Wandzeitung: „Social Center 4 All“

Wandzeitung: „Social Center 4 All“

Ob an Bushaltestellen, vor der Kaufhalle oder einfach am Eck. Überall finden sich öffentliche Orte an denen das gesellschaftliche Leben in den Kiezen stattfindet. Nach unseren Wandzeitungen zu Fluchtursachen und für ein soziales Zentrum widmen wir diese Ausgabe der Idee und der Notwendigkeit eines Social Centers für alle. In diesem Jahr hatte es in Berlin bereits zwei Versuche gegeben, ein Haus zu besetzten.

 

Die neue Wandzeitung kommt neben einem Text der Initiative SC4A mit einem Bericht zum besetzten Haus Notara26 in Athen und einem kleinen Leerstandsmelder daher. Ausliegen wird sie in den einschlägig bekannten Locations, genaueres und Versandwünsche gerne via Email.

 


 

 

Lasst uns das„Social Center 4 All“ erkämpfen!

 

Zum zweiten mal innerhalb von 3 Monaten haben einige unserer Freund_innen die Türen eines großen leerstehenden Gebäudes geöffnet. Beim ersten Mal in der Englischen Straße 20, beim zweiten Mal in der Karl-Marx Straße 97. Die Besetzungen hatten zum Ziel, eine Notschlafunterkunft für die hunderten Refugees zu schaffen, die jede Woche in Berlin ohne Dach überm Kopf sind. Dort wollten wir sie in einen sozialen und politischen Möglichkeitsraum einbinden, in dem Initiativen von Geflüchteten und linksradikale politische Gruppen gemeinsam Projekte zur Verwirklichung ihrer Ziele umsetzen können.

Sprachkurse, Sportangebote, wechselseitiges Lernen, Schlafräume – das alles könnte jetzt die leeren Hallen und Zimmer des ehemaligen Forschungsgebäudes der Technischen Universität mit Leben füllen. Stattdessen steht es nach einem brutalen Polizeieinsatz inklusive Morddrohungen gegen unsere Freund_innen auf dem Dach wieder leer, denn geplant ist der Abriss und der Bauvon Luxuswohnungen durch einen privaten Investor.

    Alles beim Alten – nur schlechter

An der Situation, die uns dazu motiviert hat, diese Initiative zu beginnen, hat sich seitdem einiges geändert – allerdings nur zum Schlechten. Der deutsche Staat tauscht seine heuchlerische Willkommensrhetorik gerade gegen Hetze. Eine „Obergrenze“ für Asylwerber_innen, eine „Reform“ zur Zerstörung des ohnehin weitgehend ausgehöhlten Asylrechts, schnellere Abschiebungen, ja sogar Überlegungen zur Außerkraftsetzung des Mindestlohns für migrantische Arbeiter_innen werden nun diskutiert.

Die Versorgungslage in Berlin ist weiterhin katastrophal. Vor der Erstaufnahmeeinrichtung in Berlin -
Moabit kommt es immer wieder zu Übergriffen von Securities und Cops auf Geflüchtete, Schlafplätze gibt es immer noch nicht genug und oft sind die, die zur Verfügung gestellt werden, inakzeptabel und erniedrigend. Innenminister de Maiziere beschwert sich unterdessen über die „Undankbarkeit“ der Flüchtlinge, die den Dreck, den ihnen das sich selbst feiernde Deutschland hinwirft, nicht auch noch mit Unterwürfigkeit quittieren, wie es der CDU-Politiker zu erwarten scheint. 

    Auf zum nächsten Versuch

Da sich an der Ausgangssituation nichts verbessert hat, ist natürlich auch unser Vorschlag einer Antwort auf diese Situation nicht vom Tisch. Wir wollen das „Social Center 4 All“ immer noch und es werden sich andere Freund_innen finden, die den Platz unserer geräumten Aktivist_innen einnehmen.

Die Idee, die wir haben, hat sich seit dem ersten Versuch nicht geändert: Neben den Schlafplätzen wollen wir Räumlichkeiten für Sport, zum Diskutieren, Beratung, Übersetzung und so weiter, also eine Atmosphäre, in der man nicht wie in einem Käfig wartet, sondern in der soziale Beziehungen, vielleicht auch politische Projekte entstehen können. Wir wollen deshalb auch intensiv mit den kämpfenden Flüchtlingen zusammenarbeiten, denen man in Berlin durch die Räumung des O-Platzes und der Schule jeden Raum genommen hat.

    Von der „Hilfe“ zur Solidarität

Wir glauben, dass derzeit eine große Masse an Menschen aus guten Beweggründen humanitäre Hilfe für Geflüchtete leistet. Sie alle wollen wir einladen, das SC4A zu unterstützen. Das hat einen einfachen Grund: Solange wir allein humanitär „helfen“, machen wir zwei Fehler: Zum einen sehen wir Flüchtlinge dann nur als arme Hilfsbedürftige, nicht als politische Subjekte, mit denen wir gemeinsam kämpfen wollen. Zum anderen entlastet die rein humanitäre Hilfe genau diesen Staat, der die Flüchtlinge erst in diese Situation gebracht hat. Was wir euch vorschlagen ist: Bindet eure Fähigkeiten in ein Projekt ein, dass eine Selbstermächtigung von unten ermöglicht – für Geflüchtete und uns selbst.

„Ich glaube nicht an Charity“, hat Eduardo Galeano einmal gesagt. „Charity ist vertikal. Sie geht von oben nach unten. Solidarität dagegen ist horizontal. Sie respektiert den Anderen. Ich habe eine Menge von anderen Menschen zu lernen.“ Wir haben alle viel voneinander zu lernen. Lasst uns Räume schaffen, in denen wir das können. Lasst uns von der Charity zur Solidarität übergehen

web: socialcenter4all.blackblogs.org

 

Die Besetzer_innen sind mit hohen Repressionskosten konfrontiert. Um sie nicht allein zu lassen, spendet auf das Konto der Roten Hilfe: Rote Hilfe e.V. // IBAN: DE55430609674007238317 // BIC: GENODEM1GLS // Zweck: socialcenter4all

 

 


 

 

Notara26 in Athen: Kurzmeldung zum besetzten „Refugees Welcome“-Haus

Ende September besetzten Antirassist_innen in Athen ein ehemaliges Unigebäude. Erklärtes Ziel war es, eine selbstorganisierte Unterkunft für Geflüchtete und Räume für den gemeinsamen politischen Austausch zu schaffen. Seit dem Umzug in ein größeres Haus in der Notara Straße 26 ist viel passiert. Solidarische Nachbar_innen halfen mit, das Projekt aufzubauen. Jede Nacht sind Antirassist_innen vor Ort, um im Haus ansprechbar zu sein. Neben Räumen für Kurse und eine Kleiderkammer wurde so auch ein Bereich zum Wohnen geöffnet. Über 1.500 Geflüchtete haben das Angebot von Notara26 schon genutzt.

Momentan leben in der Notara26 rund 70 Geflüchtete – meist für zwei bis vier Tage. Die Geflüchteten sehen die wirtschaftliche Lage in Griechenland und wissen sehr gut, dass es für sie in dem Land kaum eine Zukunft gibt. Daher sind die meisten – bisher jedenfalls – auf der „Durchreise“ und tanken in dem Zentrum Kraft und Energie für ihren weiteren Weg.

Die Notara26 ist erfolgreich, weil ganz unterschiedliche Menschen aus der Nachbarschaft sich einbringen. Das Projekt organisiert sich basisdemokratisch: Ein gemeinsames Treffen entscheidet über alle Belange des Hauses. Die Notara26 versteht sich nicht als eine weitere karitative Einrichtung, sondern als Teil des politischen Kampfes für ein würdevolles und sicheres Leben. Sicherlich gibt es viele Probleme und Fragen, die in den vergangenen zwei Monaten aufgekommen sind. Doch die Menschen aus dem Projekt sind gewillt, sich in den Kampf der Widersprüche zu stürzen.

Damit ist die Notara26 in guter Gesellschaft, denn sie befindet sich im linken Athener Stadtteils Exarchia. Viel Unterstützung erhält das Projekt aus dem zur antiautoritären Bewegung gehörenden sozialen Zentrum Nosotros und vom ebenfalls besetzten sozialen Zentrum K*VOX.

Die Notara26 ist auch ein Schutzraum, der gemeinsam verteidigt wird. So hatten die Faschisten der „Goldene Morgendämmerung“ mehrfach in den vergangenen Monaten gedroht, die in Parks übernachtenden Geflüchteten anzugreifen. Darum ruft die Notara26 mit zu antirassistischen Demonstrationen auf und nimmt an diesen teil.

Die direkte Hilfe und das Zusammenkommen vieler Menschen aus verschiedenen politischen Bereichen mit unterschiedlichen Erfahrungen machen die Strahlkraft des Projekts aus. Die Notara26 ist ein Schritt, sich gemeinsam um das eigene Leben zu kümmern und Lebensfreude und Sinnhaftigkeit zurückzuerobern.

Wenn die Grenzen geschlossen werden, wird sich auch die Situation für die Geflüchteten in Griechenland ändern. Dann kann die Idee von Notara26 die Basis des gemeinsamen Widerstandes werden. Auch in anderen griechischen Städten wird deshalb über diese Initiative diskutiert.

web: notara26.info

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

... sorry. Ich find so ne Bestzung ja schon ganz gut, aber irgendwie wirkt das ganze ziemlich unausgegoren. Ein "soziales Zentrum" kann auch in den bestehenden Räumlichkeiten realisiert werden. Was fehlt ist Wohnraum. Das reflektiert ihr ja auch schon selbst wenn es um die Refugees geht, betrifft aber einfach mal alle Menschen in der Stadt.

und schreibt was ihr wollt, nämlich Leute einbinden.

 "Dort wollten wir sie in einen sozialen und politischen Möglichkeitsraum einbinden,...
Bindet eure Fähigkeiten in ein Projekt ein, dass eine Selbstermächtigung von unten ermöglicht..."


Einbindung bedeutet, sich einem gegebenen Rahmen anzupassen, den Vorgaben anderer zu folgen. Denen folgen, die zuerst da waren, also ihr. Was ist mit den Leuten, die sich nicht in eure Konzepte einbinden lassen wollen? Können die auch euer Zentrum nutzen?

Selbstredend dürfen die nicht!

(Schleich Dich, Troll.)