In Zusammenarbeit mit dem Antifa Recherche Team Dresden
Erneut haben Nazis eine PEGIDA-Veranstaltung genutzt, um abseits des Geschehens eigene Aktionen umzusetzen. Am 21.12.2015 folgten sie der zwischenzeitlich von Lutz Bachmann ausgegebenen Zielvorgabe: „Wir holen uns die Neustadt“ und planten wie im Vorfeld im Internet angekündigt einen Angriff auf die im Dresdner Szeneviertel lebenden Menschen. Dazu mobilisierten sie im Vorfeld auch außerhalb von lokalen Nazistrukturen. Während sich am 19. Oktober zum PEGIDA-Jahrestag das gewaltsuchende Naziklientel noch gemeinsam mit rechten Hooligans an der Fußballkneipe „Ackis“ am Straßburger Platz trafen, um anschließend als Mob von der Polizei unbehelligt zu Pegida zu laufen, wählten die Nazis am Montag die Albertstadt, eine Gegend nördlich der Äußeren Neustadt, als Treffpunkt.
Bereits kurz vor 18 Uhr traf ein Konvoi bestehend aus 10 bis 15 Fahrzeugen vor dem Militärhistorischen Museum an der Stauffenbergallee ein. Darunter waren hauptsächlich Autos aus Leipzig und Nordsachsen, aber auch aus Berlin, Gera, dem Erzgebirgskreis und der Sächsischen Schweiz. Nachdem sie zunächst am Olbrichtplatz abgeparkt hatte, verzog sich ein Großteil der Nazis in den unbeleuchteten Park, um nicht gesehen zu werden. Etwa zur gleichen Zeit trafen Autos mit Kennzeichen aus Dresden, Dippoldiswalde und Pirna auf der anderen Seite der Stauffenbergallee, an der Garnisionkirche ein. Bis 18:30 Uhr folgten vereinzelt weitere Fahrzeuge. Sichtbar waren zu diesem Zeitpunkt insgesamt ca. 70 Personen. Sie bemühten sich möglichst unentdeckt zu bleiben und hatten vereinzelt Fahrräder dabei, mit denen einzelne Personen das nähere Umfeld ihres Treffpunkts beobachteten.
#dd2112 #nopegida #antifa Im Park am Militärhistorischen Museum sammeln sich momentan 30+ Nazis, Ziel momentan unbekannt.
— antifa_dresden (@antifa_dresden) 21. Dezember 2015
Immerhin 45 Minuten nachdem die Antifa via Twitter davon berichtete, schaute sich ein Fahrzeug des polizeilichen Raumschutzes den Konvoi am Olbrichtplatz an. Kaum war es wieder weg, gab es das Signal zum Aufbruch und der Konvoi setzte sich stadtauswärts bis zur SB-Halle auf der Königsbrücker Straße in Bewegung. Dort parkten die Nazis hinter den S-Bahn Gleisen auf der Fabricestraße ab. Anschließend wollten sie die Königsbrücker Straße in Richtung Neustadt hinunterlaufen, kehrten aber am Park Plaza Hotel um und wurden schließlich gegen 19 Uhr von der Bereitschaftspolizei an der SB-Halle festgesetzt, die nun mit weiteren Einsatzkräften vor Ort war. Dennoch gelang es einigen kleineren Gruppen sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen und sich erneut in den Park am Olbrichtplatz zu bewegen.
Die Nazis, die sich an der Garnisionkirche aufhielten, blieben weiterhin dort und standen im Gebüsch zwischen Kirche und Verwaltungsgericht. Als dort kleinere Gruppen von Antifas auftauchten, kam es im angrenzenden Wohngebiet zu ersten Jagdszenen. Gegen 19:45 Uhr verschwand die Gruppe Nazis plötzlich. Vermutlich bewegte sie sich über die Treppe an der Stauffenberg-Allee hinunter in den Prießnitzgrund und von dort in die Kamenzer Straße. Als sie kurz vor 20 Uhr den Bischofsweg überquert und damit auch das Viertel erreicht hatten, begannen die Nazis einschlägige Parolen zu rufen. Die etwa 25 bis 30 Personen (in Teilen identisch mit jenen, die im Juli bei der NPD-Kundgebung auf der Bremer Straße die Auseinandersetzung suchten) waren zu diesem Zeitpunkt nahezu auschließlich schwarz gekleidet, vermummt und mit Schlagwerkzeugen bewaffnet.
Sie liefen weiter bis zur Kreuzung Kamenzer Straße/Sebnitzer Straße, warfen Böller und attackierten dort mindestens zwei Personen, die dabei Verletzungen davontrugen. Ihr Aufenthalt war jedoch nur von kurzer Dauer. Nach den Angriffen bewegte sich die Gruppe über die Sebnitzer Straße in die Prießnitzstraße und von dort weiter über die Jägerstraße, zurück auf die Stauffenbergallee. In Höhe Hans-Oster-Straße/Stauffenbergallee wurde sie von der Bereitschaftspolizei gestellt und flüchtete in den Park, verfolgt von den Einsatzkräften. Die Kontrolle der Gruppe an der SB-Halle war derweil beendet. Die kontrollierten Nazis sammelten sich gegen 20 Uhr noch einmal an der Total-Tankstelle Königsbrücker Straße/Else-Sander Straße und reisten wenig später geschlossen ab.
Festzuhalten bleibt: der ursprünglich Plan der Nazis, gemeinsam in einem großen Mob durch die Neustadt laufen, ging nicht auf. Der Grund lag vor allem daran, dass sie frühzeitig entdeckt und somit schon in ihrer Sammlungsphase durch die Polizei zumindest teilweise zerstreut werden konnten. Dennoch gelang es einer kleineren Nazigruppe kurzzeitig in der Kamenzer Straße ungestört zu agieren und dabei mindestens zwei Menschen zu verletzen. Wenn auch nur kurz, gaben sie mit ihrem Vorgehen einen kleinen Eindruck ihrer ursprünglichen Absichten: bewaffnet die in der Neustadt verorteten politischen Gegnerinnen und Gegner anzugreifen.
Auf ein Schutzkonzept der Polizei war an diesem Tag wie so oft kein Verlass. Die am Nachmittag an allen Zugangswegen zur Neustadt positionierten Polizeieinheiten waren zum Zeitpunkt der Übergriffe bereits abgezogen. Allem Anschein nach richtete sich der Einsatz der insgesamt 2.600 Beamtinnen und Beamten auf der Anreise zu den Kundgebungen augenscheinlich nur gegen linke Personen. Die Drohungen der Nazis im Vorfeld spielten bei den Planungen offenbar keine Rolle. Dabei erinnert die Idee der Nazis deutlich an die Vorfälle am Rande des EM-Halbfinals von 2008. Damals hatte ein Mob von Nazis und rechten Hooligans mehrere türkische Imbisse attackiert und das Personal sowie zufällig anwesende Gäste angegriffen.
Weiterer Augenzeugenbericht: Rechte Gewalt zum Weihnachtssingen
im Osten nichts Neues
Danke für die Berichterstattung. Leider ist, wie jede bereits weiß, in Dresden kein Verlass auf staatliche Repressionsorgane, wenn es um den Schutz von linken Aktivistinnen geht. Selbstschutz ist angesagt. Dresden, beweg dich!