ganz ungefährlich ist, und wir alle sehr unterschiedliche Vorstellungen von Sicherheit haben. Und Sicherheit, das könnt ihr sicher verstehen, ist für uns einfach ein ziemlich heikler und wichtiger Punkt.
Ko Kreis
Guter Text gute Antwort Ko Kreise sind das was Attac Kennt die Radikale Linke braucht keine Abgesanten Führsprecher oder ähnliches ....
hi
wo gibt es denn den text von ug?