Hubschrauber, Blaulicht, Tatütata – die berliner Polizei ist da. Fassen wir zusammen: Um die Mittagszeit wird laut Aussage der Polizei Berlin ein Kontaktbereichsbeamter bei einer Auseinandersetzung mit wütenden Anwohner*innen in der Rigaerstraße in Friedrichshain leicht verletzt. Neben der Tatsache, dass bei der Polizei “leichte” Verletzungen auch mal gerne ein aufgeschürftes Knie, oder ein verstauchter Finger bedeuten, bleibt die Frage, warum dieser Beamte alleine durch ein Gefahrengebiet läuft und Falschparker aufschreibt. So oder so, der Anlass kam gelegen.
Über 8 Stunden später fällt die Kavallerie im Kiez ein. Hubschrauber, SEK, Hundestaffel, Einsatz- und technische Hundertschaften riegeln die Straße ab und stürmen das Hausprojekt Rigaer94. Bei der Polizei heißt sowas übrigens “Begehung”. Sollte mensch im Hinterkopf behalten, wenn die eigene Hausverwaltung o.Ä. sowas zukünftig ankündigt. Einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss gibt es nicht und die vermeindlichen Täter*innen vom Mittag werden auch nicht gesucht. Es handelt sich, laut Polizeisprecher, um eine Maßnahme “zur Gefahrenabwehr”. Bei anderen, bewaffneten Gangs heißt so etwas schlicht Rache.
Schlussendlich präsentiert die Polizei die Ausbeute des Abends. Tausende Hobbyhandwerker*innen in ganz Berlin dürften jetzt panisch Garagen, Keller und Dachböden entrümpeln, denn der Besitz von Bauschutt, Nägeln und Feuerlöschern ist ab sofort kein Kavaliersdelikt mehr.
Zusätzliche Schmankerl: Als solidarische Nachbar*innen aus der #Liebig34
den Einsatz musikalisch begleiten, nutzt die Polizei Hebebühne und
Schlagstock, um die Anlage gewaltsam aus den Händen der pösen
Dezibelterroristen zu befreien. Laute Punkmusik stört aber auch das
Hubschrauber-Konzert für die Nachbar*innenschaft.
Und wie gewöhnlich wird der Presse und Abgeordneten der Zugang zum
Einsatz verwehrt. Der ganzen Presse? Nein, eine kleine Stadtpostille
namens BZ darf dann doch nah ran ans Geschehen. Aber das ist schon ok,
schließlich brauchten die dringend noch Material für den Aufhänger des
nächsten Tages: Straße der Anarchie. Schön wär’s.
Wir sind solidarisch mit der Rigaer94 und allen betroffenen und
genervten Nachbar*innen. 500 BeamtInnen, Hubschrauber und der ganze
PiPaPo für die Befindlichkeiten und den Wahlkampf vom harten Henkel,
während im Wochentakt in Berlin und Umland rassistische Angriffe gegen
Unterkünfte und Geflüchtete gemeldet werden, oder – wie kürzlich bekannt
wurde – hunderte Nazis unerkannt im Untergrund leben. Wurde auch nur in
einem Fall so ein Aufriss veranstaltet? Teile dieser Antwort würde die
Bevölkerung nur verunsichern. Prioritäten muss man halt haben.
Für uns heißt das: Jetzt erst recht zur Demonstration gegen Gefahrengebiet und Verdrängung am 06. Februar nach Friedrichshain. Denn in der Rigaerstraße zeigt sich eins deutlich: Hat sich die Politik in den letzten Jahren bei der Verdrängung alternativer Wohn- und Lebensformen zurückhaltend gezeigt und die Arbeit EigentümerInnen und Investoren überlassen, steht sie doch immer bereit, dort einzugreifen wo dies nicht erfolgreich ist.
Ein Kampf für solidarische Nachbarschaften und die Stadt von unten bedeutet auch immer Widerstand gegen die Besetzung und Dauerüberwachung unserer Kieze. Wir wollen selbst entscheiden wo und wie wir leben und wehren uns dort, wo wir darin eingeschränkt werden. Sei es nun gegen eine eigentümerfreundliche Gesetzgebung, profitgeile Investoren oder einen beleidigten Innensenator. Es bleibt dabei: Wir bleiben alle!
Kiezladen Friedel54 - Soziales Zentrum in Nord-Neukölln
Berichtigung
"leicht verletzt" bedeutet. Die Ausrüstung ist verkratzt. Leider kein Witz :-(
Danke für den Beitrag!
Endlich mal eine politisch sinnvolle und gut geschriebene Einordnung der Situation. Die vielen Projekte in der Rigaer Str. , sind vorallem denen ein Dorn im Auge, die Profit aus dem Lebensraum der vielen Menschen die hier wohnen ziehen wollen. Noch gibt es einigermaßen bezahlbaren Wohnraum hier, dass soll sich aber ändern.
Den Rechtsfreienraum schaffen sich ja wohl Henkel & Co selbst, oder wie soll man die verdachtsunabhängigen Kontrollen, die Dauerbelagerung des Kiezes, Lärmbelästigung durch Helikopter und den gestrigen nächtlichen Angriff der uniformierten Söldner gestern anders bezeichnen? Dazu steht man hier auch noch unter Dauerbeobachtung von einem Schwarm von Zivis & Co. Ist schon nicht schön in der DDR, Ähm, natürlich meine ich Kaltland.