Fast 400 Ermittlungen wegen krimineller Vereinigung
Von Andreas Debski
 Dresden. In Sachsen sind offenbar weit mehr Reichsbürger aktiv als das 
Innenministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz eingestehen 
wollen: Eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Kerstin Köditz ergab
 jetzt, dass in den vergangenen drei Jahren gegen fast 300 Personen 
wegen Mitgliedschaft in und Bildung einer kriminellen Vereinigung 
ermittelt wurde. Gegen 84 weitere Beschuldigte dauern die Ermittlungen 
noch an, wie aus der Antwort von Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) 
hervorgeht. 
 Die selbst ernannten Reichsbürger erkennen die Bundesrepublik nicht an.
 Stattdessen sehen sie das Deutsche Reich - meist in den Grenzen von 
1937 - fortbestehen. Bekanntester Fall war die Hilfspolizei-Truppe DPHW,
 die in Sachsen ihren Schwerpunkt hatte. Bundesweit Schlagzeilen machte 
dieses Deutsche Polizei-Hilfswerk im November 2012 durch die 
eigenmächtige "Festnahme" eines Gerichtsvollziehers. 
 Über 60 Personen mehrfach straffällig
 Neben den Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung 
listet das sächsische Justizministerium noch Dutzende weitere Vergehen 
von sogenannten Reichsbürgern und mutmaßlichen DPHW-Mitgliedern auf. 
Über 60 Personen wird vorgeworfen, sich mehrfach strafbar gemacht zu 
haben, in einigen Fällen gleich dutzendfach. Insgesamt stehen mehr als 
50 verschiedene Straftatbestände im Raum, am häufigsten Nötigung (57 
Mal). Weiter stechen Freiheitsberaubungen (17) sowie Bedrohungen und 
Erpressungen (13) hervor. Hinzu kommen sieben Körperverletzungen. Auch 
ein Hang zur Wirtschaftskriminalität, so Geldwäsche, ist erkennbar. 
Außerdem liegen mehrere Fälle der Volksverhetzung und des Verwendens von
 Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor - klassische 
Staatsschutzdelikte. Mindestens eine Person soll unerlaubt eine 
Schusswaffe besessen haben.
Während der sächsische Verfassungsschutz wie auch das Innenministerium 
in der Reichsbürger-Bewegung "kein Beobachtungsobjekt" sehen sowie 
"keine Erkenntnisse über tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische 
Bestrebungen" verorten können, weist der Thüringer Verfassungsschutz auf
 das Gefahrenpotenzial hin. In Erfurt heißt es ganz klar: Die 
"realitätsfernen Verlautbarungen der 'Exilregierung' dürfen nicht 
darüber hinwegtäuschen, dass hier mit pseudojuristischer Akribie 
versucht wird, einen gesellschaftlichen Resonanzboden für 
rechtsextremistisches Gedankengut zu schaffen und teilweise personelle 
Überschneidungen zu anderen rechtsextremistischen Gruppierungen 
bestehen".
 Köditz: Verbindung zu Rechtsextremen 
 Das sieht Köditz ähnlich: "Ausgerechnet unter denjenigen, die auf 
eigene Faust Polizei spielen und sich Phantasieuniformen angelegt haben,
 sind offenbar etliche Intensivtäter. Dieser Umstand muss als eine akute
 Warnung verstanden werden", macht die Rechtsextremismus-Expertin der 
sächsischen Linksfraktion klar. "In den vergangenen Wochen haben sich 
unter anderem in Freital, Meißen und Chemnitz neuerlich Bürgerwehren und
 Bürgerstreifen formiert. Verbindungen solcher Gruppierungen zur 
extremen Rechten liegen zum Teil auf der Hand." Gerade in Zusammenhang 
mit der Zunahme rassistischer Demonstrationen und Kundgebungen ergebe 
sich daraus ein erhöhtes Gefahrenpotenzial, warnt Köditz.
