Gewerkschaftliche Gefangenenunion über Landesgrenzen hinweg – zur Projekt-Idee der GG/BO in Österreich - Die
 Veranstaltungsreihe zur Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite 
Organisation (GG/BO) in Österreich, die zwischen dem 22. Oktober und 25.
 Oktober 2015 Station in Wien, Innsbruck und Linz machte, hat sowohl bei
 den Veranstalter_innen als auch bei den Teilnehmer_innen eine Vielzahl 
von Eindrücken hinterlassen. Das GG/BO-Modell, d.h. der Aufbau 
authentischer und autonomer Gewerkschaftsstrukturen von inhaftierten und
 nicht inhaftierten Kolleg_innen, kann eine Verankerung in Österreich 
finden, wenn der gegebene Anstoß seine konkrete Fortsetzung erfährt. 
Kontaktstränge sowohl innerhalb als auch außerhalb der österreichischen 
Justizanstalten liegen vor, die in den kommenden Wochen zusammengeführt 
werden müssen, um zu einer konkreten Initiative zu werden.
Soziale Frage hinter Gittern – auch in Österreich?
In
 Deutschland und Österreich stellt sich für inhaftierte Beschäftigte und
 Beschäftigungslose sowie nicht inhaftierte solidarische Kolleg_innen 
vor den Anstaltstoren eine zentrale Frage: die soziale Frage hinter 
Gittern. Das staatlich sanktionierte Sozial- und Lohndumping findet sich
 gleichermaßen in den Haftanstalten beider Länder: kein Mindestlohn, 
sondern Billiglöhnerei knapp oberhalb des Nulltarifs, keine Einbeziehung
 in das komplette Sozialversicherungssystem (insbesondere fehlende 
Einzahlungen in die Renten-/Pensionskasse), sondern Altersarmut nach der
 Haft, keine freie Arbeitsplatzwahl, sondern Arbeitszwang etc. 
Trotz
 Unterschieden zwischen dem deutschen und österreichischen 
Strafvollzugswesen sehen sich die Inhaftierten im Kern mit der 
identischen Situation konfrontiert, einen besonders prekären Sektor des 
Niedriglohns zu bilden, in dem mit den Methoden des Union Busting gegen 
die gewerkschaftliche Selbsthilfe seitens der Behörden vorgegangen wird.
 Hier lassen sich zahlreiche Verknüpfungspunkte und Schnittmengen 
zwischen inhaftierten und nicht inhaftierten Gewerkschafter_innen 
ausmachen. Hier ist anzusetzen, denn die soziale Frage macht nicht vor 
dem Gefängnistor halt – im Gegenteil.
Selbstorganisierung der Inhaftierten – auch in Österreich?
Grundsätzlich
 können wir festhalten, dass die einzelnen Informations- und 
Diskussionsveranstaltungen zur Entstehung, Entwicklung und den 
Möglichkeiten einer eigenständigen gewerkschaftlichen Vereinigung mit 
dem thematischen Schwerpunkt der sozial- und arbeitsrechtlichen 
Bedingungen hinter Gittern von den Teilnehmer_innen sehr positiv 
aufgenommen wurden. Es besteht Konsens darüber, dass das Segment 
Tausender arbeitender Gefangener in Österreich in den Fokus eines 
Gewerkschaftsengagements zu nehmen ist und nicht weiter ignoriert werden
 kann. Sozialstandards und Minimalanforderungen haben auch hinter 
Schloss & Riegel zu gelten, so der einhellige Tenor. 
In
 allen Diskussionen vor, während und nach den Veranstaltungen ist 
deutlich geworden, dass der Selbstorganisierungsprozess der Inhaftierten
 im Rahmen der GG/BO der Dreh- und Angelpunkt der 
gewerkschaftspolitischen und -rechtlichen Arbeit sein muss. Keine 
Stellvertreter_innenpolitik sowie kein Hineintragen von Forderungen und 
Ansprüchen in die Haftanstalten, die dort ohne jegliche Resonanz sind. 
Inhaftierte sind die Taktgeber_innen des GG/BO-Aufbauprozesses und keine
 Empfänger_innen von gutgemeinten Ratschlägen und Wunschvorstellungen. 
Von der GG/BO-Idee zur GG/BO-Initiative – auch in Österreich?
Die
 Grundüberlegung ist, diejenigen Interessierten in einem Initiativkreis 
zu sammeln, die sich vorstellen können, eine Unterstützer_innengruppe 
der GG/BO in Österreich zu bilden, um vor dem Hintergrund der 
landesspezifischen Bedingungen eine Sektion der GG/BO innerhalb und 
außerhalb der österreichischen Justizanstalten zu bilden.
Die
 ersten Schritte sind vollbracht; die eigentliche Initiative muss indes 
ergriffen werden, damit sich das Projekt entfalten kann. Der Ausgang ist
 offen. Die Ausgangsbedingungen sind allerdings nicht schlecht, um sich 
auf den Weg zu machen, damit wir der Zielsetzung „Kein Häf´n ohne 
GG/BO!“ näher kommen können. 
Es handelt sich um ein 
ambitioniertes Pilot-Projekt, die GG/BO zu einem „Exportschlager“ über 
die ursprüngliche Landesgrenze hinaus weiterzuentwickeln. Hierin liegen 
Chancen und Risiken zugleich. Chancen, dass sich sich die 
Gefangenenschaft weiter international gewerkschaftlich selbstorganisiert
 und artikuliert – sichtbar und hörbar wird. Risiken, dass wir uns als 
GG/BO vor allem außerhalb der Justizanstalten personell und 
organisatorisch verheben und uns an den Rand des Kollaps bringen. 
Beide
 Szenarien sind denkbar. Die kommenden Wochen werden zeigen, welche 
Tendenz eingeschlagen wird. Ihr, wir, alle dürfen gespannt sein...
Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), 29. Oktober 2015
Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)
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facebook.com/Gefangenengewerkschaft
Artikel zum GG/BO-Aufbau in Austria
die erste tageszeitung der welt, die seit 1703 (!) existiert, die "wiener zeitung", hat einen artikel zur gg/bo-veranstaltung in der fachbuchhandlung des ögb in wien abgedruckt: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/782278_Bi...